Hat der Krankenpfleger Niels H. mehr Menschen getötet als jeder deutsche Serienmörder? Das muss das LG Oldenburg entscheiden. Außerdem in der Presseschau: BGH verhandelte über Christoph Böhr, die Befangenheit von Verfassungsrichtern, kirchliche Einrichtungen mit staatlicher Finanzierung - und warum eine Düsseldorfer Mutter nach einer Party gegen ihren Sohn Strafantrag stellte.
Thema des Tages
LG Oldenburg - Rettungsrambo: Der Krankenpfleger Niels H., gegen den derzeit vor dem Landgericht Oldenburg wegen Mordes verhandelt wird, hat möglicherweise bis zu 200 Patienten getötet. Er habe jeweils ein überdosiertes Herzmittel verabreicht, um sich dann bei Reanimationsmaßnahmen auszeichnen zu können. Unter Kollegen habe er den Beinamen "Rettungsrambo" gehabt. Weil die Taten zu spät angeklagt wurden, ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück jetzt auch wegen Strafvereitelung gegen zwei Oldenburger Staatsanwälte. Das Landgericht forderte Niels H. nachdrücklich auf, über ein Geständnis nachzudenken. Die FAZ (Reinhard Bingener) und spiegel.de (Julia Jüttner) informieren über den bisherigen Prozessverlauf.
Rechtspolitik
Mord: Rechtsprofessor Michael Kubiciel beteiligt sich auf lto.de an der Diskussion um die Reform des Mord-Paragrafen im Strafgesetzbuch. Er schlägt vor, den Mord künftig als Grundtatbestand und den Totschlag als Privilegierung zu konstruieren.
Abschiebung: Bundesweit wird nur etwa jeder zehnte abgelehnte Asylbewerber in sein Heimatland abgeschoben. Die Welt (Manuel Bewarder/Claudia Kade) diskutiert, ob die Quote im grün-rot-regierten Baden-Württemberg noch geringer ist. Das Bundesinnenministerium plane jedenfalls gesetzliche Regelungen, die die Zahl der Abschiebungen steigern sollen.
Justiz
StA Paderborn - Corelli: Der rechte V-Mann Thomas R. (Deckname Corelli) starb an einem Zuckerschock ohne Fremdeinwirkung. Das konstatierte nun abschließend die Staatsanwaltschaft Paderborn und stellte das Todesermittlungsverfahren ein, meldet die taz. Die Krankheit sei für Außenstehende nicht erkennbar gewesen. Der überraschende Tod "Corellis" verhinderte eine Aussage im NSU-Prozess.
OLG München - NSU/Befangenheit: Die Verteidigung von Beate Zschäpe hat im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München zum sechsten Mal einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl gestellt, meldet spiegel.de. Götzl sei bereits auf eine Verurteilung festgelegt.
BGH - Böhr/Untreue: Der Bundesgerichtshof verhandelte über die Revision des ehemaligen rheinland-pfälzischen CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Christoph Böhr gegen eine Verurteilung wegen Untreue. Ihm wird vorgeworfen, dass er im Wahlkampf 2006 Parteiaufgaben mit Fraktionsgeld bezahlt und so vielfältigen Schaden bei seiner Partei verursacht habe. Die taz (Christian Rath) berichtet über Vorgeschichte und Verhandlung. Das Urteil soll am 11. Dezember verkündet werden.
BVerwG zu Informationsanspruch: Journalisten können unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes erfahren, wieviele und welche Füller, Ipods und Digitalkameras sich Abgeordnete auf Kosten des Bundestags für ihre Ausstattung zulegen. Das entschied laut lto.de das Bundesverwaltungsgericht. Kein Anspruch auf Auskunft besteht aber, wenn nach den Anschaffungen eines konkreten Abgeordneten gefragt wird.
BVerwG zu Sonntagsarbeit: Nun berichtet auch lto.de (Pia Lorenz) über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Eindämmung der Sonntagsarbeit. Daniel Deckers (FAZ) lobt das Urteil: "Als Kollektivgut muss die kulturelle Errungenschaft namens Sonntag der Beliebigkeit entzogen bleiben."
BVerfG - Joachim Rottmann/Befangenheit: Aus Anlass des jetzt bekanntgewordenen Todes des Ex-Verfassungsrichters Joachim Rottmann erinnert Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) an das Verfahren um den deutsch-deutschen Grundlagenvertrag Anfang der 70er-Jahre. Bayern hatte gegen den Vertrag geklagt und den liberalen Richter Rottmann zweimal (davon einmal erfolgreich) wegen Befangenheit abgelehnt, um eine konservative Senatsmehrheit herbeizuführen. Steinbeis vertritt die Auffassung, dass Verfassungsrichter nur dann befangen sein können, wenn sie nicht mehr offen für Argumente sind.
Recht in der Welt
Türkei - Freiheitsabbau: Die Welt (Boris Kalnoky) schildert neue Pläne der türkischen Regierung, die Verhaftung von Bürgern zu erleichtern und das Demonstrationsrecht einzuschränken. Außerdem fordere Staatspräsident Erdogan die Bürger auf, sich gegenseitig zu bespitzeln.
Nigeria - Zwangsheirat und Notwehr: In Nigeria steht ein 14-jähriges Mädchen vor Gericht, das kurz nach der Hochzeit seinen 21 Jahre älteren Mann sowie drei weitere Menschen durch vergiftetes Essen getötet haben soll. Anhand des Falles wird diskutiert, wie sich junge Mädchen gegen Zwangsheiraten und eheliche Vergewaltigungen wehren können, meldet sueddeutsche.de.
EGMR - Russland und Ukraine: Der Wissenschaftler Kanstantsin Dzehtsiarou gibt auf verfassungsblog.de einen Überblick über Verfahren am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die die Konflikte in der Ukraine betreffen. In zwei Verfahren hat die Ukraine Beschwerde gegen Russland erhoben. Zudem sind rund 160 Individualbeschwerden anhängig.
Sonstiges
Kirche und Geld: Der Dozent Georg Neureither verteidigt auf verfassungsblog.de die Religionsfreiheit gegen populäre Relativierungen. Eine Religion verliere nicht den grundrechtlichen Schutz, wenn mit ihr Geld verdient werden kann. Außerdem müsse eine Religionsgemeinschaft, deren Einrichtungen vom Staat finanziert werden, diese deshalb nicht verweltlichen.
Das Letzte zum Schluss
AG Düsseldorf - Partyschäden: Eine Mutter hatte ihrem 24-jährigen Sohn verboten, während ihrer Abwesenheit im elterlichen Haus Partys zu feiern. Der Sohn lud dennoch 15 Gäste ein. Das Fest führte unter anderem zu Kratzspuren in der Dusche. Die Mutter war empört und zeigte den Sohn sowie weitere Partygäste wegen Sachbeschädigung an. Wegen Schwierigkeiten bei der Beweisaufnahme wurde das Verfahren am Amtsgericht Düsseldorf letztlich eingestellt. Detailreich berichten die SZ (Jannis Brühl), spiegel.de und Bild (Oriana von Hahn). Schlussfolgerung der SZ (nur online): "Das seit langem nötige Grundsatzurteil darüber, in welchem Ausmaß junge Leute das Haus ihrer Eltern verwüsten dürfen, steht also weiter aus."
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. November 2014: Rettungsrambo vor Gericht – Rottmann und die Befangenheit – Religionsfreiheit und Geld . In: Legal Tribune Online, 28.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13949/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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