Die mangelhafte Strafverfolgung von KZ-Wachmännern sei eine Folge fehlender Empathie mit den Opfern, meint der Spiegel in seiner Titelgeschichte. Außerdem in der Presseschau: Widersprüchliche Signale zur Leihmutterschaft, Mollath wagt die Revision, 72-jährige Frau soll Sexualpartner nennen, Schweiz ermittelt gegen Stuttgarter Anwalt - und warum eine Sex-Schaukel nicht quitschen sollte.
Thema des Tages
KZ-Wachleute: In seiner Titelgeschichte beschreibt der Spiegel (Klaus Wiegräfe - Kurzfassung) wie auch die jüngste Welle von Ermittlungen gegen ehemalige Wachleute des Vernichtungslagers Auschwitz im Sande verläuft. Von 30 neuen Ermittlungsverfahren sind alle bis auf acht bereits wieder eingestellt, überwiegend weil die Beschuldigten inzwischen verstorben oder nicht verhandlungsfähig sind. Eingeweihte rechnen damit, dass es nur zu zwei Prozessen kommen könnte. Bisher seien von rund 6.500 Wachleuten in der Bundesrepublik nur 29 und in der DDR 20 verurteilt worden, dazu rund 700 in Polen. In Westdeutschland seien nicht die Widerstände zu groß gewesen, sondern das Interesse zu gering, so die zentrale These des Artikels. "Der Massenmord von Auschwitz war vielen Deutschen vor 1945 egal, und danach auch."
In einem ergänzenden Interview spricht der Spiegel (Felix Bohr/Cordula Meyer/Klaus Wiegräfe) mit einem ehemaligen KZ-Wachmann, der 1942 als 19-jähriger Donauschwabe aus Jugoslawien nach Auschwitz zwangsverpflichtet worden sei. Er empfinde keine juristische oder moralische Schuld. "Wenn ich desertiert wäre, hätten sie mich erschossen."
spiegel.de (Benjamin Schulz) schildert die Aufarbeitung der NS-Verbrechen in der DDR. Dort seien viele NS-Täter erpresst worden, mit der Stasi zusammenzuarbeiten, im Gegenzug wurde auf Strafverfolgung verzichtet. In den 60er- und 70er-Jahren habe man oft auf Strafverfolgung verzichtet, weil es peinlich gewesen wäre, dass NS-Verbrecher erst jetzt auffielen. Was in der DDR Regel und was Ausnahme war, lasse sich wohl nicht mehr klären.
Rechtspolitik
Suizidhilfe: Am morgigen Dienstag will eine Gruppe von Ärzten, Ethikern und Juristen einen Gesetzesentwurf vorstellen, der Medizinern die Hilfe beim Suizid explizit erlauben würde. Das nimmt die Montags-SZ (Von Matthias Drobinski/Nina von Hardenberg) zum Anlass, die derzeitige Diskussion um eine Bestrafung der Beihilfe zum Suizid darzustellen. Die meisten Abgeordneten seien dagegen, dass die Suizidhilfe eine normale Dienstleistung werde. "Was aber darf der Arzt?". Auf diese Frage spitze sich die Diskussion im Parlament derzeit zu.
Leihmutterschaft und Samenspende: Die Titelgeschichte des Focus (Juliane Brosz und andere)beschäftigt sich mit dem Phänomen Leihmutterschaft. Zunächst wird geschildert, dass Leihmutterschaft in Deutschland verboten ist, dass die auftraggebenden Eltern solcher Kinder große Probleme haben, die Elternschaft anerkannt zu bekommen. Im Juni habe aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Fall aus Frankreich den so entstandenen Kindern das Recht zuerkannt, dass ihr Status als leibliche Kinder trotz dortigen Verbots der Leihmutterschaft festgestellt wird. Das Bundesjustizministerium sehe aber "keinen Handlungsbedarf" für Gesetzesänderungen, das Urteil betreffe nur die Rechtsprechung.
Dagegen meldet der Spiegel (Melanie Amann), Justizminister Heiko Maas (SPD) wolle die rechtliche Situation der Kinder von Leihmüttern und aus privaten Samenspenden verbessern. Dazu habe er einen "AK Abstammung" eingerichtet, dem Juristen, Medizinethiker und Psychologen angehören.
Richter- und Beamtenbesoldung: Nachdem der Verfassungsgerichtshof von NRW die dortigen Nullrunden für Richter und besserverdienende Beamte beanstandet hatte, fanden Landesregierung und Gewerkschaften nun eine Lösung. Auch diese Gruppen sollen nun eine Erhöhung ihrer Besoldung erhalten, wenn auch zeitlich verzögert. "Mit Ausnahme des Richterbunds begrüßten Gewerkschaften und Beamtenverbände die neue Besoldungsregelung", meldete die Samstags-FAZ (Reiner Burger).
