Nach einer Entscheidung des ArbG Berlin dürfen Sonderzahlungen nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Außerdem in der Presseschau: Folgen und Kritik an der Mietpreisbremse, bei StA Kiel wurden Beweismittel gestohlen, Hans-Jürgen Papier im Interview, Deutsche sollen in Singapur Stockschläge für Graffiti erhalten und was passiert, wenn man als Schöffe verpennt.
Thema des Tages
ArbG Berlin zu Anrechnung von Sonderzahlungen auf Mindestlohn: Das Arbeitsgericht Berlin entschied am vergangen Mittwoch, dass ein zusätzliches Urlaubsgeld und jährliche Sonderzahlungen nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden dürfen. Eine Änderungskündigung, die eine entsprechende Anrechnung bewirken soll, sei unwirksam, so das Gericht. Im vorliegenden Fall wollte ein Unternehmer den bisherigen Vertrag mit seiner Mitarbeiterin dahingehend ändern, dass sie künftig statt 6,44 Euro pro Stunde den Mindestlohn von 8,50 Euro erhält. Allerdings sollten dafür Urlaubsgeld und Sonderzahlungen gestrichen werden. Ansonsten würde er sie entlassen. Das ArbG erkannte in diesem Vorgehen eine unzulässige Umgehung des Gesetzes. Die FAZ (Joachim Jahn) geht zudem auf die Begründung des Gerichts ein und weist auf "zahlreiche Einzelheiten" im neuen Gesetz hin, die noch ungeklärt seien.
Rechtspolitik
Tarifeinheit: Am gestrigen Donnerstag fand im Bundestag die erste Beratung über das geplante Gesetz zur Tarifeinheit statt. Die FAZ (dc.) informiert darüber, dass die Unionsfraktion nun plane,eine Lockerung des Gesetzentwurfs zugunsten der Berufsgewerkschaften vorzunehmen und beschreibt zudem die weiteren Positionen im Plenum. So werteten Kritiker die Regelungen als verfassungswidrigen Eingriff in die Koalitionsfreiheit. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hingegen unterstrich, dass Gewerkschaften "auch künftig alle Chancen hätten".
Mietpreisbremse: Der Bundestag verabschiedete am gestrigen Donnerstag die Mietrechtsreform, mit welcher Mietpreisbremse und das Bestellerprinzip eingeführt werden. Die Mietpreisbegrenzung sieht vor, dass die Mieten bei Wiedervermietungen nicht um mehr als zehn Prozent des ortsüblichen Niveaus gehoben werden dürfen. Die Regelung soll in Gebieten mit "angespanntem Wohnungsmarkt" gelten – wobei diese von den Bundesländern festgelegt werden sollen. Die taz erklärt zudem kurz das Bestellerprinzip und merkt an, dass die Zustimmung des Bundesrats noch aussteht. Auch die Welt befasst sich mit der Neuregelung.
Warum kommt die Mietpreisbremse? Wie funktioniert die Mietpreisbremse? Diese und weitere relevante Fragen bezüglich der am gestrigen Donnerstag verabschiedeten Mietrechtsreform beantwortet die SZ (Robert Rossmann). Sie soll Preissprünge der Mieten auf begehrten Wohnungsmärkten verhindern.
Die Immobilienrechtsanwälte Henning Aufderhaar und Gerold M. Jaeger erklären im Immobilienteil der FAZ ebenso die Neuregelungen und führen deren Vorteile auf, befassen sich allerdings auch mit etwaigen Auslegungsproblemen bei den Ausnahmetatbeständen der Mietpreisbremse. So sollen beispielsweise Wohnungen, welche vor der ersten Vermietung umfassend modernisiert wurden, nicht unter die Mietpreisbegrenzung fallen – unklar sei in diesem Fall, was unter "umfassende Modernisierung" subsumiert werden darf.
Frauenquote: Am heutigen Freitag soll das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen verabschiedet werden, mit dem die Frauenquote eingeführt wird. Laut Tagesspiegel (Antje Sirleschtov) sei dies "ein Meilenstein auf dem langen Weg, dem Artikel 3 des Grundgesetzes zur Durchsetzung zu verhelfen". Der Artikel beschreibt die geplante Regelung und den rechtspolitischen Weg dorthin.
