Das BVerfG soll nun auch über die Bankenunion entscheiden; eine Gruppe von Ökonomen hat Verfassungsbeschwerde gegen die geplante Bankenaufsicht eingereicht. Außerdem in der Presseschau: BGH zur Postbank-Übernahme, BFH zu Ehegattensplitting, OLG Hamburg zu Martin Walser, weiterer Prozess gegen Rote Khmer und warum man Schüler lieber nicht anleinen sollte.
Thema des Tages
Verfassungsbeschwerde gegen Bankenunion: Eine Gruppe von Ökonomen hat am vergangenen Freitag Verfassungsbeschwerde gegen die geplante Einführung der gemeinsamen Bankenaufsicht durch die EZB beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht.
lto.de (Claudia Kornmeier) führt ein Interview mit dem Initiator und Wirtschaftsprofessor Prof. Dr. Markus C. Kerber zu den Beweggründen der Beschwerdeführer. Die Übertragung der Bankenaufsicht auf ein Gremium der Europäischen Zentralbank sei seiner Ansicht nach ein ultra-vires-Akt, weil der Vertrag über die Arbeitsweise der EU lediglich die Übertragung "besonderer Aufgaben" vorsehe. Seit dem Lissabon-Urteil des BVerfG stellen solche Akte einen Verstoß gegen das Wahlrecht aus Art. 38 I GG dar. Der Beschwerdeführer zieht eine weitere Verfassungsbeschwerde gegen den geplanten gemeinsamen Bankenabwicklungsmechanismus in Erwägung.
Das Handelsblatt (Dorit Heß u.a.) zitiert Wirtschaftsvertreter und Wissenschaftler, die den Erfolg der Verfassungsbeschwerde anzweifeln. Im Interview mit dem Handelsblatt (Yasmin Osman) hält der Regulierungsexperte im Vorstand des Bundesverbands der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken, Gerhard Hofmann, eine mögliche direkte Rekapitalisierung der Banken über den Europäischen Stabilitätsmechanismus für eine Gefahr.
Rechtspolitik
Hochschulfinanzierung: Zur geplanten Grundgesetzänderung, die eine gemeinsame Finanzierung von Hochschulen durch Bund und Länder erleichtern soll, führt die SZ (Roland Preuss) ein Interview mit Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), die die geplante Reform für grundsätzlich richtig hält. Für die vorgesehen Zustimmungspflicht der Länder zur Finanzierung einzelner Projekte hält sie das Erfordernis einer qualifizierte Mehrheit für sinnvoller.
Gewalt gegen Frauen: Am Freitag tritt die Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen in Kraft, die auch Deutschland unterzeichnet hat. Laut taz (Simone Schmollack) sei sich die Bundesregierung nicht sicher, ob Deutschland alle Anforderungen zur Ratifizierung erfüllt. Problematisch seien unter anderem der richterliche Umgang mit häuslicher Gewalt und die unzureichende Pönalisierung sexualisierter Gewalt.
Abschiebehaft: Im Juni hatte der Bundesgerichtshof die Abschiebungshaft von Flüchtlingen für rechtswidrig erklärt, weil die neue Dublin-III-Verordnung nicht umgesetzt worden war. Diese verpflichtet die Mitgliedstaaten, gesetzlich zu regeln, wann eine "objektive Fluchtgefahr" besteht, die Voraussetzung einer Inhaftnahme ist. Wie die FAZ meldet, hat die Bundesregierung diese Forderung bereits in einen Gesetzentwurf eingearbeitet.
Justiz
BGH zur Postbank-Übernahme: Rechtsanwalt Adrian Bingel stellt auf blog.handelsblatt.com eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Übernahme der Deutschen Post durch die Deutsche Bank vor. Die Entscheidung habe wichtige Fragen der öffentlichen Übernahme geklärt, wie zum Beispiel die Zurechnung von schuldrechtlich ausgestalteten Optionen zum Optionsinhaber.
BVerfG – Finanzausgleich: Wolfgang Janisch (SZ) kommentiert die Äußerung des Verfassungsrichters Peter Müller zum Normenkontrollantrag von Bayern und Hessen gegen den Länderfinanzausgleich. Er habe statt einer juristischen eine politische Lösung angeregt. Es sei zwar positiv zu bewerten, dass Müller um die Grenzen des Verfassungsrechts weiß, damit habe er aber eine "richterliche Tugend" vermissen lassen: "Die Demut vor dem Kläger".
BGH zu Werbung: internet-law.de (Thomas Stadler) weist auf die Veröffentlichung eines Urteils des Bundesgerichtshofs hin, das die Kennzeichnung von Printanzeigen zum Gegenstand hatte. Für das Vorliegen von Entgeltlichkeit gemäß § 10 des Landespressegesetzes Baden-Württemberg sei ausreichend, dass der Verleger vorab ein Entgelt erhalte. Zudem stelle das Gesetz eine Marktverhaltensregelung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb dar.
BFH zum Ehegattensplitting: Am gestrigen Mittwoch hat der Bundesfinanzhof den Anspruch auf gemeinsame Veranlagung von gleichgeschlechtlichen Paaren vor Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes verneint, meldet lto.de. § 2 Abs. 8 Einkommenssteuergesetz fordere zwar eine rückwirkende Anwendung der Vorschriften auf Lebenspartner, beschränke sich aber auf die eingetragenen Lebenspartnerschaften, also auf die Zeit nach Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes, so die Auslegung des Gerichts.
BGH zum Auskunftsanspruch: Anfang Juli hat der Bundesgerichtshof (BGH) über einen Auskunftsanspruch eines vermeintlichen biologischen Vaters entschieden, der von der Mutter des Kindes Angaben zum tatsächlichen biologischen Vater verlangt hatte, um bei diesem Regress für den Unterhalt nehmen zu können. blog.beck.de (Hans-Otto Burschel) stellt den Beschluss des BGH dar. Das Gericht leite einen solchen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB her, der nur verneint werden könne, wenn die Mutter nachweist, dass sie "zumutbare Erkundigungen eingeholt hat".
OLG Köln zur Haftung für Links: lawblog.de (Udo Vetter) befasst sich mit einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln zur Haftung für Verlinkungen auf eine fremde Seite. Im vorliegenden Fall klagte ein Wettbewerbsverband gegen den Betreiber einer Seite auf Unterlassung, der einen Link zu einer wettbewerbswidrigen Seite gesetzt hatte. Laut OLG reiche ein Link noch nicht aus, um die Annahme zu begründen, der Linksetzer habe sich mit den Inhalten der verlinkten Seite identifiziert und verneinte den Anspruch.
OLG Hamburg zu Martin Walser: Wie die taz (René Martens) berichtet darf der Publizist Carl Wiemer nach einer Entscheidung des Oberlandesgericht Hamburg den Schriftsteller Martin Walser nicht der Mitgliedschaft in der NSDAP bezichtigen. Wiemer habe seine Behauptung nicht nachweisen können, weil nur ein Bruchteil der Aufnahmeanträge in die NSDAP erhalten sei.
LG Essen- Middelhoff: Gegen Thomas Middelhoff läuft vor dem Landgericht Essen ein Untreue-Prozess wegen Privatflügen, die er sich als Arcandor-Chef mutmaßlich von der Firma bezahlen ließ. Die SZ (Uwe Ritzer) porträtiert den Manager und stellt das Verfahren dar.
OLG München – NSU: Am gestrigen Mittwoch wurden zwei Zeuginnen vor dem Oberlandesgericht München vernommen, die angaben, in den 90ern von Beate Zschäpe angegriffen worden zu sein. Sie hätten Zschäpe aus Jena gekannt und sie als aggressiv beschrieben, berichten unter anderem spiegel.de (Gisela Friedrichsen), die SZ (Tanjev Schultz) und die FAZ (Karin Truscheit). Allerdings sei die Glaubwürdigkeit an manchen Stellen fragwürdig gewesen.
LG München – Ecclestone: Die Zeit (Alina Fichter) bringt einen ausführlichen Hintergrundbericht zum Verfahren gegen den Formel-I-Chef Bernie Ecclestone. Ihm wird vor dem Landgericht München Bestechung und Anstiftung zur Untreue vorgeworfen. Seine Anwälte hätten am Dienstag einen Deal angeboten, den die Staatsanwaltschaft nun prüfe.
NSA: Heribert Prantl (SZ) findet deutliche Worte für die Maßnahmen der Bundesregierung im Abhörskandal um den US-amerikanischen Geheimdienstes NSA. "Die Privatheit von Kommunikationsdaten ist nicht nur gefährdet, sondern beseitigt". Die Bürgerinnen und Bürger seien "datenschutzlos" und die Untätigkeit der Bundesregierung sei ein "Frevel wider den Rechtsstaat".
Recht in der Welt
Kambodscha – Sondertribunal: Die SZ (Ronen Steinke) berichtet, dass vor dem Sondertribunal zur strafrechtlichen Verfolgung von Verbrechen der Roten Khmer in Kambodscha am Mittwoch ein weiteres Verfahren gegen die zwei ranghöchsten Anführer der Roten Khmer eröffnet worden ist. Während der erste Teil sich mit Zwangskollektivierung beschäftigt habe und nun weitgehend abgeschlossen sei, stehen im zweiten Prozess Verbrechen gegen nationale Minderheiten im Vordergrund.
Uganda – Anti-Homosexuellengesetz: Die taz (Simone Schlindwein) berichtet vom Verfahren vor dem ugandischen Verfassungsgericht gegen das Anti-Homosexuellengesetz von 2013. Das Gesetz sehe unter anderem lebenslange Haftstrafen für homosexuelle Handlungen vor und wende sich auch gegen Hilfsorganisationen. Das Verfahren werde am heutigen Donnerstag fortgesetzt.
Sonstiges
Rechtsanwälte: Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung um die Verteidiger von Beate Zschäpe und Gustl Mollath bespricht Rechtsanwalt und ehemaliger Kachelmann-Verteidiger Johann Schwenn in der Zeit die Rolle von Strafverteidigern und das Verhältnis von Verteidiger und Mandant. Die Einigung über das Mandatsverhältnis sollte seiner Ansicht nach so gründlich wie möglich vor der Annahme des Mandats erfolgen.
Marktmacht von Google: Die Zeit (Götz Hamann/Mark Schieritz) führt ein Interview mit Rechtsprofessor Daniel Zimmer, der als Vorsitzender der Monopolkommission derzeit die Markstellung von Google überprüfe. Die Monopolbehörde stehe erst am Anfang ihrer Arbeit, grundsätzlich denkbar sei aber etwa eine Pflicht zur Offenlegung von Suchalgorithmen gegenüber einer Kontrollbehörde, um Marktmissbrauch zu verhindern.
Das Letzte zum Schluss
Schüler an der Leine: Auf einer Klassenfahrt soll eine Lehrerin ihren Schüler an der Leine geführt haben und wurde wegen Freiheitsberaubung angezeigt. Das Landgericht Göttingen habe die Eröffnung des Hauptverfahrens aber abgelehnt, meldet lawblog.de (Udo Vetter).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 31. Juli 2014: Bankenunion vor dem BVerfG – BFH zu Ehegattensplitting – Rote-Khmer-Tribunal . In: Legal Tribune Online, 31.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12738/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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