Ob Anwälte ein erfolgsabhängiges Honorar vereinbaren dürfen, ist ein altes Streitthema. 1956 bestätigte der BGH den Anspruch eines amerikanischen Rechtsanwalts – in einer äußerst heiklen Angelegenheit.
Die "Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Rechtsanwälte" (RAGebO) vom 21. April 1944 brachte auf den ersten Blick endlich Klarheit in eine langjährige juristische Kontroverse. Der neu gefasste § 93 RAGebO erlaubte grundsätzlich, mit dem Klienten eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vergütung zu vereinbaren. Explizit ausgenommen blieben Erfolgshonorare: "Unwirksam ist eine Vereinbarung, durch die die Höhe der Vergütung vom Ausgang der Sache oder sonst vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird", (§ 93 Abs. 2 S. 5 RAGebO).
Bis dahin waren Erfolgshonorare zwar in ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts als standes- und oft als sittenwidrig behandelt worden. Die erste gesetzliche Regelung erließ aber erst der nationalsozialistische Reichsjustizminister Otto Georg Thierack (1889–1946).
Die historische Entwicklung fasste das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss zum anwaltlichen Erfolgshonorar vom 12. Dezember 2006 (Az. 1 BvR 2576/04) anschaulich zusammen. Dass es der NS-Gesetzgeber gewesen war, der die Sache verbindlich geregelt hatte, gab einer der ersten Entscheidungen zur Zulässigkeit anwaltlicher Erfolgshonorare in der jungen Bundesrepublik einen gewissen Beigeschmack.
Der Ausgangsfall: Wiedergutmachung von NS-Unrecht
Dabei führte die Sache, zu der anwaltlicher Rat gesucht wurde, ohnehin schon auf ein Gebiet, das sich kaum noch abgründiger denken lässt: die Vermögensverwaltung des Konzentrationslagers Dachau.
Den Häftlingen war bei Einlieferung mitgeführtes Geld abgenommen worden. Hinzu kam die Ausbeutung durch Zwangsarbeit in einem System von rund 140 Außenlagern. Die SS stellte die Arbeitskraft der versklavten Menschen unter anderem den Unternehmen der Rüstungsindustrie gegen ein nicht unbeachtliches Entgelt zur Verfügung. Nach der Befreiung des KZ Dachau durch Soldaten der 7. US-Armee am 29. April 1945 wurden die Konten der regionalen SS-Verwaltung, Guthaben von rund 80 Millionen Reichsmark sichergestellt.
Mit dem Anliegen, NS-Opfer zu entschädigen, wandte sich Philipp Auerbach (1906–1952) in seiner Funktion als bayerischer Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte an den in Washington ansässigen Rechtsanwalt George Eric Rosden, geb. 1907 in Düsseldorf. Dieser sollte im Auftrag des Freistaats Bayern darauf hinwirken, dass die sogenannten "Dachaugelder" bei der Umstellung der Treuhandkonten von Reichsmark auf Deutsche Mark zu einem für die Geschädigten möglichst guten Satz umgerechnet würden.
Erfolgshonorar für Verhandlungserfolg über Wechselkurs
Auerbach schwebte der Umrechnungskurs von zehn zu zwei vor, den das bayerische Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts vom 12. August 1949 nach alliierter Vorgabe für die Länder der US-Besatzungszone regelte. Für den Fall, dass dieses hochgesteckte Ziel nicht zu erreichen sei, sollte ein Umrechnungssatz von 6,5 Prozent noch als vertraglicher Erfolg gelten. Als Erfolgshonorar vereinbarten die Parteien 1,5 Prozent jenes Betrages, den der amerikanische Anwalt aus dem Treuhandvermögen für die Zwecke des bayerischen Staatskommissars flüssig machen würde.
Nachdem der Bayerische Oberste Rechnungshof am 4. Mai 1950 entschieden hatte, dass der überwiegende Teil der sog. Altgeldguthaben des KZ Dachau für 100 Reichsmark zu 6,50 Deutsche Mark umzustellen war, verweigerte aber das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, die Honorarforderung in vollem Umfang zu erfüllen. Der Bundesgerichtshof (BGH) sollte dem US-Anwalt später Recht geben – dabei half ihm der Pragmatismus des bayerischen Staatskommissars Philipp Auerbach.
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Hintergrund: Philipp Auerbach als bayerischer Staatskommissar
Die Tragödie um diesen hat in der jüngsten Zeit wieder einige Beachtung gefunden. Als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Hamburg hatte Auerbach die Konzentrationslager Auschwitz, Groß-Rosen und Buchenwald überlebt. Nach der Befreiung erhielt er zunächst in der britischen Besatzungszone eine Stelle als Oberregierungsrat in der Fürsorge für Opfer des NS-Staats. Infolge von Querelen in Düsseldorf wechselte der "schwierige" Auerbach nach Bayern, in die amerikanische Zone.
