Wenn Richter über die Besoldung von Richtern entscheiden, sollte mit korrekten Zahlen operiert werden. BVerfG-Präsident Voßkuhle ist das nicht gelungen. Außerdem in der Presseschau: Der BGH erleichtert den Einsatz von Leihmüttern, das BVerfG erlaubt die Umwandlung von Suhrkamp, in Serbien ist schon seit Monaten Anwaltsstreik - und warum ein Pensionär jeden Monat 20 Flaschen Bier bekommt.
Thema des Tages
Voßkuhle schusselt bei Richtergehältern: Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, erklärte Anfang Dezember zu Beginn der Verhandlung über die Richterbesoldung, dass nur in Deutschland und Armenien richterliche Berufsanfänger weniger verdienen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Diese Aussage war falsch, wie jetzt die Montags-FAZ (Helene Bubrowski) aufdeckte. Voßkuhle hatte sich ungeprüft auf eine Statistik des Europarats verlassen, bei der die deutschen Richtergehälter zu niedrig und der Durchschnittsverdienst zu hoch angenommen wurden. Tatsächlich verdienen laut FAZ richterliche Berufsanfänger mehr als der Durschschnittsverdiener und zwar in allen Bundesländern. "Wer in eigener Sache entscheidet, steht immer unter besonderer Beobachtung", heißt es in dem Artikel.
Rechtspolitik
Datenschutz und Recht: Rechtsprofessor Jürgen Kühling plädiert in der Montags-FAZ in einem großen Essay dafür, die Steuerung des Rechts im Datenschutz zu verbesseren. Er lobt dabei den Europäischen Gerichtshof, der in seiner Google-Entscheidung das Marktortsprinzip auch bei globalen Unternehmen angeordnet hat. Dagegen kritisiert er die deutsche Rechtslage als zersplittert und die deutsche Rechtsprechung als widersprüchlich; große Hoffnungen setzt er deshalb in die geplante EU-Datenschutz-Grundverordnung.
Suizidhilfe: Der Deutsche Ethikrat hat sich gegen die Zulässigkeit organisierter Suizidhilfe ausgesprochen, meldet rp-online. In Ausnahmesituationen aber müssten ärztliche Gewissensentscheidungen respektiert werden.
Auslandseinsatz: Trotz verfassungsrechtlicher Zweifel am geplanten Irak-Einsatz der Bundeswehr rät Linken-Fraktionschef Gregor Gysi von einer Verfassungsklage ab, weil das BVerfG die Schwelle für Auslandseinsätze absenken könnte. Zweifel an der fehlenden internationalen Einbindung hat laut Spiegel auch Norbert Röttgen (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags.
Staatsbürgerschaft: Die Anwältin Seyran Ates und ihre Mitarbeiterinnen Gülay Bedir und Charlotte Steiling begrüßen auf lto.de die am vergangenen Samstag in Kraft getretene Abschaffung der Optionspflicht für hier geborene Kinder von Ausländern. Die häufigere Hinnahme der Mehrstaatlichkeit erleichtere die Integration. Kritisiert wird nur, dass denjenigen, die schon für eine der beiden Staatsbürgerschaften optiert haben, kein einfacher Weg zurück eröffnet wurde.
Justiz
BGH zu Leihmutterschaft: Wenn ein Kind, das im Ausland von einer Leihmutter geboren wurde, dort den deutschen "Wunscheltern" zugeordnet wird, ist dies in Deutschland zu akzeptieren. Das deutsche Verbot der Leihmutterschaft steht dem nicht entgegen, entschied der Bundesgerichtshof. Es berichten die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski), die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) und die Samstags-taz (Christian Rath).
Reinhard Müller (Samstags-FAZ) kritisiert den BGH. Die Richter seien daran gescheitert, die deutsche Auffassung, wonach nicht alles möglich sein soll, was machbar ist, durchzusetzen.
Heribert Prantl (Samstags-SZ) glaubt, dass das Urteil vor allem Homo-Paare betrifft und fordert eine Erleichterung für deren Elternschaft.
BVerfG zu Suhrkamp: Das Bundesverfassungsgericht hat aufgrund einer Folgenabwägung einen Antrag auf einstweilige Anordnung des Suhrkamp-Minderheitsgesellschafters Hans Barlach und seiner Medienholding abgelehnt. Damit steht der Umwandlung von Suhrkamp in eine AG nichts mehr im Wege. Über eine Verfassungsbeschwerde der Medienholding muss inhaltlich noch entschieden werden, doch geht es dabei wohl nur noch um Schadensersatz. Es berichten die Samstags-FAZ (Sandra Kegel) und die Samstags-taz (Christian Rath).
BVerfG zu Erbschaftsteuer: Die Samstags-Welt (Dorothea Siems/Martin Greive) glaubt, dass das Bundesverfassungsgericht die Rahmenbedingungen der parlamentarischen Verhandlungen so gestaltet hat, dass die Gegner einer hohen Erbschaftsteuer am längeren Hebel sitzen: "Sollte der Gesetzgeber bis zur gesetzten Frist 2016 keine Neuregelung der vom Verfassungsgesetz beanstandeten Verschonungsregeln für Firmenerben beschlossen haben, darf danach die Erbschaftsteuer auch für Privatleute nicht mehr erhoben werden."
BGH - IP-Adressen: Der Bundesgerichtshof hat im Oktober dem EuGH die Frage vorgelegt, ob IP-Adressen persönliche Daten sind und unter welchen Umständen ihre Speicherung zur Datensicherheit zulässig ist. Der Anwalt Thomas Schafft erläutert auf dem Handelsblatt-Rechtsboard die Vorlage.
