Der Deutsche Bundestag verhinderte vor 50 Jahren die Verjährung von NS-Verbrechen. Außerdem in der Presseschau: OLG Köln verhandelt zu Kohl-Zitaten, BGH-Richter Bertram Schmitt geht zu IStGH, Ex-Polizeichef Stumpf erhält Geldstrafe für unverhältnismäßigen S21-Polizeieinsatz und wie gelassen ein 102-Jähriger auf einen Einbrecher reagierte.
Thema des Tages
Verjährung von NS-Verbrechen: Anlässlich des 50. Jahrestags einer "der Sternstunden des Parlamentarismus" berichtet die FAZ (Alexander Haneke) im Ressort Zeitgeschehen von der Verjährungsdebatte des Deutschen Bundestags am 10. März 1965. Diese konzentrierte sich auf die Aufhebung der Verjährungsfrist "von besonders schweren Straftaten wie Mord", um so noch die strafrechtliche Verfolgung von NS-Verbrechen zu gewährleisten. Letztlich wurde die Verjährung für Mord in diesem Jahr noch nicht vollständig abgeschafft. Jedoch wurden die Berechnungsregeln für die Verjährungsfristen so verändert, dass die Sanktionierung von Morden nationalsozialistischer Täter noch bis 1969 möglich war. Der Artikel schildert den Hintergrund der Debatte und Rechtsfragen, mit denen sich das Plenum auseinandersetzte. Eine wichtige Frage war dabei, ob die rückwirkende Änderung der Verjährungsfrist im Hinblick auf das Prinzip "keine Strafe ohne Gesetz" zulässig ist.
Rechtspolitik
CSU gegen Schäubles Erbschaftsteuer: Horst Seehofer (CSU) äußerte sich am gestrigen Montag gegen das geplante Konzept zur Reformierung der Erbschaftsteuer von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Erbschaftsteuerreform solle nicht über den durch das Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Rahmen hinaus gehen und ebenso wenig zu einer verkappten "Vermögensteuer" führen. Dies meldet die FAZ (Manfred Schäfers).
Justiz
EuG zu Börsenfusion: Die Europäische Kommission untersagte im Februar 2012 den Zusammenschluss der New Yorker Börse NYSE Euronext mit der Deutschen Börse. Am gestrigen Montag hat das Gericht der Europäischen Union eine entsprechende Nichtigkeitsklage der Deutschen Börse abgelehnt. Der Kartellrechtler Nico Just erläutert auf lto.de die Begründung des EuG und die Auswirkungen des Urteils auf Pläne der Deutsche Börse AG. Eine Meldung zu der Entscheidung findet sich ebenso in der FAZ (Joachim Jahn).
OLG Hamm zu Tönnies: Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte eine Entscheidung des Landgerichts Bielefeld im Fall Tönnies. Dieses hatte ein doppeltes Stimmrecht des Chefs des größten deutschen Schlachtkonzerns Clemens Tönnies gekippt und somit dessen Einfluss im Unternehmen reduziert. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu, so spiegel.de. Auch die FAZ (Joachim Jahn) berichtet hierzu.
AG Stuttgart zu Ex-Polizeichef Stumpf: Am gestrigen Montag erließ das Amtsgericht Stuttgart einen Strafbefehl gegen den ehemaligen Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt in vier Fällen. Er muss eine Geldstrafe von 15.600 Euro in 120 Tagessätzen zahlen und sich so für den unverhältnismäßigen Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten im September 2010 verantworten. Dies berichtet zeit.de.
OLG Köln - Kohl-Zitate: Am heutigen Dienstag verhandelt das Oberlandesgericht Köln über den Rechtsstreit zwischen Helmut Kohl (CDU) und dem Autor Heribert Schwan hinsichtlich der in dem Buch "Vermächtnis – die Kohl-Protokolle" veröffentlichten Zitate des Altkanzlers. Im vergangenen November hatte das Landgericht Köln dem ehemaligen Ghostwriter Kohls, dessen Co-Autor Tilman Jens und dem Heyne-Verlag die Weiterverbreitung eines Großteils der im Buch enthaltenen Äußerungen untersagt. Sowohl Kohl als auch Schwan gingen gegen dieses Urteil in Berufung. Der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) weist auf die Verhandlung hin und resümiert noch mal den zugrunde liegenden Fall – eine Entscheidung werde wohl in einigen Wochen zu erwarten sein.
