Mandanten finden die Abrechnung auf Stundenbasis oft ineffizient und fordern von ihren Kanzleien neue Honorarmodelle. In den USA bereits ein Trend, sind diese "Alternative Fee Arrangements" für deutsche Kanzleien noch eine Herausforderung.
Schon der Name macht Schwierigkeiten. "Wenn man über Alternative Fee Arrangements spricht, sollte man auch klären, zu was diese Honorarmodelle eine Alternative sein sollen", sagt Dr. Thomas Fox, Managing Partner bei Latham & Watkins lapidar. "Es war schon immer so, dass Mandanten wissen wollten, welche Kosten sie erwarten."
Es herrscht tatsächlich eine gewisse Uneinigkeit darüber, was unter den Begriff eines Alternative Fee Arrangements fällt. Werden ab einer bestimmten Stundenzahl Rabatte eingeräumt, ist die Richtgröße weiterhin das Stundenhonorar. Das kann eigentlich noch nicht als "Alternative" durchgehen.
Was ist dem Mandanten die Arbeit wert?
Daneben gibt es Modelle aus dem Value-based Pricing: Der Preis richtet sich dabei weniger nach dem Aufwand, sondern nach dem, was die Aufgabe dem Mandanten wert ist. Dazu gehören vor allem Pauschalhonorare, auch Fixed Fees genannt, die für die Erbringung einer definierten Leistung gezahlt werden. In ihrer Reinform sind diese Modelle allerdings eher selten.
Viel häufiger finden sich bei den Honorarmodellen Mischformen. Hierzu zählen etwa Retainer, bei denen ein Anwalt über einen Zeitraum, etwa einen Monat, für vorher definierte Aufgaben ein festgelegtes Honorar erhält. Im Gegenzug kann der Mandant eine bestimmte Anzahl von Stunden abrufen. Beliebt bei Mandanten sind zudem Honorarobergrenzen, auch Fee Caps genannt. Damit wird das Kostenrisiko neu verteilt: Der Anwalt rechnet wie bisher nach Stunden ab, allerdings wurde zuvor eine Obergrenze vereinbart. Wird diese Grenze überschritten, zahlt der Mandant nur das vereinbarte Maximum.
Rechtsabteilungen wollen neue Wege einschlagen
Der Trend zu den Alternative Fee Arrangements kommt aus den USA. Hier hat das extreme Wachstum der Stundenhonorare dazu geführt, dass General Counsel nach Alternativen fragen. Auch in Deutschland sieht es so aus, als würden Rechtsabteilungen vermehrt neue Wege einschlagen wollen. Für die Kanzleien ist das eine Herausforderung.
Dem aktuellen Rechtsabteilungs-Report 2015/16 der Beratung Otto-Henning zufolge, ist der Anteil pauschal vereinbarter Honorare, die Rechtsabteilungen mit Kanzleien abschließen, von rund 14 Prozent im Jahr 2013 auf etwa 19 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Auf Basis des RVG wird nur noch in 16 Prozent der Fälle gearbeitet. Die Studie zeigt aber auch: Die Billable Hour ist nicht tot. Der Anteil individuell vereinbarter Stundensätze ist ebenfalls gestiegen und macht die große Masse aus: Er liegt bei rund 59 Prozent.
Billable Hour bleibt die Richtgröße – zumindest kanzleiintern
Dr. Hubertus Kolster, Managing Partner bei CMS Hasche Sigle, sieht die Lage differenziert. "Die 'Billable Hour' ist für uns nach wie vor eine wichtige wirtschaftliche Einheit, mit der wir intern kalkulieren. Mit ihr erfassen wir, wie die Höhe der Auslastung der Mitarbeiter und Teams ist. Wir können mit dieser Einheit Budgets planen und berechnen, wie wir unsere Beratungsleistung am Markt anbieten können."
Die Kanzlei beobachtet aber auch seit Längerem den Trend, dass die Mandanten bei der Preisgestaltung ambitionierter werden. Der Druck auf die Anwaltschaft sei da. Bieterverfahren und Pitches sind die Regel. "Von Mandantenseite werden häufiger alternative Honorarmodelle nachgefragt." Es bestehe ein Bedürfnis, das Kostenrisiko für die Unternehmen zu begrenzen. Deshalb arbeite seine Kanzlei nach der Maxime, eine höchstmögliche Transparenz und Effizienz zu bieten. Der Mandant soll nicht im Verlauf des Mandats durch die Höhe der Kosten überrascht werden.
CMS setzt zunehmend auf Mixmodelle
In der Praxis arbeitet CMS Hasche Sigle deshalb auch zunehmend mit Mixmodellen. Wenn ein Angebot für eine Transaktion erstellt wird, kann es sein, dass eine Due Diligence zum Festpreis angeboten wird, für das SPA (Salse and Purchase Agreement) ein Cap gilt und für alles weitere ein Stundensatz, gegebenenfalls mit Rabatt ab bestimmten Volumina, die Grundlage darstellt.
