Das "Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes" regelt insbesondere den Einsatz von V-Leuten und soll heute im Kabinett verabschiedet werden. Außerdem in der Presseschau: EuGH und Datenschutz, Kritik an Anti-Terror-Strafrecht, keine islamische Beschneidungsfeier am Karfreitag und auch für Strafverteidiger ist Schweigen manchmal Gold.
Thema des Tages
Verfassungsschutzgesetz: Am heutigen Mittwoch will das Kabinett das "Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes" verabschieden. Die SZ (Tanjev Schultz) verschafft einen Überblick über die geplanten Regelungen. Neben der Erweiterung der Zuständigkeiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz als "Zentralstelle", der Möglichkeit einer Fusion der Landesämter und neuen Vorschriften zur Aktenvernichtung, sollen insbesondere die Voraussetzungen für den Einsatz von V-Leuten normiert werden. Diese beinhalten Vorschriften zu den persönlichen Anforderungen an die potentiellen V-Leute und Verhaltensvorschriften sowie Regelungen zur Begehung von Straftaten als V-Mann. So dürften V-Leute sich beispielsweise an strafbaren Vereinigung beteiligen, allerdings keine eigene gründen.
Tanjev Schultz (SZ) fragt im Leitartikel, was V-Leute dem Staat überhaupt bringen und führt aus, weshalb V-Leute seines Erachtens "jede Menge Ärger" bringen. Beispiele hierfür seien das NPD-Verbotsverfahren sowie die V-Leute um den NSU – diese hätten mehr von ihrem Einsatz profitiert, als der Staat. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hingegen betone die Notwendigkeit der V-Leute – eine entsprechende Bilanz liege allerdings nicht vor, konstatiert Schultz.
Rechtspolitik
Anti-Terror-Strafrecht: Der Strafrechtsexperte Nikolaos Gazeas erläutert im Interview mit lto.de, welche Punkte des geplanten Anti-Terror-Strafrechts aus seiner Sicht "verfassungswidrig und faktisch kaum durchsetzbar" sind. Insbesondere die geplante Strafbarkeit der Ausreise und ihres Versuchs sei verfassungsrechtlich betrachtet "hochproblematisch". Gazeas bringt zudem Vorschläge für eine verfassungsgemäße Alternative zum Schutz vor Terrorismus – beispielsweise könnte der Strafrahmen für einen Verstoß gegen ein ausgesprochenes Ausreiseverbot erhöht werden, so wäre auch der Beweis leichter zu führen.
Tarifeinheitsgesetz: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet über eine Veranstaltung an der Universität Hamburg zum geplanten Tarifeinheitsgesetz. In einem Vortrag legte der Arbeitsrechtsprofessor Matthias Jacobs die Verfassungswidrigkeit des Gesetzentwurfs dar – so wäre die Koalitionsfreiheit unverhältnismäßig beeinträchtigt, da es mildere Mittel gäbe. In der anschließenden Podiumsdiskussionen äußerten sich die betroffenen Verbände jedoch unterschiedlich. Durch die Regelung würde "ein Grundrecht geopfert", meint Angela Dickhöver-Döring von der Ärtzegewerkschaft Marburger Bund, die Chefjuristin des DGB, Helga Nielebock, hingegen begrüßt den Entwurf, so die FAZ.
Bleiberecht: Tobias Brings und Maximilian Oehl setzen sich auf juwiss.de kritisch mit dem geplanten § 25b des Aufenthaltsgesetzes auseinander – ihr Beitrag ist Teil der Schwerpunktwoche "Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung" auf juwiss.de. Sie weisen auf rechtssystematische Mängel der geplanten Regelung hin – insbesondere im Zusammenspiel mit dem geplanten § 11 Absatz 6 des Aufenthaltsgesetz – und bieten entsprechende Verbesserungsvorschläge. Sie skizzieren auch historische Entwicklung und Inhalt der geplanten Vorschrift.