LG Ingolstadt - Fall Franziska: Am gestrigen Verhandlungstag erfolgte im Fall Franziska die Augenscheinnahme der Beweismittel vor dem Landgericht Ingolstadt. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichtet vom vermutlichen Tathergang und über den Eindruck, den Stefan B. auf einige Ermittler machte. Der Angeklagte soll die 13-jährige Franziska missbraucht und durch den Schlag mit einem Ast ermordet haben.
Bertram Schmitt von BGH zu IStGH: Am heutigen Dienstag wird Bertram Schmitt, bisher Strafrichter am Bundesgerichtshof, als neuer Richter des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag vereidigt. Die SZ (Wolfgang Janisch) bringt ein Porträt über Schmitt und einen Einblick in dessen Beweggründe für den Wechsel zum IStGH.
NSU-Untersuchungsausschuss: Der NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg hat sich am gestrigen Montag mit dem Tod des möglichen Zeugen Florian H. und den entsprechenden Ermittlungen befasst. H. soll die Mörder der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter gekannt haben, er verstarb allerdings am Tag seiner geplanten Vernehmung. Vor dem Ausschuss erklären die Ermittler, weshalb sie von einem Selbstmord des H. ausgehen und, weshalb sie trotz Kenntnis über die Verbindungen in die rechte Szene nicht in diese Richtung weiter ermittelten. Dies berichtet die taz (Lena Müssigmann).
Recht in der Welt
IStGH - Kritik am Weltstrafgericht: lto.de (Annette Birschel) zieht eine Bilanz aus den ersten 13 Jahren des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. So sähe sich die Anklage des IStGH, trotz der Überwindung personeller Mängel, nach wie vor mit Schwierigkeiten bei den Ermittlungen konfrontiert. Zudem leide das Gericht an "strukturellen" Schwächen – beispielsweise, weil es die Mitarbeit von Staaten nicht erzwingen kann – und bleibe hinter den "Anforderungen der internationalen Politik" zurück.
Kanada - Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze: Der kanadische Premierminister Stephan Harper möchte angesichts der drohenden Terrorgefahr die Befugnisse der Polizei und des Inlandsgeheimdienstes CSIS "massiv ausweiten". Diese Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze wird von über 100 Rechtsprofessoren und einigen früheren Regierungsmitgliedern kritisch gesehen, sie befürchten einen "Polizeistaat", so die taz (Jörg Michel). Der Beitrag stellt sowohl die geplanten Regelungen als auch die Gegenargumente der Kritiker dar.
Das Letzte zum Schluss
Erste Hilfe für Einbrecher: In der Nacht von vergangenem Samstag auf Sonntag brach ein Mann in das Haus eines 102-Jährigen in München-Pasing ein, indem er eine Glastür einschlug. Dabei zog er sich eine Schnittverletzung an der Hand zu und machte, wohl um die Wunde zu inspizieren, das Licht an. Dadurch weckte er den Hauseigentümer. Dieser zeigte sich sehr gelassen, nahm sich die Zeit, um dem Verletzten Erste Hilfe zu leisten und geleitete ihn dann zur Tür. Der wohl verdutzte Einbrecher bot dem Hilfsbereiten dann noch zehn Euro als Dankenschön fürs Verarzten an. Erst ein Bekannter bewegte den alten Mann am nächsten Tag dazu die Polizei zu verständigen. Von dem coolen 102-Jährigen schreibt sueddeutsche.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. März 2015: Verjährung von NS-Verbrechen – OLG Köln zu Kohl-Zitaten – 102-Jähriger trifft auf Einbrecher . In: Legal Tribune Online, 10.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14893/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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