Der Sex zwischen Gina-Lisa Lohfink und zwei Männern im Jahr 2012 war einvernehmlich, ihre Behauptung einer Vergewaltigung eine falsche Verdächtigung, entschied das AG Tiergarten. Kein-Blümchen-Sex sei noch keine Vergewaltigung.
Gina-Lisa Lohfink muss wegen falscher Verdächtigung eine Geldstrafe von 20.000 Euro zahlen. Die 29-Jährige hatte behauptet, im Juni 2012 von zwei Männern vergewaltigt worden zu sein. Dafür sah das Amtsgericht (AG) Tiergarten am Montag keine Anhaltspunkte. Ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung gegen die Männer war schon früher eingestellt worden.
Der Vorwurf der falschen Verdächtigung gegen Lohfink habe sich bestätigt, so das Gericht. Ihre Behauptungen seien "in Gänze widerlegt", sagte Richterin Antje Ebner bei der Urteilsbegründung. Der Sex mit den beiden Männern sei einvernehmlich gewesen, Lohfink habe allerdings signalisiert, dass sie das Filmen nicht wollte.
Ihr Verteidiger Burkhard Benecken kündigte noch am Montag im Berliner Amtsgericht Tiergarten an, voraussichtlich in Berufung gehen zu wollen. "Das Urteil ist ein Skandal", sagte Benecken. Er werde mit Lohfink besprechen, ob sie die Kraft für die Berufung habe. Die 29-Jährige hatte das Gerichtsgebäude zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Mit den Worten "Das muss ich mir nicht antun" war sie noch vor Verkündung der Entscheidungsgründe aus dem Saal gestürmt.
Bewusst gelogen: 80 Tagessätze, Nettoeinkommen niedriger geschätzt
Das Gericht blieb mit seinem Urteilsspruch von 80 Tagessätzen zu je 250 Euro unterhalb der Forderung der Staatsanwaltschaft, die am Montagmorgen eine Geldstrafe von 24.000 Euro gefordert hatte. Das lag nach Angaben einer Sprecherin daran, dass das AG bei der Ermittlung des Tagessatzes das Nettoeinkommen des Models geschätzt hat, weil Lohfink nur ihre Einnahmen aus den Jahren 2014 und 2015 offen gelegt habe. Maßgeblich sind jedoch die Einkünfte zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung. Das AG ging von einem geringeren Nettoeinkommen der ehemaligen Germanys-Next-Topmodel-Teilnehmerin aus als die Ankläger, welche 10.000 Euro monatlich zugrunde gelegt hatten, so Lisa Jani, Presssprecherin der Berliner Strafgerichte.
Die Verurteilung zu 80 Tagessätzen aber entspricht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Lohfink steht damit schlechter als mit den im ursprünglichen Strafbefehl gegen sie verhängten 60 Tagessätzen. Die mit der Akzeptanz eines Strafbefehls verbundene Geständnisfiktion falle mit dem Einspruch gegen diesen weg, so die Gerichtssprecherin gegenüber LTO. Das AG geht davon aus, dass es zwischen Lohfink und einem Fußballer sowie einem ehemaligen VIP-Manager in der angeblichen Tatnacht im Juni 2012 zu einvernehmlichem Sex kam, nicht zu einer Vergewaltigung. Sie habe bewusst gelogen, sagte Richterin Antje Ebner.
Das schloss das Gericht vor allem aus der Einlassung der Angeklagten über ihre Verteidiger am ersten Verhandlungstag. Weil sie mit der Verlesung der Schutzschrift von ihrem Recht, im Strafverfahren keine Aussage zu machen, nicht umfassend Gebrauch machte, sondern sich teilweise zur Sache einließ, habe man aus ihrer Einlassung Schlüsse ziehen dürfen.
Die Videos der Nacht: zwölf Sequenzen, nur eine davon im Netz
Auch die Analyse der Videos aus der angeblichen Tatnacht, welche das Gericht während der Hauptverhandlung zu sehen bekam, hätten zu der Überzeugung geführt, dass es sich um einvernehmlichen Sex zwischen den dreien gehandelt habe. "Wir haben hier keinen Blümchen-Sex zu sehen bekommen", stellte Eber bei der Urteilsbegründung klar. "Aber es gibt einen Unterschied zwischen Kein-Blümchen-Sex und einer Vergewaltigung."
Auch nicht kuscheliger Sex kann nämlich einvernehmlich sein. Und das war er, davon zeigte sich das Gericht nicht zuletzt wegen der Videos von der angeblichen Tatnacht überzeugt.
Es war eine öffentlich bekannt gewordene Videosequenz, die den "Fall Gina-Lisa" zum Bestandteil einer fast hysterischen öffentlichen Debatte machte. In dem Video hört man deutlich, wie die 29-Jährige "Hör auf" sagt. Unter dem Hashtag #teamginalisa sammelten sich daraufhin nicht nur Fans von Lohfink, sondern auch Befürworter eines strengeren Sexualstrafrechts, das der Bundestag unter dem Schlagwort "Nein heißt Nein" im Juli schließlich auch beschloss. Selbst Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) hatte mit indirektem Bezug gesagt: "'Nein heißt Nein' muss gelten. Ein 'Hör auf' ist deutlich."
2/2: Gericht: "Hör auf" meinte "Hör auf zu filmen"
Dabei war schon die im Ermittlungsverfahren gegen die beiden Männer zuständige Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass sich diese Aussage Lohfinks auf das Filmen bezog, nicht aber auf den Geschlechtsverkehr. Zu diesem Ergebnis kam nun auch das AG.
Nach Angaben von Gerichtssprecherin Jani gibt es insgesamt zwölf Sequenzen aus der fraglichen Nacht. Nur eine davon sei zeitweise im Internet abrufbar gewesen – eine Tatsache, die den beiden beteiligten Männern jeweils einen Strafbefehl wegen Verbreitung des Videos beschert hatte. Der 28-Jährige hat den Strafbefehl akzeptiert, nach eigenen Angaben, um seine Karriere als Fußballer nicht noch weiter zu behindern, der Ex-VIP-Manager, an den monatelang nicht zugestellt werden konnte, will noch dagegen vorgehen.
Die Ausschnitte vor und nach der Sequenz, die im Internet kursierte, zeigten deutlich, dass Lohfink sich nur gegen das Filmen habe wehren wollen, nicht aber gegen die sexuellen Handlungen, so das Amtsgericht. In der Sequenz, die sich unmittelbar an die öffentlich zugängliche anschließe, gebe es eine Unterhaltung, die sich darum drehe, dass das Video nicht irgendwo veröffentlicht werde. "Gib mir Deine PIN", habe das It-Girl unter anderem von dem Filmenden gefordert, um das Video von dessen Handy zu löschen.
Gericht: keine K.o.-Tropfen, keine Wunden
Auch den Einsatz sogenannter K.-o.-Tropfen, den Lohfink wenn nicht behauptet, so doch vermutet hatte, schloss ein Gutachter am Montag mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Das ergebe sich aus den Videofilmen, die in der Sexnacht gemacht wurden, sagte der Medikamenten- und Drogenexperte Torsten Binschek-Domaß. Lohfink sei damals wach, ansprechbar und orientiert gewesen.
Die Erinnerung setze bei K.o.-Tropfen schlagartig aus, Betroffene erinnerten sich meist an das Geschehen unmittelbar vor der Einnahme und irgendwann setze die Erinnerung wieder ein. Ein bruchstückhaftes Zurückkommen der Erinnerung, wie es Lohfink angegeben hatte, schloss Binschek-Domaß hingegen aus.
Auch dass Lohfink zu einem Zeitpunkt K.o.-Tropfen bekommen habe, der nicht auf Video festgehalten wurde, hielt er für ausgeschlossen, weil ihre Schilderungen nicht passten. Wer unter der Wirkung von K.o.-Tropfen stehe, sei bewusstlos. Er könne keine Pizza bestellen und nicht telefonieren. Zudem sei Lohfink nach dem Sex aufgesprungen, habe getanzt und die Männer geküsst.
Schließlich hat das Gericht das Nachtatverhalten der Angeklagten gewürdigt. Bei einer Zeugenvernehmung ein halbes Jahr nach dem Vorfall habe Lohfink angegeben, sie sei am Tag nach dem Vorfall bei ihrer Gynäkologin gewesen. Diese sei von den Wunden "geschockt" gewesen. Nachgereicht habe sie ein Attest vier Jahre später, am heutigen Montag. Dieses sei auf den 14.06.2012, mithin mehr als zehn Tage nach der fraglichen Nacht datiert. Wunden stellte die Frauenärztin nicht fest. Das Attest enthalte die Feststellung: "keine körperlichen Merkmale".
Mit Materialien von dpa
Pia Lorenz, Gina-Lisa Lohfink wegen falscher Verdächtigung verurteilt: Vergewaltigungsvorwurf "in Gänze widerlegt" . In: Legal Tribune Online, 22.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20354/ (abgerufen am: 29.05.2023 )
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