Der Streit zwischen Bayer 04 Leverkusen und dem Teldafax-Insolvenzverwalter endet durch Vergleich. Außerdem in der Presseschau: grundgesetzkonforme Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte und entschädigungslose Mehrarbeit bei der Feuerwehr.
Thema des Tages
OLG Köln zu Teldafax-Insolvenz: Zwischen 2007 und 2010 warb der mittlerweile insolvente Stromanbieter Teldafax auf den Trikots des Fußball-Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen. Weil das Sponsorengeld auch noch floss, als die Insolvenz längst ruchbar war, forderte der Insolvenzverwalter im April 2013 vom Verein 16 Millionen Euro zurück und obsiegte in erster Instanz vor dem Landgericht Köln. Nach Informationen des Handelsblatts (Jürgen Flauger/Sönke Iwersen) ist das vor dem Oberlandesgericht Köln anberaumte Berufungsverfahren nun durch einen Vergleich beendet worden. Der Klub verpflichte sich zur Rückerstattung von 13 Millionen Euro. Ein weiterer Beitrag des Handelsblatts (Jürgen Flauger/Sönke Iwersen) legt dar, dass der Klub nicht der einzige Gegner des Insolvenzverwalters Biner Bähr sei. Bundesweit verklage er hunderte Strom- und Gasnetzbetreiber auf Rückzahlung von mehr als 200 Millionen Euro. Von den Finanzbehörden seien bereits rund 100 Millionen Euro an Stromsteuern zurückerstattet worden. Ein Urteil im Strafverfahren gegen die ehemaligen Vorstandschefs von Teldafax vor dem Landgericht Bonn werde nicht vor Ende des Jahres erwartet.
Im Kommentar macht Sönke Iwersen (Handelsblatt) auf den "Dilettantismus" des Fußballvereins aufmerksam. Dessen Imageschaden falle letztlich auch auf den "Weltkonzern mit Weltrenommee" Bayer, in dessen hundertprozentigem Eigentum die Fußball GmbH Bayer 04 steht, zurück.
Rechtspolitik
Versammlungsfreiheit: Aus Anlass der Ausschreitungen im sächsischen Heidenau zeichnet Reinhard Müller (FAZ) die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungs- und zur Versammlungsfreiheit nach. Das Karlsruher Gericht habe sich bewusst für die Kraft der freien Auseinandersetzung "als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien" ausgesprochen und dabei grundsätzlich auch die Kundgabe eben dieser menschenverachtenden Losungen als schutzwürdig erachtet. Dass auch Gegner der Einquartierung von Flüchtlingen das Recht hätten, ihre Meinung zu äußern, gehöre "zu den Werten des Staates, in den die Flüchtlinge bewusst geflohen sind".
Nach Heribert Prantl (SZ) ist es zwar legitim, "beim Demonstrieren seine eigene Blödheit" unter Beweis zu stellen. Die jüngsten Ausschreitungen hätten diese Grenze jedoch überschritten. Zwar könne die Demokratie "aggressive Aufzüge zur Not aushalten", die häufig traumatisierten Flüchtlinge besäßen diese Fähigkeit aber nicht. Zu ihrem Schutz bedürfe es daher eines Sicherheits- und Schutzabstandes vor Flüchtlingsunterkünften, der behördlich gesichert werden müsse.
Asylrecht: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für eine Umsetzung des gemeinsamen Asylrechts in Europa ausgesprochen. Hierzu gehörten etwa die Realisierung von Mindeststandards bei der Unterbringung, aber auch eine gemeinsame Definition sicherer Herkunftsstaaten. Es berichtet u.a. spiegel.de.
Aufsichtsräte: Mehr als die Hälfte der deutschen Mittelstandsunternehmen besitzen trotz entsprechender gesetzlicher Vorgaben keinen Aufsichtsrat. Die Beteiligung von Beschäftigtenvertretern an diesem Kontrollgremium laufe somit leer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Jena, zu der die FAZ (Joachim Jahn) berichtet.
In einem separaten Kommentar schlägt Joachim Jahn (FAZ) vor, als Konsequenz "das sogenannte Drittbeteiligungsgesetz abzuspecken". "Ob mit oder ohne Beteiligung der Beschäftigten" sei ein Aufsichtsrat als Kontrollgremium bei Unternehmen dieser Größenordnung häufig schlicht überflüssig.
Datenschutz: In einem Gastkommentar für das Handelsblatt fordert Nadine Schön, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, eine zurückhaltende datenschutzrechtliche Regulierung. Nur durch einen digitalen Binnenmarkt in Europa und ein dazugehöriges einheitliches Datenschutzrecht könne gewährleistet werden, dass Europa bei der Entwicklung neuartiger Geschäftsmodelle nicht abgehängt werde. Voraussetzung sei eine realistische Wahrnehmung der bereits erreichten digitalen Durchdringung zahlreicher Lebensbereiche.
Justiz
BVerfG – Tarifeinheit: Bereits in einigen Wochen wird das Bundesverfassungsgericht zu Eilanträgen dreier Gewerkschaften gegen das seit Juli in Kraft befindliche Tarifeinheitsgesetz entscheiden. Die taz (Christian Rath) stellt die Positionen der Antragsteller und das Verfahren im verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutz vor. Verfassungsbeschwerden weiterer Gewerkschaften seien ebenfalls anhängig gemacht worden, dieses Hauptverfahren werde aber nicht vor Juli 2016 beginnen.
BGH zu Insolvenzanfechtung: Weder eine Ratenzahlung als solche noch die stockende Begleichung einer relativ geringfügigen Forderung begründen die nach § 133 Insolvenzordnung erforderliche Kenntnis eines Gläubigers als Voraussetzung der Insolvenzanfechtung nach der genannten Norm. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom April. Eine ausführliche Darstellung des Urteils bringt das Handelsblatt-Rechtsboard (Heribert Hirte) und stellt auch andere einschlägige Entscheidungen vor.
LG Mainz – Carsten Frigge: Ab dem 25. September muss sich der frühere Hamburger Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) vor dem Landgericht Mainz gegen eine Schadensersatz-Forderung der rheinland-pfälzischen CDU verteidigen. Der Landesverband verlange 770.000 Euro zurück, die ihr wegen illegaler Finanzierung eines von Frigge gemanagten Wahlkampfes als Strafe auferlegt wurden. Die taz-Nord (Sven-Michael Veit) fasst die Affäre zusammen.
VG Düsseldorf zu Mehrarbeit: Vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf ist ein Feuerwehrmann mit dem Versuch gescheitert, die Stadt zur Zahlung von 8.500 Euro für Mehrarbeit zu verpflichten. Wie lto.de berichtet, hatte der Kläger eine Einverständniserklärung zur Überschreitung der nach einer EU-Richtlinie zulässigen Höchstarbeitszeit widerrufen und eine nicht ordnungsgemäße Umsetzung dieser Richtlinie geltend gemacht. Diese Frage habe das Gericht jedoch nicht behandelt. Die Klageabweisung sei dagegen mit einem treuwidrigen Handeln des Klägers, der jahrelang entsprechend seiner Einverständniserklärung gearbeitet hatte, begründet worden.
VSP im Wald: Die FAZ (Rüdiger Soldt) berichtet zu anhaltenden gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen baden-württembergischen Waldbauern und Mountainbikern. Deren Unfälle würden bislang in einigen Fällen Schadensersatzforderungen gegen Bauern wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflichten in bewirtschafteten Wäldern nach sich ziehen.
JVA Brandenburg zu Horst Mahler: Die Leitung der JVA Brandenburg/Havel lehnt in einem der taz vorliegenden Gutachten die vorzeitige Entlassung Horst Mahlers, der seit 2009 eine zehnjährige Haftstrafe wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung verbüßt, ab. Der 79-jährige frühere Anwalt stehe nach Einschätzung der Anstaltsleitung "unbeirrt zu seiner Gesinnung" und könne im offenen Vollzug "einschlägige Straftaten begehen".
Bausparverträge: Nach einem Hintergrundbericht des Handelsblatts (E. Atzler/M. Streit/R. Reichel) beschäftigt die Praxis zahlreicher Bausparkassen, wegen der aktuellen Zinsentwicklung Verträge nach Erreichen der Zuteilungsreife zu kündigen, mehrere Gerichte. Die Kassen beriefen sich auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Bürgerliches Gesetzbuch, Verbraucherschützer und Anwälte von betroffenen Bausparern würden dagegen die Anwendbarkeit der Norm bestreiten. Erst ein im kommenden Jahr zu erwartendes Urteil des Bundesgerichtshofs könne Rechtssicherheit schaffen.
