Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Börse wegen Insiderhandels. Außerdem in der Presseschau: Wie wird man Trump wieder los und was hat Sexismus mit der juristischen Ausbildung zu tun?
Thema des Tages
StA Frankfurt – Insiderhandel an Frankfurter Börse: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, wegen des Verdachts, illegalen Insiderhandel getrieben zu haben. Kengeter hatte Ende 2015 im Rahmen eines "Vorstandsvergütungsprogramms" Aktien im Wert von 4,5 Millionen Euro gekauft. Kritiker werfen ihm vor, zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnisse über laufende Vertragsverhandlungen der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange gehabt zu haben, deren Bekanntwerden später zu einem Anstieg des Aktienkurses führte. Daher könne Kengeter gegen das Wertpapierhandelsgesetz verstoßen haben. Die FAZ (Daniel Mohr) und das Hbl (Michael Brächer u.a.) berichten.
Michael Brächer (Hbl) meint, dass Unternehmenschefs "Insider qua Definition" sind. Sie ausgerechnet mit Aktien zu entlohnen, sei deshalb keine gute Idee. Dass selbst die Deutsche Börse die "Tücken des Insiderrechts" unterschätze, verdeutliche, dass dieses kaum verständlich sei.
Im Interview mit dem Hbl (Volker Votsmeier) erläutert der Wirtschaftsstrafrechtler André Szesny die rechtlichen Gesichtspunkte des Falls.
Rechtspolitik
Lobbyismus: Die Nicht-Regierungsorganisationen Lobbycontrol und Abgeordnetenwatch haben einen Gesetzentwurf formuliert, mit dem ein Lobbyistenregister eingeführt werden soll. Darin sollen Lobbyisten ihr Budget, ihre Auftraggeber und die kontaktierten Politiker und Beamten nennen müssen. Zur Überprüfung soll ein "Bundesbeauftragter für politische Interessenvertretung" eingeführt werden. Der Entwurf soll am Montag vorgestellt werden, schreibt die SZ (Markus Balser).
Elektronische Fußfessel: Fast alle Bundesländer wollen eine Rechtsgrundlage für den Einsatz der elektronischen Fußfessel bei sogenannten Gefährdern schaffen. Das schreibt die SZ. Unklar sei die Beschlusslage nur in Berlin und Thüringen. In Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg werde schon an Gesetzentwürfen gearbeitet.
community.beck.de (Henning Ernst Müller) fasst die bisherigen Erkenntnisse zum Fall Amri zusammen und diskutiert den Nutzen der geplanten elektronischen Aufenthaltsüberwachung, deren Regelung im BKA-Gesetz verhandelt wird.
Social Bots: netzpolitik.org (Simon Rebiger) berichtet von den Sitzungen der Bundestagsausschüsse für Digitale Agenda und für Technikfolgenabschätzung in der vergangenen Woche, die sich beide mit Social Bots befassten. Die meisten Sachverständigen hätten die Wirkungen von Social Bots für überschätzt gehalten.
Angriffe auf Polizeibeamte: In einem Beitrag für die SZ kritisiert Juraprofessor Tobias Singelnstein die geplante Einführung eines § 114 Strafgesetzbuch, mit dem Angriffe auf Polizeibeamte leichter und härter bestraft werden sollen. Der Entwurf sei nicht nur gefährlich weit gefasst, was den Polizisten eine "Definitionsmacht über die Wirklichkeit" verleihe, sondern letztlich kontraproduktiv: Die Strafandrohung treibe eine Entfremdung zwischen Bürgern und Polizei voran, die die Grundlage der Konflikte bilde, um die es gehe.
Flüchtlingsabwehr: Die europäischen Staats- und Regierungschefs beraten in Malta über den Umgang mit Flüchtlingen. Im Zentrum stehen Pläne, Flüchtlinge in Nordafrika an der Überfahrt nach Europa zu hindern. Die Welt (Manuel Bewarder/Christoph Schiltz) und die taz (Eric Bonse) stellen die Pläne vor.
Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dana Schmalz erwähnt auf verfassungsblog.de einzelne Fragen bezüglich der Rechtmäßigkeit von Grenzschutzmaßnahmen und plädiert dafür, dass die EU vor dem Hintergrund der aktuellen US-Politik "Einigkeit über grundlegende Werte und Vereinbarungen" zeigt. Dies würde auch die "Idee des Flüchtlingsschutzes als einer minimalen weltbürgerlichen Solidarität" beinhalten.
Justiz
EGMR zu nachträglicher Sicherungsverwahrung: Ein Sexualstraftäter, der nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde, ist mit seiner Beschwerde gegen die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung gescheitert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied, dass die Sicherungsverwahrung nicht als Strafe anzusehen sei, sondern im Hinblick auf seine psychische Verfassung erfolgte, so spiegel.de.
BVerfG zu Vaterschaftsfeststellung an Embryonen: Das Bundesverfassungsgericht hat nach einer Meldung von lto.de die Verfassungsbeschwerde eines Mannes nicht zur Entscheidung angenommen, der die Vaterschaftsfeststellung an im Ausland eingefrorenen Embryonen begehrte. Der Beschwerdeführer habe nicht plausibel dargelegt, warum die Feststellung zum Schutz der Embryonen erforderlich sei.
