Der Angeklagte im Fall Niklas P. ist freigesprochen worden. Außerdem in der Presseschau: Die Schweinehaltung könnte in der Praxis gegen Verfassungsrecht verstoßen und Theo Zwanziger klagt gegen Freshfields.
Thema des Tages
LG Bonn zu Fall Niklas P.: Der Angeklagte im Fall Niklas, Walid S., ist vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen worden. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass der 20-Jährige das Opfer geschlagen hat oder überhaupt am Tatort anwesend war. Vor diesem Hintergrund hatte die Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädiert, wie die FAZ (Reiner Burger), die SZ (Benedikt Peters) und spiegel.de berichten.
Christian Parth (spiegel.de) meint, während des Prozesses habe sich ein Schweigekartell gebildet. Werde dieses Schweigen nicht gebrochen, stehe zu befürchten, dass der Täter unbestraft bleibe.
Rechtspolitik
Unfaire Handelspraktiken: Die Bundesregierung drängt auf ein härteres Vorgehen gegen unfaire Handels- und Investitionspraktiken durch die EU-Kommission, wie die SZ (Markus Balser) berichtet. In einem Papier, das in die Reformpläne von Kommissionspräsident Juncker einfließen soll, fordere Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries mehr Möglichkeiten der nationalen Regierungen, rechtswidrige Handelspraktiken von Handelspartnern abzuwehren. Hiermit könnte insbesondere China gemeint sein.
Rechtsrahmen für Taxigewerbe: Die SZ (Michael Kuntz) geht auf den aktuellen Rechtsrahmen für die Personenbeförderung mit Taxis ein und thematisiert Neuerungen, die sich in der kommenden Legislaturperiode ergeben könnten. So stehe insbesondere die Abschaffung von festen Taxipreisen zu Gunsten einer flexiblen Preisbildung im Raum. Auch die Unterscheidung zwischen Taxis und Mietwagen solle entfallen.
Schweinehaltung: Nach einem Gutachten der Umweltorganisation Greenpeace ist die gängige Praxis der Schweinehaltung in Deutschland illegal, wie jetzt auch die taz (Jost Maurin) berichtet. Die betreffende Bundesverordnung verstoße gegen das Tierschutzgesetz und sei überdies nicht mit der verfassungsrechtlichen Staatszielbestimmung des Tierschutzes vereinbar. Das Land Berlin erwäge, einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht anzustrengen.
E-Zigaretten: Die Welt (Birger Nicolai) thematisiert die Umsetzung der EU-Tabakproduktrichtlinie durch den deutschen Gesetzgeber und merkt an, dass der nationale Gesetzgeber der Tabakindustrie einen weiten Spielraum belasse. Insbesondere technische Lösungen zur Umsetzung des Schutzes von Kindern vor E-Zigaretten blieben den Herstellern überlassen. Daneben sehe die Richtlinie auch Warnhinweise bis hin zu Totenkopfsymbolen auf E-Zigaretten vor.
Leitkultur: Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) setzt sich in einem Gastkommentar in der Welt mit der von neuem angestoßenen Debatte zur Leitkultur auseinander. Sie kritisiert, dass es Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lediglich um den Gegensatz zwischen "Deutschen" und "Ausländern" gehe, und setzt seinem Konzept einer Leitkultur das Grundgesetz entgegen.
Nachtflugverbot: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sein Luftverkehrskonzept vorgestellt, wie die SZ (Markus Balser) und die FAZ (Manfred Schäders u.a.) berichten. Darin lehnt er ein generelles Nachtflugverbot ab und fordert Steuererleichterungen für die Fluggesellschaften. Während Umweltgruppen das Konzept kritisieren, lobte die Industrie Dobrindts Pläne.
Justiz
BGH zu Unterhalt: Einer jungen Frau, die sechs Jahre nach ihrem Abitur ein Medizinstudium begonnen hatte, steht kein Anspruch gegen ihren Vater auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt zu. Eine Unterhaltspflicht des Vaters sei in diesem Fall "unzumutbar", so der BGH in dem Beschluss, über den die FAZ (Ina Majewski) und lto.de berichten.