In einem weiteren Beitrag zur Schwerpunktwoche erläutert der wissenschaftliche Mitarbeiter Carsten Hörich auf juwiss.de problematische Punkte in § 11 des Aufenthaltsgesetz-Entwurfs. Die Vorschrift soll die Möglichkeiten der Verhängung eines Einreiseverbotes erweitern. Die Normierung des Einreiseverbotes als gesetzliche Rechtsfolge in Absatz 1, verstieße sogar gegen Unionsrecht, so Hörich.
Maut-Gesetz: In der Nacht auf den gestrigen Dienstag wurden, kurz vor der geplanten Verabschiedung des Maut-Gesetzes am kommenden Freitag, noch einige Punkte geändert. Die SZ (Thorsten Denkler) schreibt über die "endgültige Einigung" und erläutert die Änderungen. Es bestehe auch weiterhin Kritik an der geplanten Regelung und es bleibe die Frage, was passiert, wenn der Europäische Gerichtshof in ihr eine Diskriminierung von Ausländern sieht.
Justiz
OVG Münster zu islamischer Beschneidungsfeier: Das Oberverwaltungsgericht Münster veröffentlichte am gestrigen Dienstag einen Beschluss, mit dem es ein von der Stadt Köln verhängtes Verbot, nach dem islamische Beschneidungsfeiern am Karfreitag verboten werden können, bestätigte. Ein Gastwirt hatte gegen das Verbot der Beschneidungsfeier an Karfreitag einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Das OVG begründete seine Entscheidung mit dem unterhaltenden Charakter der Beschneidungsfeier, welcher gegen die Bestimmungen des Feiertagsgesetzes Nordrhein-Westfalens verstieße. Der Blog Religion-Weltanschauung-Recht.net erläutert den vorliegenden Fall und die Begründung des Gerichts.
AG Lübben zu Haasenburg-Heim-Erzieher: Das Amtsgericht Lübben hat den Mitarbeiter der Haasenburg GmbH Dirk Sch. vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen. Ihm wurde vorgeworfen den Patienten S. bei einer "Antiaggressionsmaßnahme" niedergeschlagen zu haben. Die taz (Katja Kutter/Kai Schlieter) schreibt in einer ausführlichen Reportage über den Freispruch, die Kritik an den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und auch an Aussagen und Schlüssen des zuständigen Richters.
LG Essen - RWE: Am gestrigen Dienstag wies das Landgericht Essen eine Schadensersatz-Klage des russischen Investoren Leonid Lebedew gegen das Unternehmen RWE ab. Gegen den RWE-Chef Jürgen Großmann wurde die Klage allerdings zugelassen. RWE habe den geplanten gemeinsamen Kauf eines Stromanbieters nicht vollzogen und somit einen Schaden von 800 Millionen Euro für Lebedews Unternehmen Sintez verursacht. Auch die SZ (Markus Balser) und die FAZ (Helmut Bünder) schildern den Rechtsstreit.
LG Darmstadt – Tugce: Der Prozess im Fall Tugce gegen Sanel M. wegen des Vorwurfs der Körperverletzung mit Todesfolge soll am 24. April beginnen, meldet hr-online.de. Er soll die Studentin Tugce Albayarak im vergangenem November niedergeschlagen haben. Sie schlug mit dem Kopf auf den Boden auf und erlag ihren Verletzungen.
"Abmahnfall Facebook Share-Button": internet-law.de (Thomas Stadler) erläutert – anlässlich der Abmahnung eines Facebooknutzers wegen des Teilens eines Fotos – kurz die entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Demnach willigt der Urheber eines Bildes konkludent in dessen Wiedergabe als Vorschaubild durch Suchmaschinen ein, wenn er es hochlädt, "ohne technisch mögliche Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen dieser Abbildung durch Suchmaschinen zu treffen". Dies gelte wohl auch für soziale Medien und ebenso, wenn statt des Urhebers ein befugter Dritter handele.