Konkurrentenklagen bei Richterwahl: Sechs Mal wurden Entscheidungen des Richterwahlausschusses mit Konkurrentenklagen angegriffen – drei Mal davon im Jahr 2014. lto.de (Christian Rath) beschreibt einige der Fälle und erklärt, warum die Präsidenten der obersten Bundesgerichte die Legislative um Hilfe bitten – denn eine Konkurrentenklage kann "die ganze Riege der für ein Gericht gewählten neuen Richter" blockieren. Der Beitrag erläutert zudem einen Vorschlag zur Reform der Konkurrentenklage und die "Skepsis der Politik" hinsichtlich des Anstiegs der Klagen.
Justiz
OLG München – NSU-Prozess: Am gestrigen Verhandlungstag im NSU-Prozess sagte unter anderem ein Zeuge aus, der einen Szeneladen in Chemnitz betreibt und angibt mit Uwe Mundlos befreundet gewesen zu sein. Der Kontakt zwischen ihnen sei erst im Jahr 2000 abgebrochen, bestand also noch in der Zeit, als das Trio untergetaucht war. Böhnhardt und Zschäpe hingegen habe er nur flüchtig gekannt. Dies berichtet spiegel.de.
Das Oberlandesgericht München entschied am gestrigen Donnerstag, dass die Anzahl der Verhandlungstage von drei auf zwei Tage pro Woche reduziert werden soll. Die Gesundheit Beate Zschäpes solle geschont werden, diese sei immer häufiger wegen krankheitsbedingter Verhandlungsunfähigkeit ausgefallen. Dies meldet die SZ.
StA Kiel – Waffenlieferungen nach Kolumbien: Die Staatsanwalt Kiel ermittelt seit mehr als einem Jahr gegen den Waffenhersteller Sig Sauer wegen des Verdachts unerlaubter Waffenlieferungen nach Kasachstan und Kolumbien. Am gestrigen Donnerstag soll ein Laptop, welcher als Beweismittel in dem Verfahren beschlagnahmt worden war, aus der Staatsanwaltschaft Kiel gestohlen worden sein, wissen die SZ, NDR und WDR, so ein Bericht der SZ (Volker Kabisch/Frederik Obermaier/Bastian Obermayer). Die Daten auf dem Laptop sollen noch nicht abschließend gesichtet worden sein; es sei auch unklar, ob der Diebstahl sich speziell auf dieses Beweisstück richtete, denn es seien auch Beweismittel aus anderen Verfahren weggenommen worden.
Interview mit Hans-Jürgen Papier: juwiss.de bringt anlässlich der 55. Assistententagung Öffentliches Recht zum Thema "Rechtsfrieden – Friedensrecht" ein Interview mit dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier. Dieser erklärt unter anderem, wie seines Erachtens nach Recht und Frieden miteinander verbunden sind und mahnt, dass die Wahrung von Freiheitsrechten im digitalen Zeitalter im Fokus der jungen Wissenschaftler stehen sollte.
Terrorismus-Prozesse: bild.de gibt einen Überblick über derzeit laufende und bereits abgeschlossene Prozesse gegen mutmaßliche Terroristen beziehungsweise mutmaßliche Unterstützer terroristischer Vereinigungen in Deutschland. Die Bundesanwaltschaft ermittelt, laut bild.de, derzeit in ungefähr 40 entsprechenden Verfahren.
Gerichtsstrukturreform in Mecklenburg-Vorpommern: Im Oktober 2013 wurde in Mecklenburg-Vorpommern ein Gesetz zur Reform der Gerichtsstruktur verabschiedet. Demnach sollen bis 2017 unter anderem fünf der 21 Amtsgerichte aufgelöst werden. Ein Volksbegehren, welches die Aussetzung des Gesetzes fordert, war nun erfolgreich – dieses setzte eine Liste von 120.000 Unterschriften voraus. Ein Volksentscheid sei wohl im Sommer diesen Jahres zu erwarten. Die FAZ (Frank Pergande) erläutert zudem die Gründe für die Justizreform, aber auch entsprechende Kritik.
Gerechtigkeit der Justiz in Wirtschaftsverfahren: Das Handelsblatt (Thomas Sigmund) befasst sich anlässlich der vermehrten Verfahren gegen Wirtschaftsgrößen unter anderem mit folgenden Fragen: "Sind vor dem Gesetz wirklich alle gleich? Wie gerecht ist der Rechtsstaat?" Der ausführliche Artikel weist anhand des aktuellen Falls Fitschen und Fällen wie Middelhoff, Hoeneß und Ecclestone auf die wohl besondere Behandlung von Wirtschaftsgrößen hin, die teils sanfter, teils härter behandelt und bestraft würden – es mangele an "Normalität".
Abrechnung im Fall Wulff: Der Verfassungsrechtler Gernot Fritz beanstandet den Ermittlungsaufwand im Fall Wulff, es liege ein "offenkundiges Missverhältnis zwischen Tatvorwurf und Ermittlungsaufwand" vor. Die "exzessiven Ermittlungen" sollen zwischen drei bis fünf Millionen Euro gekostet haben und laut Fritz nur durchgeführt worden sein, um "irgendwas strafrechtlich Vorwerfbares" zu finden. Dadurch ergebe sich der Verdacht der "Haushaltsuntreue". Dies meldet die SZ (Hans Leyendecker).
Recht in der Welt
USA – Dzokhar Tsarnaev: Am vergangenen Mittwoch begann der Prozess gegen den Attentäter auf den Boston-Marathon Dzokhar Tsarnaev. Laut FAZ (Andreas Ross) bestreitet Tsarnaev nicht die Beteiligung an den Anschlägen, er sei jedoch von seinem islamistischen Bruder beeinflusst worden und habe den Weg verfolgt, welchen "sein Bruder geschaffen und geebnet" habe. Die Anklage hingegen ist der Ansicht, dass Dzokhar selbst terroristische Ziele verfolgt habe. Auch spiegel.de berichtet vom Prozess und den Eröffnungsplädoyers von Anklage und Verteidigung.
Argentinien - Anklage gegen Kirchner? Die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner muss gegebenenfalls doch mit einem Strafverfahren wegen des Verdachts der Vertuschung rechnen. Ihr wird vorgeworfen bei einem Anschlag auf ein jüdisches Kulturzentrum die Beteiligung der mutmaßlich iranischen Täter verschleiert zu haben. Am vergangenen Mittwoch legte der Staatsanwalt Gerardo Pollitica Berufung gegen die Ablehnung der Ermittlungsverfahrens ein, so die Meldungen in FAZ und SZ.
Singapur – Stockschläge für Graffiti: In Singapur sind am gestrigen Donnerstag zwei Männer aus Leipzig wegen Vandalismus zu neun Monaten Haft und drei Stockschlägen verurteilt worden. Sie hatten im November vergangenen Jahres einen U-Bahn-Waggon mit Graffiti besprüht. Bisher sei unklar, ob die Verteidiger in Berufung gehen. Darüber berichten die FAZ (Till Fähnders), die taz (Nicola Glass) und die Welt (Sophie Mühlmann).
Sonstiges
Einführung in Kirchenrecht: Die SZ (Rudolf Neumaier) weist auf ein neues und kritisches Buch zum Kirchenrecht von Sabine Demel mit dem Titel "Einführung in das Recht der katholischen Kirche" hin. Die Autorin möchte zu "kritischem Denken und einem lebendigen Umgang mit dem kirchlichen Recht befähigen und ermutigen". Sie moniert beispielsweise Defizite beim kircheninternen Rechtsschutz.
Das Letzte zum Schluss
Aufregendes Schöffendasein: Als Laienrichter sollte man nicht zu spät zur Verhandlung kommen. Diese Lektion musste der als Schöffe berufene Student und freie Journalist Peter Maxwill auf wohl äußerst unangenehme Weise lernen. Er hatte seinen Gerichtstermin wegen einer vorhergehenden Nachtschicht und eines streikenden Weckers verschlafen und wurde morgens unsanft von drei Polizisten geweckt. Diese nahmen ihn auch sogleich mit zum Gericht. Im Nachhinein ist Maxwill allerdings wohl sehr froh darüber, dass er es dort lediglich mit einer "sichtlich genervten" Richterin zu tun hatte, denn für unentschuldigtes Zuspätkommen können Schöffen Geldbußen von bis zu 1.000 Euro drohen. Sein Bericht ist auf spiegel.de (Peter Maxwill) zu lesen.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 6. März 2015: Sonderzahlungen und Mindestlohn – Gestohlene Beweismittel bei StA Kiel – Stockschläge für Graffiti . In: Legal Tribune Online, 06.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14870/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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