OLG München – Beate Zschäpe: Der Psychiater Joachim Bauer hat sein Gutachten zu Beate Zschäpe vorgestellt. Er attestiert der mutmaßlichen Rechtsterroristin eine schwere Persönlichkeitsstörung; die Angeklagte sei nur vermindert schuldfähig. Es berichten jetzt auch die FAZ (Karin Truscheit), die SZ (Wiebke Ramm) sowie Konrad Litschko (taz), der vermutet, das Gericht sehe Joachim Bauer eher als Zeugen denn als Gutachter an.
LG Köln – "Bild" gegen "Focus Online": In einer Mitte Januar eingereichten Klage wirft der Springer-Verlag dem "Bild"-Konkurrenten "Focus Online" vor, eigene Inhalte systematisch "ohne jedes redaktionelles Investment" zu verwerten. Das beklagte Nachrichtenportal des Burda-Verlags vermutet hinter der Klage hingegen eine Kampagne zur Diskreditierung, es sei schließlich branchenüblich, fremde Inhalte zu zitieren. Es berichten die FAZ (Michael Hanfeld) und die SZ.
LG Frankfurt/Main – DFB-Untersuchungsbericht: Der frühere DFB-Chef Theo Zwanziger klagt nach exklusiven Informationen der FAZ (Michael Ashelm u.a.) vor dem Landgericht Frankfurt am Main wegen ihn betreffender Passagen im Untersuchungsbericht zur Fußballweltmeisterschaft 2006 gegen die Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die den Bericht verfasst hatte. Freshfields stehe weiterhin hinter dem Untersuchungsbericht. Es berichtet auch spiegel.de.
AG München zu Vatersuche: Die FAZ (Sebastian Eder) berichtet jetzt auch über das Urteil aus dem Oktober 2016, mit dem das Amtsgericht München die Klage einer jungen Mutter gegen ein Hotel auf Auskunftserteilung abwies. Die Frau begehrte Auskünfte über den vollständigen Namen und die Anschrift eines Mannes, der sie in die Unterkunft begleitet hatte und als Vater ihres Kindes in Frage kommt, um Unterhaltsansprüche geltend zu machen. Mit Blick darauf, dass der Frau lediglich der Vorname des Mannes bekannt war und mehrere Gäste diesen Namen führten, verweigerte das Hotel nach Ansicht des Gerichts zu Recht die Auskunft.
AG Würzburg zu Horrorclowns: Das Amtsgericht Würzburg hat zwei junge Frauen, die nachts verkleidet als sogenannte Horrorclowns eine Frau erschreckt hatten, wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Das Opfer litt in Folge der Tat unter schweren Schlafstörungen, Panikattacken und erhöhter Reizbarkeit, meldet spiegel.de.
StA München I – Millionen-Betrug: Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt wegen Untreue und Korruption in einem besonders schweren Fall sowie wegen Parteiverrat gegen einen Patentanwalt. Der am Mittwoch verhaftete Mann soll für das Münchner Institut für Rundfunktechnik (IRT) besonders nachteilige Verträge geschlossen haben, während die Patente des IRT vor allem zum Vorteil des Anwalts verwertet wurden. Auf diese Weise sei ein Schaden in Höhe von 100 bis 200 Millionen Euro entstanden, wie die SZ (Klaus Ott) schreibt.
Recht in der Welt
Polen – Verfassungsreferendum: Der polnische Präsident Andrzej Duda hat vorgeschlagen, die Verfassung im kommenden Jahr durch ein Referendum zu ändern. Angaben zum Inhalt einer solchen Verfassungsreform machte der nationalkonservative Politiker nicht. Kritiker befürchten allerdings eine Verfassungsänderung nach türkischem Vorbild, wie die FAZ berichtet.
