Sie sind oft intransparent und bestenfalls schwammig formuliert: Karrierewege in der Großkanzlei. Wie man als Associate ein Mitarbeitergespräch dazu nutzen kann, um Licht ins Dunkel zu bringen, erklärt Karriereberaterin Carmen Schön.
LTO: In Unternehmen werden mindestens einmal pro Jahr Mitarbeitergespräche geführt. In Kanzleien allerdings gibt es diese Personalgespräche sehr viel seltener. Brauchen Anwälte so etwas denn nicht?
Carmen Schön: Doch, auch Anwälte brauchen diese Gespräche. Sinn und Zweck der Mitarbeitergespräche ist, dass der Arbeitgeber, also die Kanzlei oder der direkte Vorgesetzte, dem Associate ein Feedback über seine Arbeitsergebnisse und sein Verhalten in der Kanzlei, also seine Stärken und Schwächen gibt. Und auch der Associate soll dem Partner eine Rückmeldung geben darüber, was er braucht, um sich weiter zu entwickeln, was im Team gut läuft oder wo es aus seiner Sicht Verbesserungsbedarf gibt.
LTO: Wie läuft so ein Feedback-Gespräch ab?
Schön: In der Personalentwicklung sind Fragebögen üblich, in denen einzelne Kriterien bezüglich des Verhaltens aufgelistet sind. Manchmal sind diese mit einer so genannten Skalenfrage kombiniert, etwa: "Wie bewerten Sie ein Verhalten auf einer Skala von 1 bis 10?" Diese Fragebögen füllen der Vorgesetzte und der Mitarbeiter gemeinsam aus.
In vielen, vor allem größeren Unternehmen, ist das die übliche Vorgehensweise. In Kanzleien wird das allerdings seltener gemacht. Die Gespräche laufen meist nicht nach einer klaren Struktur ab. Grund dafür ist, dass es entweder keinen einheitlichen Standard für ein Mitarbeitergespräch gibt oder aber die Partner sich an diesen nicht halten.
Der Kanzlei sollten die Pläne ihrer Mitarbeiter nicht egal sein
LTO: Warum führen die Kanzleien denn keine professionellen Mitarbeitergespräche ein?
Schön: Kanzleien oder einzelne Partner finden ein Gespräch, in dem es um die Karriereentwicklung des Mitarbeiters geht, nicht immer spannend. Viele Partner haben ihre Karriere ohne Mitarbeitergespräche gestaltet und denken daher, diese sind entbehrlich. Manchmal möchte man an einem Associate auch gar nicht so lange festhalten - so dass man keine Energie in diesen Kandidaten stecken möchte.
Die Kanzlei sollte aber bedenken, dass der Austausch auch für die Partner wichtig ist. Denn die Kanzlei betreibt ja eine Personalplanung. Deswegen sollte es ihr nicht egal sein, welche Pläne der Mitarbeiter hat. Sie sollte durchaus wissen wollen, ob er etwa unbedingt Partner werden oder lieber dauerhaft angestellt sein will, sofern das in der Kanzlei überhaupt möglich ist. Es ist wichtig, regelmäßig miteinander zu sprechen. Denn Mitarbeiter verändern sich, und diese Änderungen sollte der Arbeitgeber spüren.
Auch wenn es von Arbeitgeberseite nicht zwingend vorgeschrieben ist, bietet sich ein solches Gespräch für beide Seiten an. Wer gemeinsam die Performance und vielleicht auch den Bonus fixiert, macht sich über seine Ziele Gedanken. Und wer klare Ziele hat, der arbeitet effektiver. Das bringt sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Angestellten einen Mehrwert.
2/2 Häufiges Problem: Intransparenz
LTO: Gibt es einen typischen Fehler, den Kanzleien bei solchen Gesprächen machen?
Schön: Ja, wenn die Arbeitgeber intransparent bleiben und dem Associate keine klaren Aussagen über seine Karriere-Optionen machen. In diese Falle tappen viele Partner, die im Grunde wissen, dass ihr Associate keine Aussichten auf die Partnerschaft hat, die ihn aber gerne im Team halten wollen.
In vielen Kanzleien werden keine klaren Karrierewege und Kriterien für das Weiterkommen kommuniziert. Das hat viele Gründe. Entweder gibt es keinen Karriereplan. Oder man möchte den Associate einfach nur einige Jahre halten, aber nicht weiterentwickeln. Oder aber der Partner denkt ganz schlicht nicht daran.
LTO: Über was genau sollte man in einem Mitarbeitergespräch reden?
Schön: Es gibt harte Zahlen, die wohl kaum verhandelbar sein dürften - allen voran die Zahl der abrechenbaren Stunden, der Billable Hours, die oft zwischen 1.200 und 1.800 pro Jahr liegen. Aber es gibt andere Themen, über die es sich lohnt zu sprechen. Dazu gehört etwa die fachliche Qualifikation des Anwalts. Oder die Frage, wie er seine Mandate bearbeitet und wie er sich gegenüber dem Mandanten verhält, also kommunikative Aspekte im Mandat. Die fachliche und persönliche Weiterbildung könnte ebenfalls ein Thema sein.
"Mit Mehrwert argumentieren"
LTO: Macht es Sinn, über die Höhe der Billable Hours verhandeln zu wollen?
Schön: Ich vermute, dass die meisten Kanzlei in dieser Hinsicht strikt bleiben werden. Unter bestimmten Umständen könnte es aber sinnvoll sein. Etwa wenn die Vorgabe sehr hoch ist, der Associate zugleich aber auch akquirieren soll. Dann könnten Associate und Partner durchaus darüber sprechen, ob die Akquise-Zeit auch den Billable Hours zuzurechnen ist.
LTO: Wie geht man dabei am besten vor?
Schön: Machen Sie sich zunächst klar: Ihr Partner verdient weniger Geld mit Ihnen, wenn er Ihnen erlaubt, weniger abrechenbare Stunden zu leisten. Sie müssen also gute Argumente dafür vorbringen, was es dem Partner nützt, wenn Sie Ihre Billable Hours reduzieren. Rechnen Sie ihm etwa vor, dass sie – wenn sie eine Zahl X an Stunden für die Akquise einsetzen – im kommenden Jahr den Umsatz um eine gewisse Prozentzahl steigern können. Argumentieren Sie mit dem Mehrwert, den Sie dem Partner bringen.
LTO: Welche Tipps haben Sie noch?
Schön: Der Jahresanfang ist ein guter Zeitpunkt für ein Gespräch. Fordern Sie einen Termin beim Partner ein und bereiten Sie sich gut vor. Überlegen Sie sich vorab wichtige Fragen und Punkte, zu denen Sie ein Feedback geben wollen. Nach dem Gespräch werden To-Dos definiert, am besten schriftlich. Im nächsten Jahr können Sie die Ergebnisse daran messen.
Anja Hall, Karriere in der Großkanzlei: Nicht alles, aber vieles ist verhandelbar . In: Legal Tribune Online, 16.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22124/ (abgerufen am: 07.12.2023 )
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