Druckversion
Samstag, 24.05.2025, 09:06 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/feuilleton/f/prozesse-usa-affen-personen-rechte-mensch
Fenster schließen
Artikel drucken
19551

Amerika: Anerkennung von Affen als "Person": Trick­serei um die Evo­lu­ti­ons­the­orie

von Martin Rath

05.06.2016

Schimpanse

© cheekylorns - Fotolia.com

Seit 2013 beschäftigt sich die US-Justiz wieder mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Affe. Bisher blieb der Versuch erfolglos, unsere stark behaarten Verwandten vor Gericht zu bringen. Dabei steckt mehr als Prozesshanselei dahinter.

Anzeige

Wenn sich US-Amerikaner vor Gericht darüber streiten, wie es um die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Mensch und Affe bestellt ist, bietet dies der Weltöffentlichkeit gern Anlass für biedere Schmunzeleien. Zum Gegenstand nicht nur der amerikanischen Populärkultur ist vor allem der sogenannte Affenprozess von 1925 geworden.

Der Biologielehrer John T. Scopes (1900–1970) hatte gegen den Butler-Act verstoßen, ein christlich inspiriertes Gesetz des Staates Tennessee, das verbot, die Darwin'sche Evolutionstheorie zum Gegenstand des Unterrichts an staatlichen Schulen zu machen. Der Prozess um die Geldstrafe von 100 Dollar geriet zum Medien-Rummel.

Auf den Affen kam die öffentliche Auseinandersetzung, weil er einerseits den Darwin-Anhängern als augenfälligster Beleg für die tierische Natur des Menschen diente. Andererseits gehörte der Gedanke, dass einige Menschen dem Affen näher seien als andere, zum festen Bestandteil der rassistischen Alltagskultur. Dem Rassisten galt die Behauptung universeller Verwandtschaft aller Menschen mit dem Tier daher als besonders skandalös.

Neue Affenprozesse in New York

Seit über 90 Jahren ist der Scopes-Prozess Teil einer auch internationalen Popkultur, wahrscheinlich, weil viele Menschen glauben, sie könnten ihre intellektuelle Überlegenheit belegen, indem sie sich über US-amerikanische Bibelgläubige erheben.

Gemessen an diesem historischen Vorgang ist es bemerkenswert still um jene Affenprozesse geblieben, die seit 2013 im US-Bundesstaat New York anhängig gemacht werden könnten  – vielleicht, weil dieses Mal die liberale Öffentlichkeit keine unbedingt gute Figur macht und einige Argumente treuherziger Christenmenschen verfangen könnten.

Konkret geht es um eine Serie gescheiterter Prozess-Auftakte. Die gemeinnützige Organisation "Nonhuman Rights Project" müht sich seit einigen Jahren darum, öffentliche Einrichtungen wegen der Haltung von Menschenaffen vor Gericht zu bringen, beispielsweise die staatliche Universität von New York Stony Brook mit Sitz auf Long Island in den Angelegenheiten eines Schimpansen namens Tommy.

Wunsch der Haftprüfung für Schimpansen

Als juristisches Angriffsmittel verwenden die Anwälte des Nonhuman Rights Project das wohl ehrwürdigste Institut der westlichen Rechtsgeschichte, den als "habeas corpus" bezeichneten Anspruch, einen Richter um Prüfung einer Inhaftierung zu ersuchen.

Ehrwürdig ist das Institut weniger, weil es sich englische Barone im Jahr 1215 in der Magna Charta gegen ihren König ausbedungen hatten. Bei Licht besehen war dies zunächst nicht mehr als der Versuch, das gegenseitige Schutzgelderpressen im sogenannten Hochadel ein wenig zu zivilisieren.

Zum wichtigen Grundsatz im juristischen Tagesgeschäft wurde der Anspruch auf richterliche Überprüfung von Inhaftierungen in Zeiten der konfessionellen Auseinandersetzungen nach der englischen Reformation: Zwar gewährte die Krone keine Bekenntnisfreiheit, doch wegen der Inhaftierung infolge mutmaßlicher katholischer oder dissident-protestantischer Ketzereien war immerhin ein Richter zu hören.