Schiedsgerichte: Unter der Überschrift "Schlichter statt Richter" berichtet das Handelsblatt (Anja Stehle) über die steigende Bedeutung von Schiedsgerichten. Stellen wie der Ombudsmann für Versicherungen erfreuten sich wachsender Beliebtheit bei der Lösung kleiner Streitigkeiten. Die Umsetzung einer europäischen Richtlinie aus dem Jahr 2013, nach der ein dichtes Netz an Schlichterstellen für Verbraucherangelegenheiten eine rasche Abwicklung derartiger Verfahren sicherstellen soll, scheitere in Deutschland bislang noch am Streit über die Finanzierung. Bettina Limperg, die Präsidentin des Bundesgerichtshofs kritisiere, dass hierdurch die Entwicklung des Verbraucherschutzrechts der gerichtlichen Einflussnahme entzogen werde.
Recht in der Welt
Saudi-Arabien – Todesstrafe: In Saudi-Arabien wurden zwischen August 2014 und Juli 2015 175 Menschen hingerichtet. Die Hälfte der Betroffenen waren Ausländer, so ein Bericht von Amnesty International, über den spiegel.de schreibt. Die meisten der durch Enthauptungen oder Erschießungen vollzogenen Hinrichtungen fänden öffentlich statt.
Thailand – Ausbeutung: Vor einem Gericht in Bangkok/Thailand muss sich der britische Aktivist Andy Hall wegen Verleumdung verantworten. Er hatte in einem Bericht menschenunwürdige Arbeitsbedingungen einer großen thailändischen Obstfirma angeprangert, schreibt das Handelsblatt (Frederic Spohr). Nicht nur das Unternehmen, auch die thailändische Regierung betrachte das Wirken des Aktivisten als rufschädigend.
Sonstiges
Gewalt gegen Flüchtlinge: In einem Gastbeitrag für zeit.de legt Thomas Galli, Kriminologe und Leiter zweier sächsischer Justizvollzugsanstalten, Erkenntnisse zu Ursachen von gewalttätigen Übergriffen gegenüber Flüchtlingen dar und Wege, Tätern effektiver entgegenzutreten.
Gerechte Strafe: Strafverteidiger Klaus Volk räsoniert in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt über gerechte Strafen. Bei der Bestimmung helfe die Mathematik ebenso wenig wie die Lieblingserkenntnis von Juristen, nach der es darauf ankomme. Denn könne in Ermangelung genereller Regeln oft noch nicht einmal gesagt werden, worauf es denn nun ankomme. Dagegen würden die oft beschworenen "Umstände des Einzelfalls" von den "letztlich doch sehr fein" mahlenden Mühlen der Justiz die schwerer und leichter erscheinenden Umstände des zu entscheidenden Falles häufig "recht gut" scheiden.
Kundendaten: Die bayerische Datenschutzbehörde verhängte kürzlich ein Bußgeld wegen Verstößen gegen den Datenschutz bei der Übertragung von Kundendaten anlässlich eines sogenannten Asset Deals. Weil bei diesem sämtliche wirtschaftlich relevanten Güter eines Unternehmens – also auch personenbezogene Daten – an den Erwerber übertragen werden, lauern bei einem solchen Geschäft zahlreiche datenschutzrechtliche Fallstricke. Für lto.de klärt Rechtsanwalt Karsten Krupna Einzelheiten auf und erläutert, wie Übertragungen rechtskonform ablaufen können.
Kündigungen: Welche Rechte Arbeitnehmer haben, die befürchten, wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten gekündigt zu werden, erläutert die Welt (Kristin Kruthaup).
Für zeit.de erläutert dagegen Rechtsanwalt Ulf Weigelt, wie ein Arbeitgeber eine bereits ausgesprochene Kündigung zurücknehmen kann.
Sexting: Der Kanzleiblog ferner-alsdorf.de (Jens Ferner) stellt Problemlagen und juristische Lösungsansätze zum "Sexting", verstanden als digitales Versenden eigener Nacktaufnahmen, vor.
Das Letzte zum Schluss
Happy Birthday: Musiklabels leiden seit geraumer Zeit unter gesunkenen Einnahmen. Geht es nach dem Willen US-amerikanischer Kläger, sollen dem Warner-Verlag zukünftig auch die mit 1,7 Millionen Euro pro Jahr bezifferten Einnahmen für den Klassiker "Happy Birthday to You" flöten gehen. Wie die taz schreibt, wollen die Kläger herausgefunden haben, dass das Lied 1922 ohne urheberrechtlichen Schutz veröffentlich wurde.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. August 2015: Bayer 04 vergleicht sich – Versammlungsfreiheit für alle? – Mehrarbeit bei der Feuerwehr . In: Legal Tribune Online, 25.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16694/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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