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Besondere Durchsuchung der NSU-Verteidiger: Erpressbar ist jeder

von Prof. Dr. Carsten Momsen

06.05.2013

Die Angeklagten im NSU-Prozess treffen beim OLG München ein

Die Angeklagten im NSU-Prozess treffen beim OLG ein. Bild: picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand

Bevor am Montag die Anwälte von Beate Zschäpe und ihren mutmaßlichen Unterstützern den Sitzungssaal betreten, wird das Justizpersonal sie wohl gründlicher durchsuchen als Zuschauer, Journalisten, Richter und Vertreter der Bundesanwaltschaft. Dieses institutionalisierte Misstrauen stellt nicht nur den NSU-Prozess, sondern den Rechtssaat als solchen vor eine Belastungsprobe, meint Carsten Momsen.

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Im Drama um die Akkreditierung von Journalisten ist etwas untergegangen, dass auch die Verteidiger nicht glücklich sind mit einer Anordnung des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl. Zu Beginn eines jeden Verhandlungstages sollen sie sich einer besonderen Leibesvisitation unterziehen. Eine Prozedur, die weder der Richter noch die Vertreter der Bundesanwaltschaft über sich ergehen lassen müssen.

Es trifft sicherlich zu, dass das Verfahren im Vergleich zu "normalen" Mordprozessen eine viel höhere Aufmerksamkeit erfährt von Angehörigen, Medienvertretern und Bürgern, die sich Antworten auf die Fragen versprechen, wie der NSU so lange unentdeckt bleiben konnte. Vielleicht auch aus diesem Grund hat sich der Senat mit möglichen Sicherheitsrisiken während der Verhandlung befasst. Für den reibungslosen Ablauf der Verhandlung hat der Vorsitzende zu sorgen, § 238 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO).

Auch Richter sind potentielle Gefahrenquelle

Schon in früheren Prozessen ist es zu Zwischenfällen gekommen, die erhöhte Sicherheitskontrollen rechtfertigen konnten. Erinnert sei an den Waffenschmuggel während der Terroristenprozesse in den 70er Jahren gegen Baader, Meinhof und Co. Oder der Verfahren gegen Mitglieder der kurdischen Widerstandsorganisation PKK. Auch nachdem Marianne Bachmeier den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter im Gerichtssaal erschossen hatte, wurde über mehr Sicherheit in deutschen Gerichtsälen diskutiert. Seitdem ist es leider immer wieder zu Gewaltausbrüchen gegen Verfahrensbeteiligte gekommen, nicht nur bei Strafprozessen.

Vor diesem Hintergrund und angesichts einer offenkundig gewaltaffinen rechten Unterstützerszene ist es jedenfalls nicht fernliegend, im NSU-Verfahren der Sicherheit im Verhandlungssaal eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen.

Ein Teil der Angeklagten sitzt in Untersuchungshaft. Es ist daher ein recht unrealistisches Szenario, dass diese selbst Waffen oder Sprengstoff in den Saal werden mitnehmen können. Neben den Zuschauern und Medienvertretern, die separat kontrolliert werden, bleiben als potentielle Gefahrenquellen die Richter selbst, die Sitzungsvertretung des Generalbundesanwalts, Justizbedienstete, die Nebenkläger und eben die Verteidiger der Angeklagten.

Allein letztere sollen nun offenbar umfangreich durchsucht werden, inklusive Leibesvisitation. Alle anderen Verfahrensbeteiligten müssen lediglich einen Metallscanner passieren. Soweit auf eine mögliche Erpressbarkeit als Grund für die Maßnahme hingewiesen wird, leuchtet die Differenzierung von vornherein nicht ein. Erpressbar ist jeder, völlig unabhängig von seiner Funktion im Verfahren.

Eine "offene Diskriminierung"

Es ist auch nicht bekannt, dass zumindest Zschäpes Verteidiger der Einstellung und den Zielen ihrer Mandantin irgendwie nahe stehen. Im Gegenteil. Der eigentliche Grund für die besonders intensive Kontrolle muss also ein institutionelles Misstrauen sein. Das ist eine nicht zu tolerierende Haltung gegenüber der Rolle der Verteidigung. Zschäpes Anwälte sprechen von einer "offenen Diskriminierung". Und damit haben sie Recht.

Denn der Verteidiger ist ein mit eigenen Rechten ausgestattetes Organ der Rechtspflege. Seine Aufgabe ist es, die grundlegenden Rechte eines Beschuldigten im Strafverfahren gegenüber dem Staat zu wahren. Eine Verurteilung darf nur erfolgen, wenn der Schuldnachweis in einem prozessual ordnungsgemäßen und rechtsstaatlichen Verfahren erbracht werden kann. Andernfalls hat die Verteidigung alle prozessualen Mittel auszuschöpfen, um den Grundsatz "in dubio pro reo" durchzusetzen. Dies ist der Kern der Verteidigertätigkeit. Und es bedeutet nicht, dass der Anwalt mit den angeklagten Taten in irgendeiner Weise sympathisiert oder diese gutheißt. Anderenfalls würden sich für manchen Beschuldigten nur schwerlich Verteidiger finden lassen.

Seite 1/2
  • Seite 1:

    Besondere Kontrolle nicht gerechtfertigt

  • Seite 2:

    Entweder alle oder keiner

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Zitiervorschlag

Besondere Durchsuchung der NSU-Verteidiger: . In: Legal Tribune Online, 06.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8671 (abgerufen am: 19.11.2025 )

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