Sollen autonome Roboterautos künftig als ePersonen vor Gericht gestellt werden - wenn etwas schief geht? Außerdem in der Presseschau: der Generalbundesanwalt soll leichter Verfahren an sich ziehen können, FDP will zeitliche Dauer von Gesetzen begrenzen, BGH zu Insolvenztourismus, Finnland setzt sich für Lohngleichheit ein und warum Justin Bieber in den USA weiter singen darf.
Thema des Tages
Autos vor Gericht: Die SZ (Christoph Behrens) beleuchtet auf ihrer Wissenschafts-Seite die rechtlichen Probleme des "hochautomatisierten" Autofahrens. "Je selbständiger Fahrzeuge agieren, umso delikater werde die Frage: Wer haftet, wenn etwas schiefgeht?", zum Beispiel bei der automatisierten Einparkhilfe. Der Rechtsprofessor Eric Hilgendorf - Experte für Roboterrecht - schlägt vor, "für autonome Maschinen den Status einer 'ePerson' zu erfinden. Solche elektronischen Personen könnten in Form einer Versicherungssumme über ein Vermögen verfügen – und im Ernstfall auf Schadensersatz verklagt werden."
Rechtspolitik
Stärkung des Generalbundesanwalts: Wie nun auch spiegel.de und SZ (Robert Rossmann) melden, sieht ein Gesetzesentwurf des Justizministers Heiko Maas (SPD) eine Zuständigkeitsänderung des Generalbundesanwalts vor. Er soll künftig Verfahren mit Staatsschutzbezug leichter an sich ziehen können. Obwohl auch die Bundesanwaltschaft bei den NSU-Ermittlungen zu Fehleinschätzungen kam, sei von dieser mehr Aufklärungswille als von den Staatsanwaltschaften der Länder zu erwarten, weil sie keine Rücksicht auf örtliche Imageprobleme nehmen müsse, kommentiert Christian Rath (taz).
EU-Richtlinie zur Bankensanierung: Das Handelsblatt (Ruth Berschens und andere) berichtet von Streitigkeiten um die Anwendung des sogenannten "Bail-in-Prinzips" der geplanten EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten. Laut Insiderinformationen plane die EZB, dieses Prinzip, wonach zunächst Eigentümer und Bankengläubiger haften sollen, aufzuweichen und somit den Einsatz von öffentlichen Mitteln zur Bankenrettung möglich zu machen.
Vergaberecht und Selbstreinigung: Die Anwälte Andreas Neun und Benjamin Herz stellen auf der FAZ-Seite "Recht und Steuern" die neuen EU-Regeln zum Ausschluss von Bewerbern um öffentliche Aufträge vor. Die Änderung der EU-Vergaberichtlinie, die bis Frühjahr 2016 in deutsches Recht umgesetzt sein muss, sehe vor, dass Unternehmen den Ausschluss vermeiden oder begrenzen können, wenn sie einen Selbstreinigungsprozess durchlaufen. Sie könnten ihre wiegergewonnene Zuverlässigkeit zum Beispiel durch eine personelle Neuorganisation oder die Einführung von Compliance-Maßnahmen belegen.
Befristung von Gesetzen: Den Vorschlag der NRW-Landtagsfraktion der FDP, zukünftig alle Gesetze mit einem "Verfallsdatum" zu versehen, nimmt lto.de (Claudia Kornmeier) zum Anlass für ein Interview mit der Akademischen Rätin Angela Schwerdtfeger, die zur Gesetzgebung in Krisenzeiten forscht. Sie hält andere Überprüfungsmechanismen, wie nachträgliche Berichtspflichten und den Normenkontrollrat für sinnvoller.
Justiz
BAG zur Betriebsrente: In einem Gastbeitrag in der FAZ stellt der Anwalt Nicolas Rössler ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Höchstaltersgrenze beim Zugang zu betrieblicher Rente vor. Das Bundesarbeitsgericht habe seine Rechtsprechung geändert und sehe in solchen Grenzen jetzt einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
BGH zu Insolvenztourismus: Anwalt Klaus U. Eyber befasst sich auf dem Handelsblatt-Rechtsboard mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die Fälle von sogenanntem "Insolvenztourismus" betrifft. Bei diesem Phänomen verlegen deutsche Schuldner ihren Interessensmittelpunkt (Center of Main Interests) ins Ausland, insbesondere nach England, wo die Restschuldbefreiung bereits nach einem Jahr eintritt. Der Bundesgerichtshof habe den Fall an die Berufungsinstanz zurückverwiesen und einige "Denkanstöße mit auf den Weg" gegeben, wie solche Fälle gehandhabt werden könnten.
LAG Hamm zu Altersdiskriminierung: block.beck.de (Christian Rolfs) berichtet von einem Fall vor dem Landesarbeitsgericht Hamm, bei dem eine Teilzeitkraft gegen eine Arbeitszeitermäßigung für ältere Arbeitnehmer geklagt hatte. Die Klägerin sah darin eine unzulässige Altersdiskriminierung. Das Landesarbeitsgericht beanstandete dagegen die ungerechtfertigte Erstreckung auf Teilzeitkräfte.
LG München – Ecclestone: Die FAZ (Henning Peitsmeier/Joachim Jahn) bringt angesichts des am morgigen Donnerstag beginnenden Verfahrens gegen den Formel-1-Chef Bernie Ecclestone einen ausführlichen Vorbericht. Dem 83-Jährigen werden Bestechung und Anstiftung zur Untreue in einem besonders schweren Fall vorgeworfen. Er habe bereits im Prozess gegen den ehemaligen LB-Bayern-Chef Gerhard Gribkowsky vor demselben Richter ausgesagt, der seine Version, es habe sich um eine Schweigegelderpressung gehandelt, für wenig glaubwürdig hielt.
StA Darmstadt - Odenwaldschule: spiegel.de und SZ melden, die Staatsanwaltschaft Darmstadt habe bei ihren Ermittlungen gegen einen Lehrer der Odenwaldschule wegen des Verdachts auf Besitz von Kinderpornographie nach derzeitigen Erkenntnissen keine Hinweise auf Missbrauch von Minderjährigen gefunden. Dem Lehrer wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe fristlos gekündigt. Tanjev Schultz (SZ) kommentiert die Ermittlungen: "Sexualisierte Gewalt wird als Problem endlich ernst genommen".
StA Stuttgart - KZ-Aufseher: Im Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier) stellt der Stuttgarter Staatsanwalt Ralf Dietrich seine Ermittlungsarbeiten gegen ehemalige KZ-Wachmänner vor. Man habe feststellen müssen, dass selbst im Falle von Auschwitz-Aufsehern viele Tatumstände noch immer im Unklaren sind. Man ermittle zur Zeit, weil die Zentrale Stelle für die Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg die Verfahren erst kürzlich an die Staatsanwaltschaften übermittelt habe.
Ehrenmorde vor Gericht: Helene Bubrowski (FAZ) diskutiert im Leitartikel den Umgang der Justiz mit sogenannten Ehrenmorden. Anlass ist ein umstrittenes Urteils des Landgerichts Wiesbaden aus dem März, das in einem Mordprozess beim Angeklagten keine besondere Schwere der Schuld wegen kultureller und religiöser Zwangslage angenommen hatte. Ehrenmorde würden inzwischen laut einer Studie des Max-Planck-Instituts in Freiburg zwar bei weit weniger Verfahren strafmildernd berücksichtigt, elf Prozent Urteile mit Strafmilderung seien aber elf Prozent zu viel.
Kritik am BVerfG: Die Welt (Thorsten Jungholt) befasst sich mit aktuellen Ideen zu einer möglichen Reform des Bundesverfassungsgerichts. Nach zahlreichen Entscheidungen von politischer Tragweite würden CDU-Politiker diskutieren, "wie man den Einfluss des Gerichts zurechtstutzen könnte". Die SPD-Politikerin Eva Högl wird mit der Aussage zitiert: "Grundsätzliche Änderungen an der Struktur des Gerichts oder seinen Kompetenzen kommen überhaupt nicht infrage." Erörtert wird allerdings, ob die Union die SPD gedrängt hat, die Völkerrechtlerin Doris König statt der eigentlich gewünschten Ute Sacksofsky als neue Richterin vorzuschlagen.
Recht in der Welt
USA – Drohneneinsatz: Wie spiegel.de meldet, war die Klage der New York Times auf Herausgabe von Unterlagen zum Drohneneinsatz der US-Regierung vor dem Berufungsgericht in New York erfolgreich. Die Regierung muss die bisher geheim gehaltenen Militärunterlagen zum Drohneneinsatz gegen Terrorverdächtige nun offenlegen.
Finnland – Lohngleichheit: Die Welt (Suvi Turtiainen) beschreibt einen Gesetzesentwurf der finnischen Regierung, der die bestehenden Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen bei gleicher Arbeit effektiver bekämpfen soll. Es ist vorgesehen, dass die Unternehmen Kategorien für die jeweiligen Positionen mit einem Durchschnittsgehalt festlegen und Fälle von Gehaltsabweichungen im Unternehmen bekanntmachen sollen. Ungerechtfertigte Abweichungen müssten anschließend vom Unternehmen beseitigt werden.
Russland – Oppositionspolitiker verurteilt: Die FAZ (Friedrich Schmidt) berichtet von einer erneuten Verurteilung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalnyj in Moskau. Das Moskauer Gericht habe ihn wegen Beleidigung eines Kommunalpolitikers auf Twitter zu einer Geldstrafe verurteilt. Nawalnyj steht bereits wegen einer anderen Verurteilung unter Hausarrest und es läuft ein weiteres Verfahren gegen ihn wegen Untreue. Bei negativem Ausgang drohen ihm bis zu zehn Jahre Straflager.
Sonstiges
Menschen hinter den Gesetzen: Die SZ (Marlene Weiss/Johann Osel) stellt in einem ausführlichen Portrait fünf Personen vor, die maßgeblich zur gesetzliche Regelung der Rente mit 67, der Pflegeversicherung und der Vergütung von Ökostrom beigetragen haben.
Das Letzte zum Schluss
Justin Bieber darf bleiben: Die US-Regierung hat den Antrag auf Ausweisung des Popsängers und kanadischen Staatsbürgers Justin Bieber abgelehnt. In einer Online-Petition hatten 270.000 Menschen den Entzug der Arbeitserlaubnis und seine Ausweisung gefordert, weil der Popsänger sich "gefährlich, rücksichtslos, zerstörerisch" verhalte und Drogen nehme, schildert spiegel.de. Über den Entzug der Arbeitserlaubnis entschieden die Gerichte, so dass das Weiße Haus nicht zuständig sei.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. April 2014: Roboterautos vor Gericht – Stärkung des Generalbundesanwalts – Lohngerechtigkeit in Finnland . In: Legal Tribune Online, 23.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11761/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag