Das OLG Düsseldorf legt im Edeka-Verfahren gegen Minister Gabriel nach. Außerdem in der Presseschau: Sparkasse siegt im Markenstreit, Türkei auf dem Weg zur Diktatur und literarisches Vorbild für Bankraub.
Thema des Tages
OLG Düsseldorf zu Tengelmann/Edeka: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem neuen Beschluss zur vorläufig gestoppten Tengelmann-Übernahme durch Edeka Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Verletzung einer verfahrensrechtlichen Pflicht vorgeworfen. Das Ministerium soll die gebotene Herausgabe eines Dokuments an den Edeka-Konkurrenten Rewe unterlassen haben, schreibt SZ (Klaus Ott u.a.). Zudem ergäben sich durch fehlende Vermerke des Ministeriums zu Treffen mit den Unternehmenschefs Hinweise auf eine Befangenheit Gabriels. Der Minister wies die Vorwürfe zurück. Die in der Sache anstehende Hauptverhandlung werde wohl Anfang September stattfinden, schreibt die SZ (Klaus Ott u.a.) in einem weiteren Artikel. Bis dahin müsste Edeka auch einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft Verdi abgeschlossen haben. Weitere Berichte bringen FAZ (Helmut Bünder) und Hbl (Florian Kolf).
Helmut Bünder (FAZ) hofft in seinem Kommentar, dass eine bewusste Parteinahme des Ministers nicht stattgefunden habe. Der "dilettantische" Umgang "mit einem so sensiblen Fall" beweise, dass sich Gabriel "für die Führung des Wirtschaftsministeriums disqualifiziert" habe, "für höhere Aufgaben erst recht." