Ein Anwalt droht Facebook mit Klage, wenn die Löschung eines Beitrags nicht rückgängig gemacht wird. Außerdem in der Presseschau: Die Auswertung der Handydaten von Flüchtlingen bleibt umstritten und der Fall Deniz Yücel vor dem EGMR.
Thema des Tages
Gelöschter Facebook-Beitrag: Der Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel hat im Namen des Fotografen und Bloggers Markus Hibbeler rechtliche Schritte gegen Facebook angekündigt, wenn ein gelöschter Beitrag seines Mandanten nicht wieder angezeigt wird. Facebook hatte einen islamkritischen Beitrag des Mandanten gelöscht. Kommt es zu einer Klage, müsste erstmals darüber entschieden werden, ob es einen Anspruch gegen Betreiber von sozialen Netzwerken gibt, dass Beiträge veröffentlicht werden. Würde die Klage abgewiesen, müsste der Gesetzgeber Konsequenzen ziehen, so die Montags-FAZ (Hendrik Wieduwilt).
Rechtspolitik
NetzDG: Im Interview mit dem Spiegel (Melanie Amann/Marcel Rosenbach, spiegel.de-Zusammenfassung) verteidigt Bundesjustizminister Heiko Maas das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz, mit dem insbesondere Hasskriminalität im Netz bekämpft werden solle. Schon jetzt gebe es eine Löschpflicht für Betreiber von sozialen Netzwerken. Es sei auch nicht zu befürchten, dass die Betreiber zu viel löschten, da sie damit ihr Geschäftsmodell gefährdeten.
Marc Liesching (community.beck.de) kritisiert, dass für den Monitoring-Bericht von jugendschutz.net, der zur Begründung des Gesetzes herangezogen wird, überwiegend Rechtslaien für die Bewertung von Beiträgen im Internet eingesetzt wurden.
Wissenschaftsurheberrecht: Thomas Thiel (Samstags-FAZ) kritisiert die von Justizminister Heiko Maas geplante Reform des Wissenschaftsurheberrechts. Danach soll es Bibliotheken möglich sein, 15 Prozent eines Buchs einzuscannen und für die Lehre und Forschung zur Verfügung zu stellen. Auch Zeitungsartikel sollen der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden können. Der Autor sieht darin "großzügige Geschenke aus fremdem Eigentum" und fragt, ob der Justizminister die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes nicht kenne. Reinhard Müller (Montags-FAZ) nimmt Äußerungen des Bundespräsidenten zum Wert des Qualitätsjournalismus zum Anlass, vor den Folgen des Gesetzes für die Presse zu warnen: "Wie soll sich eigentlich der vom Bundespräsidenten geforderte Qualitätsjournalismus finanzieren?"
Handys von Asylbewerbern: Nach Informationen der Montags-taz (Christian Rath) plant das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, drei Auswertungsmethoden auf Grundlage der jüngst beschlossenen Befugnis zum Auslesen der Datenträger von Asylsuchenden. Ausgewertet werden sollen die benutzte Sprache, die Kontakte sowie die Metadaten von Fotos. Da letztere auch den Ort beinhalten, an dem das Foto gemacht wurde, würden auch Rückschlüsse auf den Reiseweg ermöglicht, was die SPD ursprünglich verhindern wollte.
CDU-Politikern gehen die beschlossenen Befugnisse unterdessen nicht weit genug. Innenpolitiker Ansgar Heveling fordert, dass die Auswertung auch von Beamten durchgeführt werden soll, die nicht Volljuristen sind. Zudem könnten die Daten genutzt werden, um die vom Asylbewerber angegebene Religion zu überprüfen, so der Bundestagsabgeordnete laut Montags-Welt (Marcel Leubecher).
Mietpreisbremse: Eine Studie im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion kommt zu dem Ergebnis, dass die in den meisten Bundesländern geltende Mietpreisbremse nicht richtig funktioniere. Auch die SPD fordert daher eine Nachbesserung. Die Eigentümervereinigung Haus & Grund lehnt hingegen die Mietpreisbremse generell ab. Die Studie arbeite mit falschen Zahlen. Würde erneut behauptet, dass Vermieter regelmäßig die Mietpreisbremse umgehen, wolle man rechtliche Schritte prüfen, erklärte der Geschäftsführer der Vereinigung, Alexander Wiech, gegenüber der Montags-FAZ (Hendrik Wieduwilt). Auch focus.de berichtet über die Studie.
In einem gesonderten Kommentar weist Hendrik Wieduwilt (Montags-FAZ) auf die Schwierigkeit hin, die die SPD dabei haben werde, das Thema im Wahlkampf für sich nutzbar zu machen. Sie müsse nicht nur darlegen, dass die Mietpreisbremse nicht funktioniere, sondern auch, dass dies am Widerstand der Union liege und sich durch Nachjustierungen beheben lasse. Die Union habe eine eingängigere Botschaft: "Die Bremse ist Murks – und Preise lassen sich nicht staatlich diktieren."
Mindestlohn bei Transitfahrten: Die Anwendung des deutschen Mindestlohngesetzes auf Kraftfahrer, die Deutschland lediglich durchqueren, ist europarechtlich zulässig. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Hamburger Rechtswissenschaftlers Peter Mankowski im Auftrag des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung und des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Der Arbeitnehmerschutz sei ein anerkannter Rechtfertigungsgrund für Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit. Bisher gilt das Gesetz bereits formal für alle Kraftfahrer, jedoch sieht der Zoll für die Dauer des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens von Kontrollen ab, so die Montags-FAZ (Dietrich Creutzburg).
Fahrverbot für Straftäter: In einem Kommentar äußert Wolfgang Janisch (Samstags-SZ) Zustimmung zu der geplanten Ausweitung von Fahrverboten auf Straftaten, die keinen Verkehrsbezug haben. Das Fahrverbot könne sich als "Chance erweisen, dem Strafrecht ein wenig von der abschreckenden Wirkung zurückzugeben, die es gerade bei kleinen Delikten eingebüßt hat". Entscheidend sei jedoch, dass die Richter den Einzelfall berücksichtigten. Ein Fahrverbot müsse wehtun, dürfe den Verurteilten aber nicht aus der Bahn werfen.
Justiz
BVerfG zu Kanzleidurchsuchung: Das Bundesverfassungsgericht hat einen Antrag der Kanzlei Jones Day abgelehnt, mit der diese sich im Eilverfahren gegen die Durchsicht von bei einer Durchsuchung beschlagnahmten Unterlagen wendete. Das melden die Samstags-FAZ (Christian Müßgens) und spiegel.de. Die Kanzlei habe nicht den Rechtsweg ausgeschöpft, so das Bundesverfassungsgericht. Die Durchsuchung hatte Aufsehen erregt, weil sie im Rahmen der Ermittlungen zum VW-Abgasskandal erfolgte.
AG München zu falscher Ebay-Bewertung: Ebay-Käufer haben eine vertragliche Nebenpflicht, keine falschen Bewertungen bei Ebay abzugeben. Geklagt hatte ein Verkäufer, der sich durch eine negative Bewertung mit dem nach Überzeugung des Gerichts falschen Kommentar, dass der Artikel nicht originalverpackt gewesen sei, in seinen Rechten verletzt sah. Das Urteil fassen lto.de und loebisch.com (Stefan Loebisch) zusammen.
BVerfG – Abstimung über Ehe für alle: lto.de (Pia Lorenz) stellt den inzwischen veröffentlichten Antrag vor, mit dem die Grünen eine Abstimmung über die Ehe für alle erzwingen wollen. Verschiedene Verfassungsrechtler kommen zu Wort, deren Meinungen über die Begründetheit auseinandergehen. Außerdem sei zu beachten, dass die Hürden für eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts äußerst hoch sind.
BGH – Veröffentlichte Lageberichte: Der Bundesgerichtshof muss sich mit der Frage befassen, ob Journalisten, die unveröffentlichte Dokumente ins Netz stellen, gegen das Urheberrecht verstoßen. Im konkreten Fall wurde die Westfälischen Allgemeine Zeitung vom Verteidigungsministerium verklagt, weil sie rund 5.000 Seiten unveröffentlichte Lageberichte zum Afghanistan-Einsatz ins Internet gestellt hatte. Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht erhielt das Ministerium Recht. Die Zeitung sieht hingegen eine Zweckentfremdung des Urheberrechts. Jetzt muss der Bundesgerichtshof entscheiden. Der Spiegel (Dietmar Hipp) berichtet.
VerfGH Baden-Württemberg – AfD-Abgeordneter: Der AfD-Abgeordnete Heinrich Fiechtner hat beim Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg eine Organklage gegen seine eigene Fraktion eingereicht. Fiechtner sieht sich durch ein Redeverbot und durch den Abzug aus dem NSU-Untersuchungsausschuss und dem Innenausschuss in seinen Abgeordnetenrechten verletzt. Die FAS (Rüdiger Soldt) erörtert die Klage und die Streitigkeiten, die dazu führten.
EuG zur Europäischen Bürgerinitiative: Rechtsprofessor Sebastian Heselhaus begrüßt auf verfassungsblog.de das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Mai, mit dem eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) mit dem Titel "Stop TTIP" für zulässig erklärt wurde. Das Gericht habe "mit einem überzeugenden Rekurs auf das Demokratieprinzip" die Bedeutung der EBI gestärkt und eine weite Auslegung gesichert. Kritisch sieht der Autor, dass das EuG zuvor eine einstweilige Anordnung abgelehnt hatte. Jetzt sei es für eine Intervention in die Verhandlung des Freihandelsabkommens Ceta zu spät.
BFH zu Steuerbegünstigung für Freibäder: Zur Eröffnung der Freibadsaison befasst sich die Samstags-SZ (Harald Freiberger) mit den Folgen eines Urteils des Bundesfinanzhofs, das im Februar veröffentlicht wurde, nach dem ein defizitäres Freibad nicht mehr steuerlich begünstigt wird, wenn eine städtische Gesellschaft es nicht selbst betreibt, sondern an einen Trägerverein verpachtet. Nach dem Urteil können Verluste von solchen Freibädern nicht mit den Gewinnen aus anderen Bereichen verrechnet werden. Hintergrund sei das EU-Beihilferecht.
Prozess wegen Streit zwischen Türken und Kurden: Die FAS (Raquel Erdtmann) schildert den Prozess gegen einen Türken, der einem Kurden wegen Äußerungen über die PKK ins Bein geschossen haben soll. Der Verteidiger des Angeklagten habe im Laufe des Prozess immer wieder die angebliche Nähe des Opfers zur PKK zu beweisen versucht. Das Gericht habe schließlich festgestellt, dass dies nicht den Schuss rechtfertige, und den mehrfach vorbestraften Mann wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Jahren Haft verurteilt.
Recht in der Welt
Venezuela – Militärjustiz: Laut einem Bericht der Montags-taz (Jürgen Vogt) werden viele der im Rahmen der Proteste gegen die venezolanische Regierung verhafteten Demonstranten nicht zivilen Gerichten vorgeführt, sondern von Militärgerichten abgeurteilt. Hintergrund ist, dass das Ministerio Público, das für die Ermittlungen und Anklagen zuständig ist, von einer Regierungskritikerin geleitet wird.
USA – Geheime Leitung nach Moskau: Jared Kushner, Schwiegersohn und Berater des US-Präsidenten Donald Trump, steht in Verdacht, vor der Amtsübernahme Trumps mit Russland über die Einrichtung einer geheimen Leitung nach Moskau verhandelt zu haben. Diese Leitungen seien zwar nicht unüblich, jedoch verbiete der Logan Act von 1799 Privatpersonen Verhandlungen mit ausländischen Regierungen, so die Montags-SZ (Hubert Wetzel).
EGMR – Deniz Yücel: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte will die Beschwerde des in der Türkei inhaftierten Welt-Korrespondenten Deniz Yücel vorrangig behandeln. Das melden die WamS (Daniel-Dylan Böhmer) und spiegel.de.
Carsten Hoenig (kanzlei-hoenig.de) warnt vor zu viel Optimismus. Insbesondere an einer fehlenden Rechtswegerschöpfung könnte die Zulässigkeit der Beschwerde scheitern.
UNHCR: lto.de (Till Mattes) stellt das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) vor. Die Organisation schützt die Rechte von Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention. In Deutschland fordert das UNHCR unter anderem eine Verbesserung der Qualität von Asylverfahren.
Sonstiges
Legal Tech: Mit Online-Diensten, die automatisch Ansprüche von Verbrauchern durchsetzen oder Anwälte vermitteln, befasst sich jetzt auch die FAS (Corinna Budras). Die Entwicklung von Legal Tech würde zwar Anwälte herausfordern, notwendig seien sie aber in vielen Fällen immer noch.
Marcus Jung (Samstags-FAZ) meint, dass Anwälte ihre Abwehrhaltung aufgeben sollten. Auch Anwälte würden nach der Formel "Recht = Code" arbeiten. Die Verzahnung würde eine Industrialisierung ermöglichen, an der die deutsche Rechtsberatung nicht vorbeikommen werde.
Zeitschriftenschau: In einer Zeitschriftenschau befasst sich lto.de (Martin Rath) mit verschiedenen Aufsätzen, die in letzter Zeit erschienen sind. Darin geht es um die Bedeutung der Theorie des Bewusstseins für das Projekt der Menschenrechte, den Zusammenhang zwischen jüdischen US-Richtern und Entscheidungen zur Religionsfreiheit, chinesischen Konstitutionalismus und erste Fälle von Waterboarding.
Bußgeld für Facebook: Nach dem Millionen-Bußgeld gegen Facebook wegen Falschangaben bei der Übernahme von WhatsApp erläutern die Rechtsanwälte Christoff Soltau und Frédéric Crasemann auf lto.de die rechtlichen Grundlagen des Falls. Dem Bußgeld könnten weitere Verfahren folgen. Unternehmen sollten daher ihre Verhaltenspflichten im Rahmen von Fusionskontrollverfahren ernst nehmen.
Das Letzte zum Schluss
Maus an Bord: Ist eine Maus an Bord eines Flugzeugs ein außergewöhnlicher Umstand, der die Fluggesellschaft von einer Entschädigungspflicht für Verspätungen befreit? Das Amtsgericht Düsseldorf hat das 2014 bejaht. Jetzt hat der Dienstleister EUflight ein anderslautendes Urteil erstritten, in dem ein Entschädigungsanspruch zuerkannt wurde. Diese und andere Urteile zu Flugreisen stellt bild.de (Silke Böttcher) vor.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der jeweiligen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 27. bis 29. Mai: Veröffentlichungsanspruch gegen Facebook? / Streit um Handydaten von Flüchtlingen / Yücel vor EGMR . In: Legal Tribune Online, 29.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23037/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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