Als bayerischer Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte nahm Auerbach eine eigenartige Position außerhalb der regulären Verwaltung ein, die sowohl Beifall als auch Abscheu seiner vor kurzem noch "arischen" Umwelt fand.
Im März 1947 zählte man in Bayern über 70.000 vor allem aus Osteuropa stammende jüdische Displaced Persons, Überlebende des Holocaust, die in ihren Heimatländern meist keinen sozialen Halt mehr fanden. Zu ihnen erklärte etwa 1947 der bayerische Landwirtschaftsminister Joseph Baumgartner (1904–1964) in einer Rede vor CSU-Nachwuchspolitikern: "Wir werden ohne die Juden und besonders ohne die jüdischen Kaufleute in USA und der übrigen Welt nie mehr auskommen. Wir brauchen sie für die Wiederaufnahme unserer alten Handelsbeziehungen! Was freilich die vielen Ostjuden hier in Bayern anbetrifft, so bin ich anderer Meinung: Meine Herren! Ich bin leider gezwungen gewesen, an dem Judenkongreß in Reichenhall teilzunehmen: Das einzig erfreuliche an der Tagung war für mich die einstimmig gefaßte Resolution: 'Raus aus Deutschland! (Gelächter!)'."
Dieses Bedürfnis – die Weiterwanderung jüdischer Displaced Persons insbesondere nach Palästina und in die USA zu fördern – befriedigte Auerbach mit seiner pragmatischen, hemdsärmeligen Vorgehensweise. Dabei legte er Wert darauf, dass die finanziellen Mittel für ihre Versorgung bzw. für die materielle Entschädigung deutscher Juden, die im Land bleiben wollten, nicht aus dem System der Wohlfahrt, sondern nach Kräften aus Sühnegeldleistungen von NS-Tätern oder herrenlos gewordenem Vermögen bestritten werden sollten.
Unbeliebt machte sich Auerbach hingegen mit seinem krass außerhalb jeder Verwaltungstradition stehenden Methoden. Einheimische Politiker beklagten sich sogar, er benehme sich wie ein "Gauleiter" oder ein "jüdischer König von Bayern". Die bayerische Justiz machte seiner Tätigkeit in einem fadenscheinig wirkenden Prozess ein Ende. 1952 beging Auerbach Selbstmord, 1954 rehabilitierte ihn weitgehend ein Untersuchungsausschuss des Landtags.
BGH gibt US-Anwalt Recht
Der Freistaat Bayern hatte dem von Auerbach beauftragten amerikanischen Anwalt nur ein Honorar von 12.200 D-Mark überwiesen, woraufhin dieser Klage auf Zahlung von 62.154,98 D-Mark zuzüglich vier Prozent Zinsen seit dem 1. April 1952 erhob.
Das Landgericht München I verurteilte den Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatsministerium der Finanzen, mit Teilurteil zur Zahlung von gut 40.000 DM nebst Zinsen, das Oberlandesgericht (OLG) München wies die Berufung des Beklagten zurück. 1956 bestätigte der BGH die Entscheidung der Vorinstanzen zugunsten des amerikanischen Klägers (Urt. v. 15.11.1956, Az. VII ZR 249/56).
Der bayerische Finanzminister führte unter anderem an, dass nicht der US-Anwalt, sondern der Rechnungshof des Freistaats die eigentliche Arbeit geleistet habe: Im verwickelten System der Zuständigkeiten – es wirkten bei derart heiklen Währungsfragen die alliierten Behörden mit – hätten bayerische Beamte den Bescheid bewirkt, dass je 100 Reichsmark aus dem KZ Dachau 6,50 D-Mark zu buchen seien.
Kollisionsrecht im Fokus
Weil der bayerische Staatskommissar Auerbach so burschikos vorgegangen war, fehlte seiner in New York getroffenen Vereinbarung eine Regelung, dass deutsches Recht gelten solle. Nach dem damit im Zweifel anzuwendenden Recht von New York bzw. Washington D.C. war eine Honorarvereinbarung an sich nicht problematisch.
Das bayerische Ministerium vertrat aber die Auffassung, dass womöglich eine vertragliche Bedingung, wonach ein Erfolgshonorar auch dann zu leisten sei, wenn der Anwalt zum Erfolg nichts beigetragen habe, unwirksam bleibe.
Im Schatten der Auerbach-Affäre hatte das OLG München offenbar relativ summarisch geurteilt, beispielsweise erklärt, dass die Wirksamkeit des Honorarversprechens nach amerikanischem Recht allgemein bekannt, also gerichtskundig sei. Nach Auffassung des BGH war damit ein guter Teil der Münchener Entscheidung nach § 562 a.F. Zivilprozessordnung (ZPO) a.F. seiner Prüfung entzogen.
Detailliert setzte sich der BGH mit der Frage auseinander, ob die Anwendung des amerikanischen Rechts hier gegen den deutschen Ordre public verstieß.