VG München zu Seehofers Abgaswerten: Die Deutsche Umwelthilfe muss über die Abgaswerte der Dienst-Limousine des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer informiert werden. Das hat das Verwaltungsgericht München entschieden. Es folgte damit nicht der Argumentation der bayerischen Staatskanzlei, nach der die Informationen Rückschlüsse auf die Sicherheitsausstattung des Wagens zulassen und daher wegen der erhöhten Terrorgefahr nicht herausgegeben werden könnten. zeit.de und lto.de berichten.
LG Regensburg zu Abgasskandal: Die Welt (Christian Eckl) fasst drei Urteile von verschiedenen Kammern des Landgerichts Regensburg zusammen, in denen es um den VW-Abgasskandal geht. Ein Kläger unterlag, weil er keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hatte. Einer anderen Klage auf Lieferung eines Ersatzwagens wurde stattgegeben. Auch eine Klage direkt gegen den VW-Konzern führte in erster Instanz zum Erfolg.
LG Köln – Schickedanz-Prozess: Der Rechtsstreit zwischen Madeleine Schickedanz und mehreren Firmen, Bankiers und ehemaligen Geschäftspartnern ist nach Meldungen der FAZ (Marcus Jung) und spiegel.de mit einem Vergleich vor dem Landgericht Köln beendet worden. Danach erhält die Quelle-Erbin nur einen Bruchteil der geforderten Summe. Lediglich in einem von 14 Fällen konnte noch keine Einigung gefunden werden.
Nationale Gerichte gegen EuGH: Auf verfassungsblog.de kritisiert Rechtsprofessor Daniel Sarmiento den Umgang des Europäischen Gerichtshofs mit nationalen Verfassungs- und Obersten Gerichten. Dabei verweist er auf die OMT-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Entscheidung des Obersten Gerichts Dänemarks zur Mangold-Rechtsprechung und die Taricco-Entscheidung des italienischen Verfassungsgerichts, die seiner Ansicht nach allesamt eine Unzufriedenheit mit dem EuGH ausdrücken. Um eine Rebellion zu verhindern, müsse der EuGH empathischer gegenüber den nationalen Gerichten werden.
Recht in der Welt
USA – Neil Gorsuch: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Michael Meier stellt auf lto.de den von Donald Trump für den freien Posten am Supreme Court vorgeschlagenen Juristen Neil Gorsuch vor. Zudem wird die Vorgeschichte der unbesetzten Richterstelle und die Bedeutung der Wahl beleuchtet.
USA – Amtsenthebung des Präsidenten: spiegel.de (Almut Cieschinger/Claudia Niesen) beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, die die amerikanische Verfassung vorsieht, um einen Präsidenten vorzeitig aus dem Amt zu entfernen. Diskutiert werden insbesondere die Voraussetzungen und das Verfahren eines Impeachments. Zudem wird auf den 25. Verfassungszusatz hingewiesen, der unter anderem die Amtsnachfolge bei Amtsunfähigkeit regelt. Kritiker von Trump haben vorgeschlagen, sich auf eine psychische Erkrankung des US-Präsidenten zu berufen.
Spanien – Verfassungsrichterwahl: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Daniel Toda Castán beschreibt auf verfassungsblog.de die Geschehnisse im Vorfeld der Wahl von vier Verfassungsrichtern durch den spanischen Senat. Obwohl die Autonomen Regionen seit 2007 ein Vorschlagsrecht haben, hätten die zwei größten Parteien, die konservative Partido Popular (PP) und die Partido Socialista Obrero Español (PSOE), die zu wählenden Richter schon unter sich ausgemacht.
Rumänien – Korruptionsbekämpfung: In Rumänien halten die Massenproteste gegen die geplante Erschwerung der Korruptionsbekämpfung an. Die taz (William Totok) stellt das umstrittene Gesetz vor.
EGMR – Akzeptanzprobleme: Die SZ (Wolfgang Janisch) befasst sich mit Akzeptanzproblemen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In Russland habe jüngst das Verfassungsgericht die Gefolgschaft versagt. Wie sich der EGMR zu den Massenentlassungen in der Türkei verhalten werde, sei noch offen. Aber auch in westlichen Staaten wie dem Vereinigten Königreich, Frankreich und der Schweiz seien Absetzbewegungen zu beobachten.
Juristische Ausbildung
Sexismus in der juristischen Ausbildung: Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Lucy Chebout, Selma Gather und Dana-Sophia Valentiner kritisieren auf juwiss.de Sexismus in der juristischen Ausbildung. Dieser äußere sich unter anderem in stereotypen Sachverhalten, der Ablehnung geschlechtergerechter Sprache und in männlich dominiertem Lehrpersonal. Als Änderungen schlagen die Autorinnen mehr Rechtskritik und die Aufnahme von Genderperspektiven in die rechtswissenschaftliche Lehre vor.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 3. Februar 2017: Ermittlungen in Frankfurter Börse / Amtsenthebung in US-Verfassung / Sexismus im Jurastudium . In: Legal Tribune Online, 03.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21979/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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