Das OLG Dresden gibt Eltern ohne Kita-Platz keinen Schadensersatzanspruch für entgangene Einnahmen. Außerdem in der Presseschau: Erklärung über "Rechte und Pflichten der Menschheit" geplant und Verfahren gegen Marco Reus wird eingestellt.
Thema des Tages
OLG Dresden zu fehlendem Kita-Platz: Wenn eine Kommune ihre Pflichten verletzt und für Kleinkinder nicht genügend Kita-Plätze bereithält, dann haben Eltern, die zu Hause bleiben, um das Kind selbst zu betreuen, keinen Anspruch auf Verdienstausfall. Das entschied jetzt das Oberlandesgericht Dresden. Anspruch auf einen Kita-Platz habe nämlich nur das Kind, nicht die Eltern. Es gehe um frühkindliche Förderung, nicht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Darüber berichten unter anderem Tsp (Ursula Knapp), SZ (Annette Zoch) und spiegel.de.
Heribert Prantl (SZ) hält das Urteil für rabulistisch. "Die Richter verkennen den Lebenszusammenhang. Der Verdienstausfall der Eltern ist ein Folgeschaden der Amtspflichtverletzung." Der BGH solle das Dresdner Urteil korrigieren. Auch Parvin Sadigh (zeit.de) kritisiert die Entscheidung: "Wenn man realistisch ist, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie der Hauptgrund für die meisten Eltern, ihre Kleinkinder in eine Krippe zu geben."
Rechtspolitik
Menschheitsrechte: Frankreichs Präsident Francois Hollande hat eine Diskussion über eine "Allgemeine Erklärung der Menschheitsrechte" angestoßen. Der französische Philosophie-Professor Charles Sarka beschreibt in der SZ seine Überlegungen als Vordenker dieser Debatte. Zentral seien zwei Prinzipien: die Nichtzurechenbarkeit der Erde und die Verantwortlichkeit für die Menschheit. Es gehe also um "Rechte und Pflichten" der Menschen. "Die Erde gehört uns nicht, wir gehören ihr."
Schiedsgerichte zum Investorenschutz: Die EU-Kommission verhandelt derzeit mit mehr als einem Dutzend Staaten über Freihandelsabkommen, die auch Schiedsverfahren zum Investorenschutz vorsehen. Das berichtet die taz (Anja Krüger).
EU-Datenschutz: Die deutsche Konferenz der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern stellt Forderungen an die geplante EU-Datenschutz-Grundverordnung. Die Prinzipien der Datensparsamkeit und der Zweckbindung von Daten dürften nicht aufgeweicht werden, referiert die taz.
Asylrecht: Innen-Staatsekretärin Emily Haber hat am Dienstag den anderen Ressorts der Bundesregierung Vorschläge "zur Eindämmung der Asylmigration" übermittelt. Unter anderem soll die maximale Aufenthaltszeit in Erstaufnahmeeinrichtungen von drei auf sechs Monate verlängert werden, um Verfahren dort abschließen zu können, berichtet spiegel.de.
Nun analyisert auch die FAZ (Alexander Haneke), dass die Einstufung von Staaten als "sichere Herkunftsstaaten" das Asylverfahren kaum beschleunige und vor allem symbolische Bedeutung habe.
Wahlrecht: Die Fünf-Prozent-Hürde und andere grundlegende Fragen des Wahlrechts sollten künftig im Grundgesetz geregelt werden. Das fordert Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in seinem Buch "Unser Staat, unsere Geschichte, unsere Kultur", wie lto.de meldet.
Suizidhilfe: Nun beschäftigen sich auch FAZ (Helene Bubrowski) und SZ (Matthias Drobinski u.a.) mit Gutachen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zur geplanten Regelung der Suizidhilfe. Die Gutachten halten drei der vier vorliegenden Gesetzentwürfe für verfassungswidrig. Danach seien Regelungen, die die "geschäftsmäßige" Suizidhilfe mit Strafe bedrohen wollen, zu unbestimmt. Außerdem dürfe der Bund nicht in das ärztliche Standesrecht eingreifen, denn das Berufsrecht sei eine Landesmaterie.
Arbeitsrecht an Hochschulen: Der Anwalt Cornelius Richter und der Ökonomie-Professor Gert G. Wagner kritisieren in der FAZ den Referentenentwurf des Bundesbildungsministeriums für Änderungen am Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Die Rechtsunsicherheit, unter welchen Voraussetzungen Wissenschaftseinrichtungen ihre Mitarbeiter befristet anstellen können, werde nach dem neuen Gesetz auf Jahre hinaus erheblich sein.