Recht in der Welt
EuGH – Facebook: Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet von dem Verfahren um den Datenschutz europäischer Nutzer in Sachen Facebook vor dem Europäischen Gerichtshof – so sei nach der gestrigen Verhandlung nicht anzunehmen, dass das Gericht die bisherige Praxis des Datentransfers in die USA billige. Die EU-Richter befragten den Vertreter der EU-Kommission eindringlich, insbesondere zum Safe-Harbour-Abkommen. Dieser gab an, dass derzeit nicht zweifelsfrei feststellbar sei, ob die Daten in den USA sicher seien, dies werde aber in den Verhandlungen mit den USA geklärt, bis dahin solle das Abkommen allerdings gelten. Unter anderem das EU-Parlament moniere, die USA böten keinen sicheren Hafen für europäische Daten. Auch die taz (Christian Rath) informiert über das Verfahren und erklärt kurz die relevanten Fakten zum Datenschutz in den USA und der EU sowie zum Safe-Harbour-Abkommen.
EuGH – Apotheken: Der Europäische Gerichtshof wird entscheiden müssen, ob das deutsche Rabattverbot für Apotheken ebenso für Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland gilt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf legte am gestrigen Dienstag die entsprechende Frage zur Vorabentscheidung vor. Die Zentrale zur Bekämpfung gegen unlauteren Wettbewerb in Bad Homburg forderte, dass das Gericht dem Verein Deutsche Parkinson Vereinigung, die Werbung für ein Bonussystem einer niederländischen Versandapotheke untersagt. Dies meldet die SZ.
Frankreich – Klage wegen Bau in Katar: Eine Menschenrechtsgruppe hat den französischen Baukonzern Vinci verklagt. Ihm wird vorgeworfen, bei Baustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar die Rechte der Arbeiter missachtet zu haben. Dies meldet die SZ.
Griechenland – Lagarde-Liste: Der ehemalige griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou wurde am gestrigen Dienstag wegen Urkundenfälschung von einem Athener Gericht zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs wurde fallen gelassen. Im Jahr 2010 soll er die Namen seiner Verwandten von der sogenannten Lagarde-Liste gelöscht haben. Diese wurde ihm von der französischen Finanzministerin Christine Lagarde damals überreicht und enthielt die Namen potentieller Steuerflüchtlinge. Über die Verurteilung schreibt spiegel.de.
Indien – Meinungsfreiheit: Am gestrigen Dienstag hat das Oberste Gericht Indiens eine Regelung für verfassungswidrig erklärt, die es Polizisten erlaubte, Verfasser "vermeintlich abfälliger Kommentare in sozialen Medien" festzunehmen. Das Gesetz verstoße gegen die Meinungsfreiheit und gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Laut spiegel.de hatte die Betroffenen eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren erwartet.
Sonstiges
Volksentscheide: Die Rechtsstudentin Nikola Schmidt beleuchtet auf verfassungsblog.de ausführlich den Volksentscheid in verschiedenen Bezügen – als mögliches verfassungsrechtlich legitimiertes Instrument der direkten Demokratie, als Machtinstrument und als Mittel im politischen Entscheidungsfindungsprozess. Anlass bietet die geplante Volksbefragung Hamburgs hinsichtlich der Olympia-Bewerbung.
Das Letzte zum Schluss
Reden ist Silber. Schweigen ist Gold. Diesen Rat sollten die Betroffenen eines Strafverfahrens wohl berücksichtigen. Ein Beitrag auf dem Blog Kanzlei und Recht zeigt, dass auch manche Strafverteidiger sich daran halten sollten. Während der Durchsuchung des Hauses ihres Mandanten hatte eine Anwältin ihre Verwunderung über den Ort der Durchsuchung geäußert. Der Beschuldigte sei doch gar nicht hier zu Hause, sondern im Ausland und hätte auch dort sein Büro. Für die Polizei gewissermaßen ein Glücksfall – die Aussage begründete den Anfangsverdacht für weitere Straftaten, wie beispielsweise Sozialleistungsbetrug. Immerhin sei der Mandant brav gewesen und habe geschwiegen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. März 2015: Verbesserungen des Verfassungsschutzes – keine Beschneidungsfeier am Karfreitag – Abmahnung wegen Facebook-Share-Button . In: Legal Tribune Online, 25.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15051/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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