StA München - Deutsche Bank-Vorstände: Die Samstags-SZ (Hans Leyendecker/Klaus Ott) stellt auf einer ganzen Seite die 627-seitige Anklage gegen Vorstände der Deutschen Bank wegen versuchtem gemeinschaftlichem Prozessbetrug dar. "Die Anklageschrift ist im ersten Teil, im Anklagesatz, famos aufgeschrieben, dann wird das Werk ein bisschen redundant"
OLG München - NSU: Die Samstags-SZ (Annette Ramelsberger) portraitiert auf Seite 3 die Frau, die 2001 beim NSU-Anschlag auf ein iranisches Lebensmittelgeschäft in Köln schwer verletzt wurde. Sie war damals Abiturientin und arbeitet heute als Ärztin. Sie hatte jetzt vor dem Oberlandesgericht München ausgesagt.
StA Berlin - PKK und Linke: Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen zehn Abgeordnete der Linkspartei im Bundestag wegen Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Sie sollen bei einer Demonstration eine Fahne hochgehalten haben, die zu einer der PKK nahestehenden Organisation gehört, meldet die Samstags-SZ (Constanze von Bullion).
LG München - Ecclestone: Die Bayerische Landesbank hat den Formel 1-Chef Chef Bernie Ecclestone beim Landgericht München I auf Schadenersatz in Höhe von 345,9 Millionen Euro verklagt, meldet die Samstags-SZ (Klaus Ott). Da er den Bankmanager Gribkowski bestochen habe, habe die Bank beim Verkauf ihrer Formel 1-Rechte viel zu wenig eingenommen, so die Klage.
Hoeneß ohne Orden: Der wegen Steuerhinterziehung verurteilte Ex-Fußball-Funktionär Uli Hoeneß hat den bayerischen Verdiensorden zurückgegeben und dies mit Enttäuschung über die Politik begründet, die ihn im Zusammenhang mit dem Strafverfahren ungerecht behandelt habe. Sven Flohr (WamS) und Jochen Hieber (Montags-FAZ) kritisieren diesen Schritt. Aufgrund der Gewaltenteilung hätte die Politik gar nichts für Hoeneß tun können, selbst wenn sie gewollt hätte.
Recht in der Welt
EuGH - EMRK-Beitritt: Nun analysiert auch der wissenschaftliche Mitarbeiter Mattias Wendel auf verfassungsblog.de das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs, das für einen EU-Beitritt zur Europäischen Menschenrechts-Konvention noch viele Hürden sieht. Wendel sieht eine "reflexhaft anmutende Verteidigungshaltung, die nicht mehr nach Sinn und Zweck zu differenzieren weiß". Die Stellungnahme der Generalanwältin Juliane Kokott, die nur punktuelle Änderungen im geplanten Beitrittsvertrag forderte, hält er für viel nachvollziehbarer. Statt neu zu verhandeln, könne auch der EU-Vertrag geändert werden.
Serbien - Anwaltsstreik: In Serbien wurden im September Notare eingeführt, dagegen streiken die serbischen Anwälte, die seit Monaten die Justiz lahmlegen. Sie kritisieren unter anderem, dass nur regierungsnahe Juristen als Notare zum Zug kamen, berichtete die Samstags-SZ (Florian Hassel).
Juristische Ausbildung
Gekaufte Klausuren: Im Skandal um verkaufte Examensklausuren will das niedersächsische Landesjustizprüfungsamt mindestens 15 Absolventen das zweite Staatsexamen nachträglich aberkennen. Das meldet der Spiegel.
Sonstiges
Kindeswohl: Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) stellt die Probleme von Jugendämtern dar, wenn sie über die Herausnahme eines Kindes aus seiner Familie entscheiden müssen. Im Interview mit der Samstags-SZ (Ulrike Heidenreich) fordert der Kinderpsychiater Karl Heinz Brisch, die emotionale Gewalt von Eltern stärker in den Blick zu nehmen. Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) berichtet schließlich über Versuche von Fachverbänden, die Qualität der Gutachten in familienrechtlichen Verfahren (durch bessere Ausbildung der Gutachter) zu verbessern. Anlass der Schwerpunkt-Seite war der Abschluss des Hamburger Untersuchungsausschusses im Fall Yagmur.
Maßregelvollzug: Der Spiegel (Carsten Holm) stellt Erfolge und Misserfolge des Maßregelvollzugs in psychiatrischer Unterbringung dar. Ziel einer Reform sei es, dass die Hürden zur Einweisung höher werden und die Hürden für eine Entlassung niedriger.
Recht: Die Samstags-BerlZ (Christian Bommarius) stellt die 9. Auflage des Klassikers "Alles, was Recht ist" von Uwe Wesel vor. Vor allem der staatsrechtliche Teil sei aktualisiert worden. Ansonsten sei das "so gut zu lesen, so ungekünstelt und meinungsfreudig wie in der ersten Ausgabe vor 22 Jahren."
Das Letzte zum Schluss
Lebenslanger Freitrunk: Der Blog wissmit.com (Andrej Umansky) erinnert an ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm aus dem Jahr 1999. Damals erstritt ein pensionierter Brauerei-Mitarbeiter, dass er bis zum Lebensende weiterhin 20 Liter Bier pro Monat geliefert bekommt. Die Brauerei hatte sich darauf berufen, dass sie inzwischen gar nicht mehr selbst braue, sondern das Bier von einer neuen Muttergesellschaft beziehe. Für das LAG änderte dies nichts daran, dass Verträge über Fürsorge im Alter einzuhalten sind - auch wenn es um Bier geht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. bis 22. Dezember 2014: Voßkuhle schusselt – BGH enttabuisiert Leihmütter – serbische Anwälte streiken . In: Legal Tribune Online, 22.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14181/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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