Unternehmen, die sich nicht an die Gesetze halten, sollen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden, doch den Auftraggebern fehlen oft die nötigen Informationen. Ein neues Register soll das ändern. Von Sebastian Schnitzler.
Im Zuge der Vergaberechtsreform wurden im Jahr 2016 erstmals auch zwingende und fakultative Ausschlussgründe in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aufgenommen. In der Praxis stehen öffentliche Auftraggeber bei der Prüfung dieser Ausschlussgründe jedoch oft vor Schwierigkeiten, weil der Prüfungsaufwand enorm und die nötigen Informationen nicht immer ohne Weiteres verfügbar sind. Diesem Problem will das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) nun durch die Einführung eines sogenannten "Wettbewerbsregisters" entgegenwirken. Dieses soll öffentlichen Auftraggebern künftig als Informationsquelle dienen, um Verstöße besser feststellen und über etwaige Ausschlüsse vom Vergabeverfahren entscheiden zu können.
Der Gedanke ist nicht ganz neu: Bereits im Jahr 2012 hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzesentwurf zur Einführung eines "Bundeskorruptionsregisters" (BT-Drucks. 17/11415) eingebracht, dem seinerzeit allerdings keine politischen Mehrheiten vergönnt waren. Im Rahmen der Vergaberechtsreform entflammte die Diskussion dann erneut und mündete im unlängst vorgelegten Referentenentwurf des BMWi für ein "Gesetz zur Einrichtung eines Registers zum Schutz des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge und Konzessionen" (Wettbewerbsregistergesetz – WRegG). Die technische Umsetzung soll im Jahr 2018 erfolgen. Ab 2019 soll das Register dann funktionsfähig sein und öffentlichen Auftraggebern als elektronische Datenbank zur Verfügung stehen.
Bisheriges Registersystem uneinheitlich und lokal begrenzt
Das setzt voraus, dass das Papier in der jetzigen Form auch den Segen von Kabinett, Bundestag und Bundesrat findet. Insbesondere auf Landesebene wird die Einführung des Registers befürwortet, so dass die Vorzeichen für eine Umsetzung gut stehen. Ein bundeseinheitliches Register ist gegenüber den derzeit bestehenden Lösungen auf Landesebene vorzugswürdig. Zum einen beschränken sich diese auf ihre jeweilige Jurisdiktion. Zum anderen führen die unterschiedlichen Eintragungsvoraussetzungen zu Verzerrungen des Wettbewerbs.
Nach dem WRegG sollen öffentliche Auftraggeber künftig bundeseinheitlich verpflichtet werden, bei Ausschreibungen mit einem geschätzten Auftragswert ab 30.000 Euro vor der Erteilung des Zuschlags mögliche Eintragungen des favorisierten Unternehmens abzufragen. Damit entfällt die Notwendigkeit für Unternehmen, Eigenauskünfte aus dem Bundeszentral- oder Gewerbezentralregister zu beantragen und den öffentlichen Auftraggebern vorzulegen.
Wann eine Eintragung im Wettbewerbsregister droht
Als eintragungsfähige Verstöße sind zunächst sämtliche zwingenden Ausschlussgründe nach § 123 GWB vorgesehen. Diese umfassen u.a. Menschenhandel, Bildung krimineller Vereinigungen, Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche, Betrug und Korruptionsstraftatbestände. Um sämtliche schwerwiegenden Wirtschaftsdelikte, die für Vergabeverfahren besonders praxisrelevant sind, zu erfassen, werden zumindest teilweise auch fakultative Ausschlussgründe nach § 124 GWB einbezogen. Von besonderer Relevanz ist dabei die Aufnahme von Submissions- und sonstigen wettbewerbsbeschränkenden Absprachen.
Der Nachweis derartiger Verstöße erfolgt durch rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen, Strafbefehle sowie bestandskräftige Bußgeldentscheidungen. Etwas anderes gilt für Bußgeldentscheidungen des Bundeskartellamts, bei denen die Entscheidung bereits vor Eintritt der Bestandskraft genügt. Eine Einstellung gegen Auflagen nach § 153a der Strafprozessordnung (StPO) reicht – was aus rechtsstaatlicher Sicht zu begrüßen ist – für eine Eintragung in das Register nicht aus. Auch die Eintragung von Vergabesperren, die von einzelnen öffentlichen Auftraggebern verhängt wurden, ist nicht vorgesehen. Strafgerichtliche Urteile aus anderen Mitgliedsstaaten werden ebenfalls nicht erfasst. Umgekehrt können Unternehmen mit der Eigenauskunft aus dem Wettbewerbsregister bei Aufträgen im EU-Ausland jedoch das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nachweisen.
Straf- und Owi-Behörden entscheiden über Zurechnung
Da in Deutschland kein Unternehmensstrafrecht existiert, das Wettbewerbsregister aber die Eintragung von Unternehmen vorsieht, bedarf es entsprechender Zurechnungsregeln. Ob ein Rechtsverstoß einem Unternehmen zuzurechnen und somit der Registerbehörde mitzuteilen ist, entscheiden die Strafverfolgungsbehörden bzw. die zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten berufenen Behörden, die die Mitteilung anschließend auch selbst vornehmen.
Sofern eine Geldbuße nach § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) oder § 130 OWiG gegen das Unternehmen selbst festgesetzt wurde, kann die Zurechnung bereits der Bußgeldentscheidung entnommen werden. Andernfalls ist das Verhalten einer rechtskräftig verurteilten Person einem Unternehmen dann zuzurechnen, wenn diese Person als für die Leitung des Unternehmens Verantwortlicher gehandelt hat, was auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung umfasst.
Eine Zurechnung von Rechtsverstößen im Konzern ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Etwas anderes gilt, wenn der Rechtsverstoß von einem Leitungsverantwortlichen des Konzerns, etwa dem Geschäftsführer oder Aufsichtsratsvorsitzenden des Gesamtkonzerns als für den Konzern Handelndem begangen wurde. In diesem Fall muss der Gesamtkonzern eingetragen werden.
2/2: Nach Eintragung: Abwarten oder Buße tun
Vor der Eintragung in das Register erhält das betroffene Unternehmen Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sofern das Unternehmen schlüssig darstellt, dass eine angekündigte Eintragung falsch ist, wird die Eintragung bis zur endgültigen Aufklärung mit einem Sperrvermerk versehen. Gegen Entscheidungen der Registerbehörde steht dem betroffenen Unternehmen der Verwaltungsrechtsweg offen.
Einer bereits erfolgten und in der Sache nicht beanstandeten Eintragung kann passiv durch Zeitablauf oder aktiv mittels Maßnahmen zur Wiederherstellung der Integrität (Selbstreinigung) begegnet werden. Eintragungen über strafgerichtliche Verurteilungen, Strafbefehle und Bußgeldentscheidungen werden nach Ablauf von drei oder fünf Jahren ab dem Tag ihrer Rechts- oder Bestandskraft, Eintragungen von kartellrechtlichen Bußgeldentscheidungen nach Ablauf von drei Jahren ab ihrem Erlass gelöscht.
Für Unternehmen, die den Großteil ihres Umsatzes mit öffentlichen Auftraggebern erwirtschaften, dürfte die Implementierung effektiver Selbstreinigungsmaßnahmen jedoch alternativlos sein. Eintragungen sind dann aus dem Register zu löschen, wenn ausreichende Selbstreinigungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Hierunter sind Maßnahmen zu verstehen, die ein Unternehmen ergreift, um seine Integrität wiederherzustellen und eine Begehung von Straftaten oder schweres Fehlverhalten in der Zukunft zu verhindern.
Voraussetzungen der Selbstreinigung
Bei der Durchführung einer vergaberechtlichen Selbstreinigung sind grundsätzlich vier Elemente zu berücksichtigen. Neben einer hinreichenden Kooperation mit den zuständigen Ermittlungsbehörden und Vergabestellen sowie der Kompensation entstandener Schadenspositionen erfordert eine wirksame Selbstreinigung stets auch personelle und organisatorisch-strukturelle Maßnahmen.
Nach dem Referentenentwurf können Selbstreinigungsmaßnahmen künftig entweder gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber oder gegenüber der Registerbehörde angezeigt werden. Die Anzeige der Selbstreinigungsmaßnahmen gegenüber die Registerbehörde erfolgt im Wege eines formalen Antrags auf vorzeitige Löschung der Eintragung.
Die Registerbehörde kann vom Antragsteller im Rahmen ihrer Prüfung der Selbstreinigungsmaßnahmen auch die Vorlage eines Gutachtens eines Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts verlangen. Zudem kann sich die Registerbehörde zwecks weiterer Ausforschung des Sachverhalts an die Strafverfolgungsbehörde oder die zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten berufene Behörde wenden. Bei Kartellverstößen kommt das Einholen einer Stellungnahme der Beschlussabteilungen des Bundeskartellamts in Betracht.
Warum das Bundeskartellamt die richtige Adresse wäre
Offen ist bislang noch, wo die Registerbehörde selbst angesiedelt werden soll – der Referentenentwurf sieht hierfür einer Behörde im Geschäftsbereich des BMWi vor. Sinnvoll wäre es, die Registerverwaltung dem Bundeskartellamt zuzuweisen, das seinerseits eine dem BMWi zugeordnete Bundesbehörde ist. Das Bundeskartellamt wäre dann zugleich die zur Verfolgung von kartellrechtlichen Ordnungswidrigkeiten berufene Behörde (Beschlussabteilungen), die zuständige Nachprüfungsinstanz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Verantwortungsbereich des Bundes (Vergabekammern des Bundes) und die Registerbehörde. Über das "Netzwerk Submissionsbetrug" wird zudem ein regelmäßiger Knowhowtransfer zwischen dem Bundeskartellamt, den Staatsanwaltschaften und den Landeskartellbehörden sichergestellt. Über das European Competition Network (ECN) könnte das Wettbewerbsregister auf europäischer Ebene beworben werden. Die gute Vernetzung zwischen den Kartellbehörden könnte am Ende sogar zu der Einführung eines EU-weiten Wettbewerbsregisters führen.
Ein beim Bundeskartellamt angesiedeltes Wettbewerbsregister wäre außerdem eine konsequente Fortführung der 2015 veröffentlichten Informationsbroschüre zur Aufdeckung von Submissionsabsprachen. Während diese Broschüre öffentliche Auftraggeber zur aktiven Mitwirkung bei der Aufdeckung kartellrechtswidriger Verhaltensweisen im konkreten Vergabeverfahren animiert, stellt das Wettbewerbsregister der öffentlichen Hand Informationen über bereits zurückliegende Verstöße zur Verfügung.
Sebastian Schnitzler, LL.M. ist als Rechtsanwalt bei Deloitte Legal in Hamburg und dort im Vergabe- und Kartellrecht tätig. Seine Beratungsschwerpunkte liegen u.a. in der Wettbewerbsrechtlichen Compliance und der Schnittstellenberatung zwischen dem Vergabe- und Kartellrecht.
Sebastian Schnitzler, LL.M. , BMWi legt Referentenentwurf zur Einführung eines Wettbewerbsregisters vor: Kommt das Bundeskorruptionsregister nun doch? . In: Legal Tribune Online, 16.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22396/ (abgerufen am: 10.06.2023 )
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