"Wünscht der Mandant die Beratungshonorare durch einen Cap oder einen Festpreis zu deckeln, so können wir dies nur dann erfüllen, wenn wir zuvor genaue Kenntnisse über das Projekt, den Umfang und seine Herausforderungen haben. Das ermöglicht uns im Vorfeld für die Kalkulation bestimmte Annahmen zu treffen", sagt Kolster. Zum Beispiel bei der Due Diligence: Wie viele Unterlagen im Datenraum müssen analysiert werden? Wie viele Jurisdiktion sind betroffen? Wie hoch ist der Anteil, der intern aus dem Unternehmen zugeliefert wird.
"Derartige Annahmen können wir jedoch nur bei begrenzten Themenfeldern zugrunde legen." Ein Pauschalpreis für eine Transaktion ohne Annahmen oder Beschränkungen des Inhalts sei nicht seriös möglich. Hier gebe es offene Variablen, etwa Kartellfragen und –folgen, Steuerstrukurfragen und ähnliches, deren Umfang sich schwer abschätzen ließe, sagt der Managing Partner.
2/2 Rabatte für Broken Deals und Erfolgshonoare
Doch hätten Fixpreise nicht auch Vorteile für die Kanzlei, beispielsweise etwa dann, wenn Effizienzreserven gehoben oder Prozesse standardisiert werden könnten? "Wenn ein Fixpreis so großzügig bemessen werden könnte, dass die internen Kosten darunter blieben, dann wäre dies tatsächlich von Vorteil", antwortet Kolster. In der Regel seien allerdings die Fixpreise durch den Wettbewerb im Bieterverfahren so niedrig, dass an sich kaum Spielraum bleibe.
Eine Schwierigkeit sieht der Managing Partner von CMS beim Thema "Broken Deal". "Wir werden bei Transaktionen manchmal gefragt, ob wir in diesem Fall einen signifikanten Rabatt einräumen können. Das fällt uns aber nicht leicht, denn schließlich ist die Leistung von uns voll erbracht worden." Zudem sei es ja gerade auch die Aufgabe von Rechtsanwälten als Organ der Rechtspflege, den Mandanten unter Umständen vor einem schlechten Deal zu bewahren.
Auch ein Erfolgshonorar sieht Kolster kritisch. "Hier wirkt sich der Anreiz, dass ein Deal unbedingt zustande kommen soll, nicht immer förderlich auf eine ausgewogene Beratung aus. Unser Ziel und Anspruch ist es, für den Mandanten eine optimale Beratung und die besten Lösungen für aufgetretene Probleme zu liefern. Deshalb wird auch schon mal freiwillig ein Premium gezahlt."
Verlässlichkeit zählt
Mandanten erwarten von ihren Anwälten Verlässlichkeit, auch hinsichtlich der für die Beratung entstehenden Kosten. Für Dr. Thomas Fox von Latham & Watkins macht es deshalb im Ergebnis kaum einen Unterschied, ob Kostenobergrenzen hart in Form eines Fee Caps ausgehandelt werden - oder ob der Anwalt lediglich gegenüber dem Mandanten auf dessen Nachfrage eine Einschätzung über das Honorar abgibt.
"Wenn wir signifikant von den Beträgen abweichen, die wir vorher dem Mandanten genannt haben, dann führt das regelmäßig zu Verstimmungen", sagt Fox. Deshalb sei es in jedem Fall wichtig, die Erwartungen des Mandanten zu ergründen. "Wir wollen schließlich, dass der Mandant wiederkommt und/oder uns weiterempfiehlt."
Latham setzt nur selten auf alternative Abrechnungsmodelle
Fox glaubt nicht, dass das Ende der Billable Hour eingeläutet ist. Die pauschale Vereinbarung eines Festbetrages sei sehr selten. "Das liegt auch daran, dass der Mandant zwar gerne einen Deckel auf den Kosten hat, aber ungern mehr bezahlt als er muss." Eine große Rolle spielen die alternativen Modelle bei Latham nicht: "Bei uns machen Alternative Fee Arrangements im engeren Sinne lediglich einen einstelligen Prozentsatz des Gesamtumsatzes aus", sagt Fox.
Gebräuchlich seien Capped-Fees-Vereinbarungen zum Beispiel im Finanzierungsbereich oder bei Due Diligence Prüfungen, also Arbeitsaufgaben, bei denen eine gewisse Standardisierung möglich ist. In solchen Fällen ist es für eine Kanzlei sehr gut denkbar, dass über Deckelungen gesprochen wird. Im Transaktionsgeschäft sind auch Prämien nicht unüblich, wenn ein Deal besonders gut läuft. Umgekehrt aber auch Abschläge, wenn eine Transaktion nicht zustande kommt.
Alternative Honorarmodelle erforderten auf beiden Seiten eine gewisse Erfahrung, meint Fox. Geklärt werden sollte insbesondere, was dem Mandanten wirklich wichtig ist: Wofür erwartet er etwa den Einsatz der Kanzlei auf Partnerebene und besondere Aufmerksamkeit? Umgekehrt muss auch der Mandant wissen, was mit einem bestimmten Budget erreicht werden kann. Die Bedingungen müssen für beide Seiten fair sein, findet Fox: "Letztendlich muss es beiden Seiten Spaß machen."
Henning Zander, Alternative Fee Arrangements: Das Ende der Billable Hour? . In: Legal Tribune Online, 16.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18477/ (abgerufen am: 01.12.2023 )
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