Das Anwaltspostfach bleibt erst mal offline. Was heißt das, so kurz vor Beginn der Nutzungspflicht? Wer und was ist gefährdet? Es brodelt nicht nur in der Anwaltschaft: Auch regionale Anwaltskammern haben genug von der Salamitaktik der BRAK.
Vier Tage vor Beginn der Nutzungspflicht, sechs Tage nach dem, was die Twitter-Community #BeAGate nennt: Beim Jahreskongress des Chaos Computer Clubs 34C3 in Leipzig beschäftigt man sich mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA), längst berichten nicht mehr nur juristische und IT-Fach-Magazine über die "schwere Panne".
Am Mittwoch erklärte die verantwortliche Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) per Pressemitteilung, dass das Anwaltspostfach offline bleibt, bis der Dienstleister Atos "die Störungen vollständig behoben und einen sicheren Zugang gewährleistet hat". Weitere öffentliche Erklärungen gibt es von der BRAK nicht.
Dabei gäbe es viel zu sagen. Darüber, was sie falsch gemacht hat. Weshalb sie so lange nicht erkannte, welch tiefgreifendes Problem in der Sicherheitsarchitektur des beA angelegt wurde. Warum sie immer noch mauerte, als sie es längst wusste. Und darüber, wie es jetzt weiter gehen soll.
Das wüssten nicht nur die Anwälte gern. Auch bei den regionalen Anwaltskammern brodelt es, von "desolater Informationspolitik" der BRAK ist die Rede.
Keine Nutzungspflicht ohne Nutzungsmöglichkeit?
Derzeit ist die beA-Plattform – wie auch sämtliche bei den Kammern geführten Anwaltsverzeichnisse - offline. Weil, wer nichts macht, auch nichts falsch machen kann, können weder beim Zugang zum System noch bei dessen Benutzung also aktuell Sicherheitsrisiken entstehen. Wer nicht am vergangenen Freitag das zusätzliche Zertifikat heruntergeladen hat, muss also nichts tun.
Wenn niemand sich im beA einloggen und damit auch niemand Nachrichten versenden oder empfangen kann, können die Rechtsanwälte aber auch ihrer ab dem 1. Januar bestehenden passiven Nutzungspflicht nicht nachkommen. Ein Berliner Anwalt hat nach eigenen Angaben am Mittwoch beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beantragt, per einstweiliger Anordnung die passive Nutzungspflicht für das beA auszusetzen, "bis das System verlässlich zur Verfügung steht und die BRAK nachgewiesen hat, dass die dem System zugrungeliegende Technik – insbesondere die Verschlüsselungstechnik – dem Stand der Technik im Jahr 2018 entspricht". Das BVerfG bestätigte am Donnerstag den Eingang eines Antrags in Bezug auf das beA (Az. 1 BvQ 74/17).
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) forderte am Mittwoch in einer ungewöhnlich scharf formulierten Erklärung, die BRAK solle öffentlich erklären, dass das beA bis zu seiner Freischaltung auf keinem Wege, auch nicht von Gerichten und anderen Kommunikationspartnern, erreichbar ist.
Auf Nachfrage von LTO bestätigte die BRAK das: "Wir können ausschließen, dass Gerichte oder andere Kommunikationspartner momentan Dokumente auf diesem Wege zustellen können". Man habe am Mittwoch im Realtest festgestellt, dass die Sender eine Fehlermeldung erhielten und darauf hingewiesen würden, dass keine Zustellung erfolgt ist.
Sie teilte weiter mit, das Gespräch mit dem Bundesjustizministerium aufgenommen zu haben, um eine generelle Regelung für die passive Nutzungspflicht für die Dauer bis zur erneuten Freischaltung der beA-Plattform zu finden. Laut einem Schreiben vom 27. Dezember, das LTO vorliegt, hat sie dem BMJV allerdings lediglich mitgeteilt, "dass die Anwälte ihre Nutzungspflicht, solange beA vom Netz ist, nicht erfüllen können. Es können auch keinerlei Nachrichten in das beA der Anwälte gesandt oder von dort abgeholt werden. Gerichte sind daher auch nicht in der Lage, in diesem Zeitraum Nachrichten an Anwälte zu senden."
Beim BMJV beschränkte man sich bis zur Veröffentlichung dieses Artikels noch auf den Hinweis, dass man nur die Rechtsaufsicht über die BRAK ausübe und sich daher zum Anwaltspostfach derzeit nicht äußern wolle.
Pia Lorenz und Christian Dülpers, Desaster beim Anwaltspostfach: . In: Legal Tribune Online, 28.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26209 (abgerufen am: 07.12.2024 )
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