Ungarn – NGO-Gesetz: Der Europarat warnt Ungarn davor, das geplante NGO-Gesetz zu verabschieden. Der Entwurf des Gesetzes sieht vor, dass sich Nichtregierungsorganisationen registrieren lassen müssen und, soweit sie Spenden aus dem Ausland erhalten, als "vom Ausland finanzierte" Organisationen auftreten müssen. Der Menschenrechtsbeauftrage des Europarats schrieb nun an den Parlamentspräsidenten, dass hiervon eine Stigmatisierung ausgehe und die Versammlungsfreiheit bedroht sei, wie die FAZ (Stephan Löwenstein) berichtet.
Japan – Verfassungsänderung: Premierminister Shinzo Abe strebt bis zu den Olympischen Spielen in Tokio 2020 eine Reform der japanischen Verfassung an. Der Entwurf lehne sich an die Vorkriegsverfassung an, der sogenannte "Friedensparagraf" solle aber nach einem Vorschlag des Premiers beibehalten werden. Christoph Neidhart (SZ) vermutet, das Vorhaben solle von Skandalen um den Regierungschef Abe ablenken.
USA – Trauunwillige Standesbeamtin: Ein Bundesberufungsgericht in Kentucky hat eine Schadensersatzklage gegen eine Standesbeamtin zugelassen, die sich trotz der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe weigerte, einem homosexuellen Paar – den Klägern – eine Heiratslizenz auszustellen. Die Beklagte beruft sich darauf, dass die gleichgeschlechtliche Ehe nicht mit ihrem Glauben vereinbar sei. Es berichtet die FAZ (Christiane Heil).
USA – Walter Scott: Der ehemalige Polizist Michael S. hat im Fall Walter Scott seine Schuld eingestanden. Er erschoss den 50-jährigen Schwarzen im April 2015, nachdem er den Mann wegen eines defekten Lichtes an seinem Auto angehalten hatte. Es berichtet spiegel.de.
Türkei – Richter in Haft: Einer Online-Vorabmeldung der NJW (Joachim Jahn) zufolge erscheint in der Zeitschrift ein anonymisierter Brief, den ein Richter oder eine Richterin aus der Haft an die eigene Familie geschrieben hat. In Folge des gescheiterten Putschversuches wurden in der Türkei gegen mehr als 2.000 Richter und Richterinnen Haftbefehle erlassen.
Sonstiges
Timmermans im Interview: Der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans äußert sich in einem Interview mit der Zeit (Matthias Krupa u.a.) zum Rechtsstaatsverfahren gegen Polen. Er befürchtet eine Erosion des Rechtsstaates und der Menschenrechte und nimmt zum weiteren Vorgehen im Zusammenhang mit Polen Stellung.
Fall Amri: Der Berliner Generalstaatsanwalt Ralf Rother hat vor dem Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags von Versäumnissen im Fall Amri berichtet. Die angeordnete Observation des Attentäters sei von der Berliner Polizei ohne Rücksprache mit der Generalstaatsanwaltschaft eingestellt worden, wie die SZ (Jan Bielicki) berichtet. Grund hierfür seien vermutlich "Ressourcenprobleme" gewesen.
Internetkriminalität: Das Bundesinnenministerium und das Bundeskriminalamt haben am Mittwoch vor wachsender Internetkriminalität gewarnt. BKA-Präsident Holger Münch betonte den Zusammenhang zwischen wachsender Datenmenge und Internetkriminalität. Als Reaktion solle in Zukunft die klassische Polizeiarbeit auch im Internet stattfinden, wie die FAZ (Eckart Lohse) schreibt.
Das Letzte zum Schluss
Bankräuber als Juraprofessor: Der wegen Bankraubes zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilte Shon Hopwood hat die Zeit seiner Inhaftierung vorbildlich genutzt: Nach dem Selbststudium im Gefängnis studierte er später mit einem Stipendium Rechtswissenschaften und wurde nun – mittlerweile in Freiheit – auf einen Lehrstuhl an der juristischen Fakultät der Georgetown University in den USA berufen, wie justillion.de berichtet.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fs
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 4. Mai 2017: Freispruch im Fall Niklas / Schweinehaltung illegal? / Theo Zwanziger klagt gegen Freshfields . In: Legal Tribune Online, 04.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22814/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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