Der EuGH hat die Voraussetzungen an das Nachforschungsrecht der Behörden bei homosexuellen Asylsuchenden festgelegt. Außerdem in der Presseschau: Pkw-Maut und Europarecht, Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, BVerfG zum Entzug des Sorgerechts, BGH zu Delisting, Prozess im Fall Diren Dede beginnt in den USA und wann man für Diebstahl eine Freiheitsstrafe erhält.
Thema des Tages
EuGH zu Asylrecht für Homosexuelle: Am gestrigen Dienstag hat der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Behörden zwar Fragen nach der sexuellen Orientierung bei Asylsuchenden stellen dürfen, die sich auf die sexuelle Orientierung als Fluchtgrund berufen. Dabei sind ihnen jedoch enge Grenzen gesetzt; intime Fragen nach den sexuellen Praktiken sind verboten. Zudem dürfe die Tatsache, dass ein Asylbewerber sich nicht zu Beginn des Asylverfahrens auf die Homosexualität beruft, nicht als Unglaubwürdigkeit gedeutet werden. Die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath), und spiegel.de (Annette Langer) berichten ausführlich. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Nils Janson erläutert das Urteil auf lto.de.
Die Rechtslage in Deutschland erläutert die taz (Christian Rath) in einem separaten Artikel.
Wolfgang Janisch (SZ) begrüßt das Urteil als richtig und klug: "Wer wirklich verfolgt ist, das lässt sich auch herausfinden, ohne unter der Bettdecke nachzuforschen."
Rechtspolitik
Pkw-Maut: spiegel.de (Dietmar Hipp) führt ein Interview mit dem Wissenschaftlichen Assistenten Walther Michl zur Europarechtskonformität der Pkw-Maut. Geplant ist, nach Einführung der Pkw-Maut für In- und Ausländer, die inländischen Autofahrer durch Senkung der Kfz-Steuer zu entlasten. Die Kopplung der Maut-Einführung an die Steuersenkung hält der Europarechtler nach wie vor für bedenklich: "Man kann es drehen und wenden, wie man will: Am Ende kommt halt eine Diskriminierung heraus."
Aufenthaltsrecht: Das Bundeskabinett soll an diesem Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Reform des Aufenthaltsrechts verabschieden, berichtet die FAZ (Eckart Lohse/Julian Staib). Gut integrierten Jugendlichen soll der Erwerb des Aufenthaltsrechts erleichtert werden; statt bisher sechs, sollen die Jugendlichen nur noch vier Jahre Schulbesuch in Deutschland vorweisen können. Zudem soll das Aufenthaltsrecht für Opfer von Menschenhandel gestärkt werden, während das Verfahren der Abschiebung beschleunigt werden soll.
Frauenquote: Das Gesetzentwurf zur Frauenquote sieht auch eine leistungsbezogene Quote für den öffentlichen Dienst vor, berichtet die taz (Heide Oestreich). Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier habe der Zeitung gegenüber Bedenken ob der Wirksamkeit der Regelung geäußert. Das Erfordernis der gleichen Qualifikation ließe sich im Einstellungsverfahren häufig unterlaufen, so dass der Gesetzestext "offensichtlich gleiche Qualifikation" fordern müsse, um nicht wirkungslos zu bleiben.
Gleichgeschlechtliche Ehe: Vor dem Hintergrund der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Finnland bespricht die wissenschaftliche Mitarbeiterin Sophia Henrich auf verfassungsblog.de, inwiefern sich auch in Deutschland die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen ließe. Neben einer Grundgesetzänderung, sei eine einfachgesetzliche Klarstellung in § 1353 BGB denkbar, was die Gesetzentwürfe der Grünen- und Linken-Fraktion vom vergangenen Jahr vorsehen. Allerdings sei wegen der Interessenspolitik wohl eher eine weitere Angleichung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft an die Ehe zu erwarten.
Justiz
EuGH zu Framing: Rechtsanwalt Philipp Plog bespricht in der FAZ das Bestwater-Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Framing. Danach stellt das Einbetten fremder Inhalte auf der eigenen Internetseite ohne Zustimmung des Urhebers keine Verletzung des Urheberrechts dar, weil der ursprüngliche Inhalt für alle Nutzer veröffentlicht sei und durch das Einbetten kein neues Publikum erreicht werde. Die Konsequenz der Entscheidung sei, dass die Rechteinhaber den Zugriff technisch beschränken müssten. Dies widerspreche dem Grundgedanken des Urheberrechts, wonach die kommerzielle Nutzung einer Lizenz bedarf, selbst wenn der Rechteinhaber keine Schutzschranken errichtet.
BVerfG zu Sorgerecht: Den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Elternrecht von vergangenem Donnerstag stellt nun auch die FAZ (Christian Geyer) dar. Das BVerfG hatte eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm aufgehoben, das einem Vater das Sorgerecht entzogen hatte. Das Gericht hätte sich mit der Kindeswohlgefährdung statt mit der Erziehungsfähigkeit befassen müssen. Zudem dürfen Gerichte sich nicht blind auf Aussagen von Sachverständigen verlassen, sondern müssen sich mit deren Feststellungen auseinandersetzen.
BVerfG zu Drittsendezeit: Wie die FAZ meldet, hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde des Fernsehproduzenten Josef Buchheit nicht zur Entscheidung angenommen. Dieser hatte sich gegen eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz gewandt, das im Eilverfahren die Vergabe von Drittsendelizenzen durch die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz für rechtswidrig erklärt hatte. Dadurch muss der Sender Sat1 vorerst keine Drittsendezeiten an private Anbieter wie Buchheit vergeben.