Ist das Erfolgshonorar sittenwidrig?
Artikel 30 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) gab seinerzeit vor: "Die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ist ausgeschlossen, wenn die Anwendung gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde."
Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit seien "alle Umstände zu berücksichtigen, die dem Geschehen eine besondere Färbung geben", erklärte der BGH unter Rückgriff auf den Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen des Reichsgerichts vom 13. März 1936. Zwanzig Jahre zuvor war es allerdings darum gegangen, das positive Recht über die Anwendung der Generalklausel für die Anliegen der "nationalen Revolution" geschmeidig zu machen.
Mit diesem "Geschmäckle" hielt sich der BGH nicht auf. Nunmehr sollten allerdings auch Ansichten in Betracht gezogen werden, die "innerhalb des durch gemeinsame sittliche Anschauungen verbundenen Kulturkreises vertreten werden". Im Jahr 1956 lagen die USA und Deutschland natürlich wieder im gleichen "Kulturkreis". Entsprechend vorsichtig wurde zur Sittenwidrigkeit argumentiert.
Vor dem gesetzlichen Verbot des Erfolgshonorars durch Reichsjustizminister Thierack hatte es das Reichsgericht bereits regelmäßig für standeswidrig gehalten, für offen sittenwidrig aber erst "bei Hinzutreten besonderer Erschwerungsgründe", darunter "rücksichtslose Ausnutzung des Klienten, Garantie eines Mindestbetrages, zeitliche Unbegrenztheit und Abdingen der Ursächlichkeit".
Nach diesen Maßstäben mochte der BGH hier nun keine Sittenwidrigkeit erkennen. Im Fall eines ausländischen Rechtsanwalts, der kein Organ der deutschen Rechtspflege sei, fehle es am besonderen Vertrauen der inländischen Allgemeinheit in seine Funktion.
Mehr als nur ein branchenpolitisches Problem
Im Übrigen sei das Erfolgshonorar von 1,5 Prozent des errungenen Betrages nicht sonderlich hoch. Der von Auerbach beauftragte amerikanische Anwalt hatte mit dieser Regelung sogar ausdrücklich auf die Lage des armen Freistaats Bayern Rücksicht genommen, indem er "von der Anforderung eines Vorschusses Abstand nehmen und sich mit dem Erfolgshonorar begnügen wolle".
Schließlich war das Erfolgshonorar nicht unabhängig vom Zutun des Anwalts, er konnte es nur verlangen, "wenn er sich entsprechend der von ihm eingegangenen Verpflichtung für den erstrebten Erfolg nach besten Kräften einsetzte". Hierzu erinnerte der BGH an die Möglichkeit, dass die Entscheidung des Bayerischen Rechnungshofes zur Umstellung der "Dachaugelder" zum gegebenen Kurs auch noch vollständig an der Alliierten Bankenkommission hätte scheitern können. Denn die Bank deutscher Länder, die Vorgängerin der Bundesbank, hatte dieser für die Einführung der Deutschen Mark zentralen Instanz vorgeschlagen, die vormaligen SS-Konten für erloschen zu erklären.
Der BGH wollte nicht ausschließen, dass die Alliierte Bankenkommission ohne die Bemühungen des US-Anwalts in diesem Sinn entschieden hätte, sodass auch hier Sittenwidrigkeit nicht in Betracht kam. Das Geld wäre dann für die bayerischen Bemühungen, NS-Opfern wirtschaftlich zu helfen bzw. für das offen bekundete Interesse der bayerischen Politiker zu befriedigen, die "ostjüdischen" Displaced Persons außer Landes zu schaffen, verloren gewesen.
In den späten 1940er, frühen 1950er Jahren wurde in Westdeutschland mit harten Bandagen um den zumindest wirtschaftlichen Ausgleich der Schäden von Holocaust-Überlebenden, zudem über die tatsächliche und imaginierte Kriminalität "ostjüdischer" Displaced Persons gestritten. Weil sich Westdeutschland noch nicht als Sozialstaat erfunden hatte, trafen ökonomische und migrationspolitische Gegensätze ungemildert aufeinander. Im Rechtsstreit um die Vereinbarung eines Erfolgshonorars verbarg sich damals mehr als das heute bloß noch anwaltsbranchenpolitische Problem.
Literatur: Instruktiv bleibt Constantin Goschler: "Der Fall Philipp Auerbach. Wiedergutmachung in Bayern". In: ders. & Ludolf Herbst: "Wiedergutmachung in der Bundesrepublik Deutschland". München (Oldenbourg) 1989, S. 77–98. Das komplexe Recht zur Einführung der Deutschen Mark ist dokumentiert bei Henning von Boehmer: "Das DM-Bilanzgesetz und die Umstellung von Schuldverhältnissen". Berlin (de Gruyter) 1949.
US-Anwalt verhandelte über Wiedergutmachung für NS-Unrecht: . In: Legal Tribune Online, 21.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54378 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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