Druckversion
Dienstag, 3.10.2023, 21:59 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/vergewaltigungsvorwurf-gruene-politiker-erstattet-strafanzeige-wegen-verleumdung/
Fenster schließen
Artikel drucken
21616

Beim Seminar zum neuen Sexualstrafrecht beschuldigt: Grünen-Poli­tiker wehrt sich gegen Ver­ge­wal­ti­gungs­vor­wurf

von Pia Lorenz

29.12.2016

Mann und Frau beim Sex

© ferkhova - Fotolia.com

Eine 17-Jährige wirft einem 24-Jährigen vor, sie vergewaltigt zu haben. Der ist nicht nur Jurastudent, sondern auch Mitglied im Landesvorstand der Grünen Jugend Bayern. Und bisher ein bekennender Verfechter des neuen Sexualstrafrechts. 

Anzeige

Eine Nacht, zwei Versionen

Ausgerechnet bei einem Seminar zum neuen Sexualstrafrecht soll  Max Hieber mit der Behauptung konfrontiert worden sein, eine junge Nachwuchspolitikerin vergewaltigt zu haben.

Der 24-Jährige ist, ebenso wie die Frau, die ihm diesen Vorwurf macht, Mitglied der "Grünen Jugend Bayern". Von seinem Amt als Beisitzer im dortigen Landesvorstand ist er nach den Vorwürfen im November zurückgetreten. Nun aber hat der Jurastudent Strafanzeige erstattet wegen Verleumdung und Strafantrag gegen die 17-Jährige gestellt.

Es kam, so viel ist sicher, nach einer Partei-Veranstaltung im Juli zum Sex zwischen der jungen Frau und dem Jurastudenten. Statt fand der im Haus ihrer Eltern, in das sie Hieber zur Übernachtung eingeladen hatte. Beide hatten bei der Veranstaltung Alkohol getrunken. Einig ist man sich auch darüber, dass Hieber am folgenden Morgen noch mit der gesamten Familie frühstückte und der Vater der 17-Jährigen ihn zum Bahnhof fuhr. Was aber geschah in dieser Nacht?

Nur angetrunken oder nicht mehr einwilligungsfähig?

Glaubt man der Jungpolitikerin, deren Anwältin zwischen Weihnachten und Silvester nicht im Büro zu erreichen war, war sie zu betrunken, um in den sexuellen Kontakt einzuwilligen und dadurch widerstandlos. Mehreren Mitgliedern des Landesvorstand gegenüber sagte sie Monate später, Hieber habe sie "vergewaltigt", vor dem Sexualkontakt sei kein eindeutiges "Ja" gefallen.

Geht es nach Max Hieber, hatten die beiden, die sich zuvor bereits über ihre sexuellen Vorlieben ausgetauscht hätten, in angetrunkenem, aber nicht stark alkoholisiertem Zustand einvernehmlichen Sex in Form von gegenseitigem Oralverkehr.  Sie habe "eindeutig zustimmende Laute" von sich gegeben und auf Nachfrage, ob sie "das geil finden würde",  auch mit einem Ja geantwortet.

Diese Nacht habe die 17-Jährige später bereut, weil ihr "Quasi-Freund das nicht so cool fände und sie jetzt deswegen mega Stress hätte". Diese Aussage habe sie am folgenden Tag auch per Whatsapp-Chat ihm gegenüber getätigt. In diesem Kontext schrieb sie auch: "Ach Max, das hätte einfach nicht passieren dürfen und ich war einfach zu betrunken, um Nein zu sagen und es ist grad echt alles n bisschen scheiße".

Strafanzeige nach Anwaltsbrief der Eltern

2/2: Vergewaltigungsvorwurf bei Tagung zum Sexualstrafrecht

In den folgenden Monaten hatten die beiden nach Angaben von Hieber den üblichen freundschaftlichen Kontakt über soziale Netzwerke, besuchten beide eine Veranstaltung der Partei, bei der sie laut dem Jurastudenten normal miteinander umgingen und unterhielten sich auch über persönliche Themen.

Erst im Oktober wurde der Politiker von Mitgliedern des Landesvorstandes mit den Vorwürfen konfrontiert. Ihre Version von dem gemeinsamen Abend soll sie ausgerechnet bei einer von Hieber mitorganisierten Tagung zu 'Nein heißt Nein' einem Parteikollegen mitgeteilt und diesen gebeten haben, den Landesvorstand der "Grünen Jugend Bayern" zu informieren. Auch seinen Rücktritt aus dem Vorstand soll sie gefordert haben. Die Tagung beschäftigte sich mit der Reform des Seuxalstrafrechts, mit der u.a. sexuelle Handlungen mit Betrunkenen und gegen den erkennbar entgegenstehenden Willen unter Strafe gestellt wurden.

Hieber bestritt eine Vergewaltigung stets, auch gegenüber den Parteikollegen. Am 10. November gab der Jurastudent sein Amt aber tatsächlich ab, nach Angaben von Anwalt Stevens, um Schaden für den Ruf der Partei abzuwenden. Zu diesem Zeitpunkt lag die Nacht im Juli schon über ein Vierteljahr zurück, noch immer hatte weder die junge Frau Strafanzeige wegen Vergewaltigung erstattet noch der Jurastudent wegen Verleumdung.

Eltern des Mädchens forderten Politiker auf zu schweigen

Zwischenzeitlich hatte Hieber aber ein anwaltliches Schreiben erreicht. Die Eltern der 17-Jährigen forderten ihn, weil er den "Vorfall" öffentlich diskutiere und jede Schuld von sich weise sowie ihrer Tochter mit Strafanzeigen drohe, dazu auf, sich nicht weiter öffentlich zu dem Vorfall zu äußern oder irgendwelche Schritte zu unternehmen. Dann seien die Eltern des Mädchens dazu bereit, "den Vorfall nicht strafrechtlich verfolgen zu lassen".

Für Max Hieber gab dieser Brief den Ausschlag, Anzeige wegen Verleumdung gegen die junge Frau zu erstatten. Laut Anwalt Stevens ist für den Grünen-Politiker "die verleumderische Bezeichnung als "Vergewaltiger" und die damit verbundene schwerste Diskreditierung nicht hinnehmbar".

Die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit von Personen jedweden Geschlechts seien ein sehr wichtiger Bestandteil seiner politischen Arbeit und seiner Grundüberzeugungen, heißt es in der Strafanzeige, die LTO vorliegt. Der Grünen-Politiker hatte sich für die Reform des Sexualstrafrechts stark gemacht. Nun vertraut Jurastudent Hieber "auf eine objektive und neutrale Bearbeitung durch die Justiz". 

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Beim Seminar zum neuen Sexualstrafrecht beschuldigt: Grünen-Politiker wehrt sich gegen Vergewaltigungsvorwurf . In: Legal Tribune Online, 29.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21616/ (abgerufen am: 03.10.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Bündnis 90/Die Grünen
    • Politiker
    • Sexualstrafrecht
    • Sexuelle Belästigung
02.10.2023
Justiz

Besetzungsstreit beim OVG NRW geht weiter:

NRW-Jus­tiz­mi­nister muss sich in Son­der­sit­zung ver­ant­worten

Seit mehr als zwei Jahren ist die Stelle des obersten Verwaltungsrichters in NRW vakant. In einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster wurde deutliche Kritik am NRW-Justizminister laut ­– der legt dagegen nun Beschwerde ein.

Artikel lesen
28.09.2023
Asyl

Asylrecht zum Mitreden Teil 2:

Diese Leis­tun­g­an­sprüche haben Asyl­su­chende wir­k­lich

Kostenlose Wohnung, Krankenversicherung, Urlaub im Herkunftsland: Den Geflüchteten geht es in Deutschland sehr gut, meint nicht nur Friedrich Merz. Doch wie sieht die (rechtliche) Lebenswirklichkeit von geflüchteten Menschen tatsächlich aus?

Artikel lesen
03.10.2023
Mord

Neues vom Planeten Sirius:

War "Fred vom Sirius" ein Seri­en­mörder?

Juristen kennen ihn alle aus dem Studium: Den Siriusfall. Jetzt deckt eine ARD-Recherche weitere mysteriöse Todesfälle im Umfeld des Täters auf. Entstanden ist eine unglaubliche Podcast- und Doku-Serie, meint Katharina Reisch.

Artikel lesen
02.10.2023
Justiz

Staatsanwaltschaft Hamburg am stärksten unter Druck:

30 Pro­zent mehr offene Ermitt­lungs­ver­fahren in zwei Jahren

Mehr Verfahren, komplexe Ermittlungen, Personalmangel. Bundesweit kämpfen die Staatsanwaltschaften gegen die stetig wachsenden Aktenberge, wie der Deutsche Richterbund berichtet. Nur Sachsen-Anhalt trotzt dem Trend.

Artikel lesen
01.10.2023
Meinung

Eine Frage an Thomas Fischer:

Hat sich Fried­rich Merz wegen Volks­ver­het­zung strafbar gemacht?

Nachdem Friedrich Merz eine Bevorzugung von Asylbewerbern bei der Zahnarztbehandlung behauptete, hat eine Abgeordnete der Partei Die LINKE öffentlichkeitswirksam Strafanzeige gegen den CDU-Vorsitzenden erstattet. Was ist da dran, Herr Fischer? 

Artikel lesen
01.10.2023
Mitbestimmung

Betriebliche Mitbestimmung:

USA und Papst versus "rotes Hessen"

Vor 75 Jahren erschien in Wiesbaden ein seltsam zensiertes Gesetzblatt: Auf den Weg gebracht wurde ein neues Betriebsrätegesetz, dem die US-Militärregierung jedoch seine radikaldemokratischen Zähne gezogen hatte.

Artikel lesen
TopJOBS
Wis­sen­schaft­li­che*r Mit­ar­bei­ter*in / Dok­to­rand*in (m/w/d)

Becker Büttner Held , Ham­burg

Do­zen­tur

Chinesisch Deutsches Institut für Rechtswissenschaften , Pe­king

Werk­stu­dent für LTO-News­desk (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Probe­rich­te­rin/Probe­rich­ter (w/m/d)

Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern , Schwe­rin

Rechts­re­fe­ren­da­re (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Geld ver­die­nen als Te­le­fon­an­walt / Te­le­fon­an­wäl­tin

DAHAG Rechtsservices AG , 100% Re­mo­te

Rich­ter:in­nen (w/m/d) im Rich­ter­ver­hält­nis auf Pro­be (Voll­ju­rist:in­nen...

Freie Hansestadt Bremen , Bre­men

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
RA-MICRO Basiswissen – der einfache Einstieg in RA-MICRO

10.10.2023

Mandantenakquise mit dem Deutschen Anwaltssuchdienst

10.10.2023

Juristinnen netzwerken ... - After Work live in Köln

18.10.2023, Köln

"Juristinnen netzwerken ... BarCamp"

13.10.2023, Berlin

Essentials – Die moderne Anwaltskanzlei

11.10.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH