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Weihnachtsfeuilleton: Ein post­mor­taler Streit um Engels­kitsch

von Martin Rath

26.12.2018

Was ist besser geeignet, aus dem feuilletonistischen Weihnachtsgeschäft zurück auf den Boden des weltlichen Rechts zu kommen, als ein Fall, der von einem kitschigen Engel und einer armen Nonne erzählt? Hier kommt der Landeversuch.

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Die katholische Kirche hat ein Problem mit der Armut, vor allem, wenn es um ihre Ordensgemeinschaften geht.

Wer als bayerischer Rechtsgelehrter mit zwei Einser-Examen reüssieren möchte, mag vielleicht ohne Weiteres das gesamte juristische Weistum seines Landes im Griff haben müssen, von Markus Söders (1967–) Studie zur "Kommunalgesetzgebung im rechtsrheinischen Bayern zwischen 1802 und 1818" rückwärts über Maximilian von Montgelas' (1757–1838) rechtsgutachterlicher Tätigkeit im Rahmen der Kaiser-Wahlkapitulationsverhandlungen von 1790, einer Frühform des Berliner "Groko"-Hickhacks, bis hin zu den staatstheoretischen Schriften des mit Bayern eng verbundenen italienischen Publizisten Marsilius von Padua (ca. 1285–1342) und damit natürlich auch mit der Position des letztgenannten gut vertraut sein.

Für weniger ambitionierte Leser sei sie kurz rekapituliert: Ein ebenso theologisch wie juristisch bedeutender Konflikt des 13. und 14. Jahrhunderts betraf die Frage, ob und wie weit die Kirche als Ganzes, die Priesterschaft oder die Ordensleute dem Prinzip der "evangelischen Armut" unterworfen seien – wobei sich "evangelisch" nicht auf Margot Käßmann, sondern auf die Auslegung des Evangeliums, des Neuen Testaments bezieht.

Marsilius von Padua nahm hier die für Vertreter der weltlichen Macht weniger theologisch denn steuer- und eigentumsrechtlich eine sehr interessante Position ein: Insbesondere jene Teile des Franziskaner-Ordens seien im Recht, die aus der Besitzlosigkeit Jesu Christi und seiner Jünger schlossen, dass die Kirche irdischer Besitztümer zu entsagen habe. Papst und Inquisition vertraten, wie zu erwarten, den gegenteiligen Standpunkt.

Im Zweifel hat man davon gelesen oder kennt dies aus dem Film zu Umberto Ecos "Der Name der Rose" (1980/1986). Dort finden sich auch besonders eindringliche Bilder dazu, wie die päpstliche Ermittlungsbehörde mit den radikalen Anhängern der Armutslehre ins Gericht ging.

Juristisches Nachspiel zu einer tief traurigen Nonnen-Biografie

Die vorwitzige Unterstellung, dass bayerische Einser-Juristen (und solche, die es werden wollen) selbst in Fragen des Armutsstreits niemals von ihrem rechtshistorischen Tiefenscharfsinn verlassen werden, ist überzuleiten zu einem Fall, mit dem sich der Bundesgerichtshof in den 1970er Jahren zwei Mal zu befassen hatte – und der eben noch trauriger wirkt, wenn man die Idee der "evangelischen Armut" im Hinterkopf behält.

Am 6. November 1946 war im Kloster Sießen, Landkreis Sigmaringen, die Franziskanerin Maria Innocentia, geborene Berta Hummel, im Alter von nur 37 Jahren –  heute kein Alter für eine Nonne – an den Folgen einer Tuberkulose verstorben.