BGH zu Delisting: Rechtsanwalt Nicolas Paschos erläutert in der FAZ einen Beschluss des Bundesgerichtshofs von vergangenem Jahr zum Delisting börsennotierter Gesellschaften. In Abkehr von bisheriger Rechtsprechung habe der BGH entschieden, dass der Rückzug von der Börse eine Geschäftsführungsentscheidung darstelle, sodass kein Beschluss der Hauptversammlung erforderlich sei. Zudem müsse das Unternehmen den Aktionären kein Abfindungsangebot mehr machen.
BSG zu Arbeitsunfall: Das Bundessozialgericht hat im Juni dieses Jahres entschieden, dass Arbeitnehmer bei einer Weihnachtsfeier nur dann gesetzlich unfallversichert sind, wenn die Feier vom Arbeitgeber initiiert worden war. Im Fall der Klägerin, die sich bei der Feier eine Oberschenkelfraktur zugezogen hatte, sei die Feier dagegen auf eigenen Antrieb von den Mitarbeitern veranstaltet worden. Das meldet die FAZ.
LAG Baden-Württemberg zu Heckler & Koch-Kündigungen: Martin Buchenau (Handelsblatt) kommentiert den Vergleich im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gegen die Kündigungsschutzklage zweier Mitarbeiter der Rüstungsfirma Heckler & Koch. Das Unternehmen hatte zwei Mitarbeitern gekündigt, gegen die Ermittlungen wegen illegaler Waffenlieferungen nach Mexiko laufen, nun aber die Kündigungen vorerst zurückgenommen. Buchenau fordert einen baldigen Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen: "Die Staatsanwälte sollten im Interesse aller Beteiligten jetzt einen Zahn zulegen".
OLG München – NSU: Am heutigen Mittwoch wird der Zeuge Carsten Sz. im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München vernommen. Wie spiegel.de (Julia Jüttner) und zeit.de (Tom Sundermann) berichten, soll er als langjähriger V-Mann dem Verfassungsschutz bereits 1998 einen Hinweis auf das NSU-Trio gegeben haben und gilt als einer der wichtigsten Zeugen des Prozesses. Am gestrigen Dienstag wurde sein ehemaliger Arbeitgeber und Freund Michael P. vernommen, der Carsten Sz. nach dessen Haftentlassung in seinem Geschäft für die Neonazi-Szene beschäftigt hatte. Zudem meldet spiegel.de, dass der Befangenheitsantrag der Angeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben gegen den Vorsitzenden Manfred Götzl vom OLG zurückgewiesen wurde.
USA – Diren Dede: Am Montag hat vor dem Bezirksgericht von Missoula im US-Bundesstaat Montana der Prozess gegen den Hausbesitzer Markus K. begonnen, der im April den Austausschüler Diren Dede aus Hamburg in seiner Garage erschossen hatte. Der wegen vorsätzlichen Mordes angeklagte Markus K. beruft sich auf Notwehr, weil er sich bedroht gefühlt habe. Die FAZ (Christiane Heil) und die taz (Henriette Löwisch) stellen den Fall ausführlich dar und berichten von der Auswahl der zwölfköpfigen Jury.
EuGH verhängt Sanktionen: Wie lto.de meldet, hat der Europäische Gerichtshof gegen Italien und Griechenland Sanktionen verhängt, weil sie die Vorgaben aus früheren Urteilen zum Umgang mit Abfällen nicht umgesetzt hätten. Der EuGH habe bereits 2005 festgestellt, dass die beiden Länder gegen die Abfall-Richtlinie verstießen.
USA – Bleiberecht: Christoph Tometten erläutert auf juwiss.de die von US-Präsident Barack Obama vorgestellten Änderungen zum Aufenthaltsrecht in den USA und vergleicht sie mit der deutschen Rechtslage. Die geplante Aussetzung der Abschiebung für bestimmte Gruppen sei der Duldung in Deutschland ähnlich und beinhalte keine Aussicht auf eine Aufenthaltserlaubnis. Dagegen sei der Erwerb der Staatsangehörigkeit in den USA leichter, wofür die Geburt im Inland anders als in Deutschland genüge.
Sonstiges
Verbotene Kennzeichen: Auf lto.de stellt Regierungsamtsrat Adolf Rebler die Rechtslage bei der Vergabe von Kfz-Kennzeichen dar. Zudem erklärt der Autor die Handlungsmöglichkeiten von Behörden bei Verwendung von "politisch fragwürdigen Botschaften" in den Nummernschildern, wie etwa Abkürzungen mit nationalsozialistischem Hintergrund.
Das Letzte zum Schluss
Freiheitsstrafe für Wodka-Diebstahl: Der Diebstahl einer Wodkaflasche im Wert von 4,99 Euro kam einem Mann teuer zu stehen, der sie aus einem Lebensmittelgeschäft entwenden wollte. Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte den Mann zu fünf Wochen Haft. Wegen der vielen Vorstrafen sei die Verhängung einer Haftstrafe ohne Bewährung auch bei geringwertigen Sachen gerechtfertigt. Das meldet welt.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 3. Dezember 2014: EuGH zu Asylrecht für Homosexuelle – BVerfG zu Sorgerecht – Prozess im Fall Diren Dede . In: Legal Tribune Online, 03.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13992/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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