Justiz
VG Karlsruhe - Verdeckter Ermittler: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe deutete an, dass es der Klage von sieben linken Aktivisten aus Heidelberg gegen den Eisatz des Verdeckten Polizei-Ermittlers Simon Brenner stattgeben wird. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers hätten nicht vorgelegen, referieren spiegel.de und taz (Nina Bust-Bartels).
AG Bückeburg - Beleidigung der Polizei: Das Amtsgericht Bückeburg hat das Verfahren gegen eine junge Frau wegen Beleidigung der Polizei gemäß § 154 Strafprozessordnung eingestellt, weil sie schon wegen Körperverletzung verurteilt worden war. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht eine Verurteilung wegen Tragens eines Buttons mit der Abkürzung "FCK CPS" aufgehoben. Der nun beantragte Freispruch blieb ihr jedoch verwehrt, meldet der Blog fachanwalt-fuer-it-recht (Ralf Möbius).
OVG Lüneburg - Fahrgeschäfte und Normung: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg muss entscheiden, ob die neue EU-Norm für Fahrgeschäfte auch für alte Achterbahnen gilt, die nur die bisherige Norm erfüllen. Über den Rechtstreit berichtet die SZ (Alessandra Schellnegger).
BAG zu Streik-Schadensersatz: Der Anwalt Bernd Weller analysiert auf dem Handelsblatt-Rechtsboard das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das am Dienstag drittbetroffenen Fluggesellschaften nach einem Fluglotsenstreik Schadensersatz verwehrte. Der Autor sieht darin eine Privilegierung der Gewerkschaften gegenüger den üblichen Schadensersatzregeln. Dies sei nur hinnehmbar, wenn der Gesetzgeber im Gegenzug die Pflicht zur Notversorgung während eines Streiks in der Daseinsvorsorge regele.
BGH zu Patentrecht: Der Anwalt Johannes Graf Ballestrem bespricht auf lto.de die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Dienstag, mit der das Apple-Patent zum Entsperren von Smartphones über einen virtuellen Touchscreen-Schieberegler für nichtig erklärt wurde. Die grafische Lösung sei naheliegend gewesen und daher keine Erfindung. "Damit bestätigt Karlsruhe den Trend, dass in Deutschland grundsätzlich hohe Anforderungen für die Patentierbarkeit von computerimplementierten Erfindungen gelten."
Rassistische Äußerungen: Die SZ (Catrin Gesellensetter) gibt einen Überblick über Urteile zu straf- und vor allem arbeitsrechtlichen Folgen von rassistischen Äußerungen.
Recht in der Welt
Guatemala - Ex-Diktator: Der Prozess gegen Guatemalas Ex-Diktator Efraín Ríos Montt wird ab Januar 2016 ohne den Angeklagten stattfinden, weil dieser inzwischen für dement erklärt wurde. Stattdessen werde er durch seine Anwälte vertreten, meldet die FAZ.
Sonstiges
Schwarzarbeit: Die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist Aufgabe der Finanzkontrolle Schwarzarbeit mit 6.700 Ermittlern. Die SZ (Gianna Niewel/Klaus Ott) schildert, wie deren engagierte Arbeit immer wieder frustriert wird, weil Verfahren im "Flaschenhals der Justiz" hängen bleiben.
Supermarkt: Die SZ (Pauline Schinkels) beantwortet zahlreiche Rechtsfragen zum Einkaufen im Supermarkt. So sei es erlaubt, die Qualität von Obst durch "vorsichtiges Betasten" zu überprüfen. Dagegen dürften kaputte Eier im Eier-Karton nicht durch heile Eier ersetzt werden.
Das Letzte zum Schluss
StA Dortmund - Marco Reus: Wie Bild (Jörg Weiler/Frank Schneider) berichtet, plant die Staatsanwaltschaft Dortmund, das erneute Verfahren gegen Fußballer Marco Reus einzustellen. Nachdem er in einem ersten Verfahren wegen Fahrens ohne Führerschein zu einer Geldstrafe von 540.000 Euro verurteilt wurde, gab es zahlreiche Strafanzeigen, wonach Reus noch viel häufiger ohne Führerschein gefahren sei. In einem neuen Strafverfahren überprüfte die Staatsanwaltschaft die Angaben und kam zum Ergebnis, dass die Beschuldigungen haltlos waren. Teilweise war Reus zum fraglichen Zeitpunkt mit der Nationalmannschaft im Ausland unterwegs.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 27. August 2015: Kein Verdienstausfall für Eltern – Erklärung der Menschheitsrechte – Marco Reus war's nicht . In: Legal Tribune Online, 27.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16722/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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