Ausbürgerung: Max Steinbeis (verfassungsblog.de) stellt fest, dass der Entzug der Staatsbürgerschaft als sicherheitspolitisches Instrument derzeit international im Trend liege. Er zählt einige Argument auf, die gegen solche Maßnahmen sprechen, hält letztlich aber eine Ausbürgerung für rückkehrende Syrien-Kämpfer für eine Frage der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall. Die Staatsbürgerschaft sei eher funktional und nicht entscheidend für die Identität. Bei Doppelstaatlern falle sie nicht so stark ins Gewicht.
Justiz
Mollath in Revision: Gustl Mollath geht gegen den vor einer Woche ausgesprochenen Freispruch des Landgerichts Regensburg in Revision. Ihm passt nicht, dass dort eine Körperverletzung gegenüber seiner Frau festgestellt worden war und der Freispruch nur wegen einer möglichen wahnhaften Störung erfolgte. Bisher waren Revisionen gegen Freisprüche allerdings aussichtslos. Mollath wird jetzt von dem Münchener Verteidiger Adam Ahmed vertreten, meldet br.de.
LG Köln verurteilt Ehemann wegen Beziehungstat: Das Landgericht Köln hat Gürkan S. wegen Totschlags an seiner Frau Hümeyra S. zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der Mann fand, dass sie die Kinder vernachlässige und wollte die Familie eigentlich mit den Kindern verlassen. Bei einem letzten Streit erschoss er seine Frau. Das Gericht folgte nicht der Mordanklage, berichtet spiegel.de (Claudia Hauser). Es habe keine niedrigen Beweggründe feststellen können, die Tat sei eine Kurzschlusshandlung gewesen.
OLG Stuttgart zu Auskunft über Sexualpartner: Eine 72-jährige Frau soll Auskunft darüber geben, mit wem sie vor rund fünfzig Jahren Sex hatte. Dazu hatte sie das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilt und Zwangsgeld angedroht, wie der Spiegel (Jan Friedmann/Dietmar Hipp) berichtet. Geklagt hatte ein Ex-Liebhaber, der einst die Vaterschaft der heute 50-jährigen Tochter der Frau anerkannt und jahrelang Unterhalt gezahlt hatte. Nachdem die Tochter einen negativen Gentest machte, focht der Mann erfolgreich die Vaterschaft an und möchte jetzt vom biologischen Vater den gezahlten Unterhalt einklagen. Die Frau sagte jedoch, sie könne sich an keinen anderen Sexualpartner erinnern.
VG Hannover zu Asyl für Jeziden: Die Samstags-taz (Christian Jakob) nimmt ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Hannover zum Anlass, die Situation von asylsuchenden Jeziden in Deutschland darzustellen. Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylantrag ablehne, muss der Flüchtling trotz der kriegerischen Eskalation im Irak die Anerkennung gerichtlich einklagen - in der Regel erfolgreich wie am VG Hannover.
StA München - Hoeneß-Geheimnisse: Die Staatsanwaltschaft München hat das durch eine Strafanzeige von Ex-Bayern-Präsident Uli Hoeneß ausgelöste Ermittlungsverfahren wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen eingestellt. Zwar seien Hoeneß' Steuerdaten wohl rechtswidrig bei der Illustrierten Stern gelandet. Allerdings hätten 2.949 Finanzbeamte Zugriff auf Hoeneß Steuerakte gehabt, so dass weitere Ermittlungen aussichtslos erschienen, meldet die Montags-SZ (Klaus Ott).
LG Dresden - Schlachtfest: Am Landgericht Dresden hat der Prozess gegen den LKA-Beamten Detlev S. begonnen. Er soll einen Geschäftsmann im gegenseitigen Einvernehmen getötet und zerstückelt haben. Zuvor hatte er in einer Videoaufnahme ein "Schlachtfest" angekündigt. Die Anklage lautet auf Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs. Der Angeklagte behauptet, der Tote habe sich selbst stranguliert. Es berichten die Samstags-FAZ (Stefan Locke) und spiegel.de (Vanessa Steinmetz).
LG München - BayernLB: Nun prognostiziert auch die Samstags-SZ (Klaus Ott), dass das Landgericht München das Untreue-Verfahren gegen vier der sechs angeklagten Ex-Manager der BayernLB an diesem Montag einstellen werde. Die SZ nennt Summen zwischen 5.000 und 20.000 Euro als Geldauflagen. Den Angeklagten wird vorgeworfen, beim Kauf der österreichischen Bank Hypa Alpe Adria durch die BayernLB auf Prüfungen verzichtet zu haben. Gegen zwei andere Manager soll weiterverhandelt werden, weil sie auch den damaligen Landeshauptmann von Kärnten, Jörg Haider, bestochen haben sollen.