Höhere rhetorische Würde als irgendein einfachgesetzlicher Haftprüfungsanspruch eines technisch-trockenen Landespolizeigesetzes hat der Habeas-Corpus-Grundsatz, weil er in der angelsächsischen Rechtsgeschichte immer wieder als Mittel diente, überhaupt rechtliches Gehör zu organisieren. Ein Umstand, der auch in den New Yorker Affenprozessen vorgebracht wurde.

Ist der Affe eine Person im Sinne des Gesetzes?

Unter anderem gegen die staatliche Universität Stony Brook reichten die Anwälte des Nonhuman Rights Project eine Habeas-Corpus-Klage nach den Vorschriften der Zivilprozess-Verfahrensregeln des Staates New York wegen unrechtmäßiger Inhaftierung des Schimpansen Tommy ein.

"Eine Person, die innerhalb des Staates unrechtmäßig inhaftiert oder in anderer Weise in ihrer Freiheit beschränkt wird", kann nach § 7002 lit. a) Satz 2 der New York Civil Practice Law and Rules an das Gericht ein Gesuch um ein "writ of habeas corpus" auf Untersuchung des Haftgrundes und um Befreiung stellen.

Ließe sich ein Gericht darauf ein, auch nur das Verfahren um die Prüfung des Haftgrundes zu eröffnen, so die Überlegung des Nonhuman Rights Project, liege darin die Anerkennung von Tieren als Person im rechtlichen Sinn.

Im US-Bundesstaat Oregon hatte zwar ein Gericht bereits 2014 Einsehen zugunsten eines Polizisten gehabt, der um eines offenkundig geschundenen Pferdes ein Privatgrundstück betreten hatte. Dazu subsumierte das Gericht das Pferd unter den Begriff einer "Person", von der unmittelbare Gefahr abzuwenden war.

Den Schimpansen im Staate New York blieb diese Anerkennung als Person im Rechtssinn verwehrt, die auch in Oregon wohl mehr aus der Not geborene Analogie gewesen war. Als zentrales Argument diente den New Yorker Gerichten der Gedanke, dass zur Anerkennung als "Person" die Fähigkeit gehöre, Träger nicht nur von Rechten, sondern auch von Pflichten zu sein.

Trotz zahlreicher eidesstattlicher Aussagen von Primatologen, die zu den intellektuellen und sozialen Eigenschaften der Menschenaffen, sogar zu ihrer Humorbegabung Auskunft gaben, sollte es an der Fähigkeit zur rechtlichen Übernahme von Pflichten scheitern.

Seite 1/2
  • Seite 1:

    Ein Affe als Person im Sinne des Gesetzes?

  • Seite 2:

    Sogar ein Fluss erhielt Personen-Eigenschaft

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Martin Rath, Amerika: Anerkennung von Affen als "Person": . In: Legal Tribune Online, 05.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19551 (abgerufen am: 24.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Grundrechte
    • Skurriles
    • Tiere
    • USA
Das Bild zeigt eine Person, die vorbeigeht, während ein Schild den Zugang zur Harvard-Bibliothek regelt. 23.05.2025
USA

Nach Ausschluss ausländischer Studierender:

Har­vard klagt gegen US-Regie­rung

Doch keine Heimreise für Harvard-Studierende aus dem Ausland? Präsident Trump will ausländischen Studierenden den Zugang zur Elite-Universität zu versagen. Dagegen klagt die Uni nun. Deutsche Politiker werben derweil schon Talente an.

Artikel lesen
Kim Kardashian 23.05.2025
Jurastudium

Vom Promisternchen zur Juristin:

Jura ohne Stu­dium? Kim Kar­dashian zeigt, wie's geht

Kim Kardashian hat das juristische Ausbildungsprogramm in Kalifornien abgeschlossen – ganz ohne Uni. Wie das funktioniert, was die Baby Bar ist und wie sich das von der deutschen Juristenausbildung unterscheidet.