Als junge Frau aus einer sehr frommen niederbayerischen Familie hatte sich die künstlerisch hoch begabte Hummel vor ihrem Ordenseintritt unter anderem in fast expressionistisch wirkenden Zeichnungen und Gemälden geübt. Als Nonne in ihren Ausdrucksformen streng limitiert, wurde sie in den 1930er Jahren jedoch mit ihren "Hummelfiguren" bekannt – Kunstwerken, die in der Darstellung von Kindern, Tieren und Engeln das Kindchenschema stark ausreizten. Als Gegenbild zu den kantigen Formen der arischen Klotzköpfe fanden sie im nationalsozialistischen Deutschland einige Abnehmer, hinzu kam ein schon in den Vorkriegsjahren sehr gut laufender Absatz in den USA.

Nach der entschädigungslosen Enteignung des Klosters durch die NS-Behörden soll Maria Innocentia Hummel gar die einzige Schwester gewesen sein, die ihrer klösterlichen Gemeinschaft noch zu einem Einkommen verhalf.

In den Nachkriegsjahren brach in den USA ein regelrechter Hummelfiguren-Boom aus, weit über 20 Millionen Stück sollen bis heute abgesetzt worden sein, vielfach mit erheblichen Wertsteigerungen, etwa im Fall kleiner Abweichungen in der Porzellan-Kolorierung.

Streitfälle vor dem Bundesgerichtshof

Wiederholt bis zum BGH ausgetragen wurde nun die Frage, wem die Einkünfte aus diesem Geschäft zustehen, den Geschwistern beziehungsweise der überlebenden Mutter der toten Nonne oder der franziskanischen Ordensgemeinschaft.

Konkret ging es unter anderem um die Frage, wem die Verwertungsrechte beispielsweise am Hummel-Werk "Engel mit Kerze" zustanden. Der Franziskaner-Orden berief sich darauf, dass die Nonne nach den Bestimmungen des Kirchenrechts sowie parallel dazu analog zu den Regeln des deutschen Rechts des "Werkschaffens" im Arbeitsverhältnis zu beurteilen sei (BGH, Urt. v. 6.2.1976, Az. I ZR 10/74 und BGH, Urt. v. 22.2.1974, Az. I ZR 128/72).

Im Streit standen zwischenzeitliche Vergleiche, parallele Klagen vor US-amerikanischen Gerichten – sie allesamt nachzuzeichnen, würde himmlische Geduld und eine Netzwerkmatrix erfordern.

Um nur in aller Kürze zusammenzufassen, wem hier was aus dem Geflecht widerstreitender Ansprüche zuteilwurde: Der BGH sprach dem Orden tatsächlich die Nutzungsrechte an den Kunstwerken zu, die von der augenscheinlich wahrhaftig armen Nonne Maria Innocentia während ihrer Zugehörigkeit zur klösterlichen Gemeinschaft geschaffen worden waren.

Aus diesen Nutzungsrechten waren bis dahin, so zeitgenössische Presseberichte, dem Kloster rund 30 Millionen Mark zugeflossen.

Den Hummel-Geschwistern sowie der über 90 Jahre alten Mutter, die mit ihrer solide katholischen Erziehung überhaupt erst die nicht hinwegzudenkende Bedingung für die herzige Kunst aus dem Kloster gelegt hatte, sollen später im Vergleichswege Anteile am Erlös zugeteilt worden sein.

"Der Engel mit der Kerze" war damit auf dem Boden kommerzialisierter postmortaler Urheberrechte gelandet.

Dass das Verhältnis zwischen Staat und römisch-katholischer Kirche heute fast ausschließlich über ihren Umfang mit Sexualproblematiken verhandelt wird – vom staatlichen Zugriff auf kircheninterne Ermittlungen zu kriminellen Geistlichen bis zur Reichweite kirchlicher Eheverbote ins säkulare Arbeitsrecht – ist eigenartig. Die Frage, wie es staatliche Gesetzgeber und Gerichte mit dem eigenen Anspruch an "evangelische Armut" halten, war rund 600 Jahre lang deutlich provokativer.

Vielleicht sollte Marsilius von Padua einfach öfter im Staatsexamen geprüft werden.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.

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Weihnachtsfeuilleton: . In: Legal Tribune Online, 26.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32909 (abgerufen am: 15.11.2025 )

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