In einem separaten Beitrag kommentiert Klaus Ott (Samstags-SZ), dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren schon längst hätte einstellen können, weil es eindeutige Signale des Gerichts gab. Wegen der unternehmerischen Freiheit sei die Finanzkrise strafrechtlich nur schwer aufzuarbeiten. Immerhin hätten die deutschen Ermittlungen in Österreich bei Verurteilungen geholfen.
LG Stuttgart - ADAC-Werbung: Das Landgericht Stuttgart verhandelt am 11. September über eine wettbewerbsrechtliche Klage des Auto Club Europa (ACE) gegen den ADAC. Letzterer hatte in einer Annonce seine gute Zusammenarbeit mit Polizei und Feuerwehr herausgestellt. Damit habe der ADAC versucht, den "guten, untadeligen Ruf der Polizei werbewirksam" auf sich zu übertragen. Ein Vorbericht findet sich in der Montags-FAZ (ols).
LG Frankfurt - Cum-Ex-Vergleich: Die Montags-Welt (Anne Kunz) berichtet nun über Details des Vergleichs zwischen HypoVereinsbank und den Erben des Investors Rafael Roth. Danach muss überwiegend die Bank für die Steuernachzahlungen Roths wegen nicht anerkannter Cum-Ex-Dividenden-Tricks aufkommen. Die Bank sei zu dem Vorgehen nicht gedrängt worden, sondern habe es von sich aus angeboten.
BAG zu Zahngold im Krematorium: Inzwischen berichtete auch lto.de (Anne-Christine Herr) ausführlich über die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von vorigem Donnerstag. Danach müssen Krematoriumsmitarbeiter Zahngold aus der Asche von verbrannten Leichen dem Krematorium abliefern, auch wenn dieses kein Eigentum daran erworben hatte.
Recht in der Welt
Schweiz - Bankgeheimnis: Die Staatsanwaltschaft Zürich ermittelt gegen den Stuttgarter Anwalt Eckart Seith. Jener vertritt einen deutschen Unternehmer im Streit mit der Schweizer Privatbank Sarasin um die Folgen von gescheiterten Cum-Ex-Deals. Weil Seith am Landgericht Ulm interne Unterlagen der Bank vorlegte, wirft ihm die Züricher Staatsanwaltschaft nun Anstiftung zum Bruch von Bank- und Geschäftsgeheimnissen vor, berichtet die Montags-SZ (Klaus Ott).
Türkei - Hochhäuser: Drei neu erstellte Hochhäuser in Istanbul sollen wieder abgerissen werden. Diese Entscheidung eines Verwaltungsgerichts hat nun das Oberste Gericht der Türkei bestätigt, meldet focus.de. Grund: Die Hochhäuser verschandelten die historische Skyline der Stadt.
Sonstiges
NSU-Untersuchungsausschuss: Heribert Prantl (Samstags-SZ) analysiert den Abschlussbericht des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses: "Der Staat hat sich schuldig gemacht – zumindest durch brutale Untätigkeit. Die NSU-Morde hätten verhindert werden können, wenn der Landesverfassungsschutz das nicht verhindert hätte." Prantl fordert nun Ermittlungsverfahren gegen beteiligte Beamte wegen Verfolgungsvereitelung und "strafbarer Helfershelferei".
Behinderten-Konvention: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Michael Wrase beschreibt auf juwiss.de, welche Folgen die UN-Konvention über Behindertenrechte für die Auslegung von Artikel 3 Grundgesetz hat. Die Beschulung von Kindern in Sonderschulen müsse heute grundsätzlich als diskriminierend angesehen werden. Die Aufrechterhaltung einer abgespeckten Version des Sonderschulwesens sei nicht mit der Konvention vereinbar.
Das Letzte zum Schluss
AG München zu Sex-Schaukel: Ein Mann hatte in seiner Mietwohnung eine alte quitschende Kettenschaukel aufgehängt und diese nachts zu Sex-Spielen genutzt. Die Nachbarn fühlten sich gestört. Nach einer erfolglosen Abmahnung kündigte die Vermieterin. Das Amtsgericht München bestätigte jetzt diese Kündigung. Nächtliche Lärmbelästigungen durch "sexuelle, sportliche und quietschende Geräusche" entsprächen weder dem normalen Mietgebrauch noch seien sie sozialadäquat, referiert spiegel.de das Urteil.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. - 25. August 2014: Keine Anklagen wegen Auschwitz – Bewegung bei Leihmüttern – Auskunft über Sexualpartner . In: Legal Tribune Online, 25.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12981/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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