Artikel lesen
Protestanten vor einem Büro der US-Kanzlei Willkie Farr in Manhattan 19.05.2025
Trump

DAV-Einschätzung zu Kanzlei-Deals mit Trump:

"Können Unab­hän­gig­keit der Kanz­leien in Zweifel ziehen"

In den USA haben sich viele Kanzleien auf Deals mit der Regierung eingelassen: Sie bieten Pro-Bono-Leistungen, um Sanktionen abzuwenden. Heißt das mit Blick auf deutsche Niederlassungen der Kanzleien, dass gegen Berufsrecht verstoßen wird?

Artikel lesen
Eine Frau mit Hund (Symbolbild) 16.05.2025
Tierschutz

VGH Baden-Württemberg zur Verbotsdurchsetzung:

Vete­ri­näramt kann nur echte Tiere weg­nehmen

Eine Behörde hatte einer Frau aus Tierschutzgründen den Hund weggenommen und ein Haltungsverbot ausgesprochen. Sie ging sogar noch weiter: Auch künftige Hunde werde sie der Frau wegnehmen. Verwaltungsrechtlich geht das aber nicht, so der VGH.

Artikel lesen
Die Statue verkörpert Gerechtigkeit mit Schwert und Waage, symbolisiert das Streben nach Gleichbehandlung vor Gericht und im Rechtsstaat. 06.05.2025
Nachrichten

Studie der Arag zum Vertrauen in den Rechtsstaat:

Hälfte der Deut­schen glaubt an Gleich­be­hand­lung vor Gericht

Wie viel Vertrauen bringen Menschen ihrer Justiz und ihrem Rechtsstaat entgegen? Dieser Frage ist der Rechtsschutzversicherer Arag in einer internationalen Studie nachgegangen. Bei der Effizienz der Gerichte sind die Deutschen skeptisch.

Artikel lesen
Donald Trump signiert eine Executive Order (Symbolbild) 28.04.2025
USA

Trump vs. Big Law:

Plötz­lich Gegen­wehr statt Deals?

US-Präsident Trump hat mit großen Kanzleien umstrittene Deals abgeschlossen. Einige haben sich eingelassen, aber es gibt auch Widerstand. Rückendeckung kommt derweil von Gerichten. Und nun haben sich auch zwei Kongress-Mitglieder eingeschaltet.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Ergo Group AG
Com­p­li­an­ce-Of­fi­cer m/w/d mit dem Schwer­punkt FAT­CA/CRS

Ergo Group AG , Düs­sel­dorf

Logo von EnBW Energie Baden-Württemberg AG
Com­p­li­an­ce Ma­na­ger (w/m/d) be­fris­tet

EnBW Energie Baden-Württemberg AG , Karls­ru­he

Logo von DLA Piper UK LLP
As­so­cia­te (m/w/x) im Be­reich Cor­po­ra­te/M&A

DLA Piper UK LLP , Mün­chen

Logo von HEUKING
Ar­beits­recht - Rechts­an­wäl­te w/m/d mit ers­ter Be­ruf­s­er­fah­rung oder...

HEUKING , Ham­burg

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter (m/w/d) Ar­beits­recht

FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG , Frank­furt am Main

Logo von DLA Piper UK LLP
As­so­cia­te (m/w/x) im Be­reich M&A / Cor­po­ra­te

DLA Piper UK LLP , Ham­burg

Logo von CMS Deutschland
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) für den Be­reich Ar­beits­recht

CMS Deutschland , Köln

Logo von GvW Graf von Westphalen
Re­fe­ren­da­riat – Steu­er­recht

GvW Graf von Westphalen , Ham­burg

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
RAV-Kongress: AufRecht. Solidarisch in autoritären Zeiten

13.06.2025, Leipzig

Unternehmensumwandlungen: Umwandlung eines Einzelunternehmens in eine GmbH

03.06.2025

Logo von Deutscher Anwaltverein
Deutscher Anwaltstag 2025 in Berlin

02.06.2025, Berlin

Logo von Hengeler Mueller
LL.M. Farewell Dinner

03.07.2025, Frankfurt am Main

Der AI Act – aktueller Stand der Regulierung Künstlicher Intelligenz

04.06.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH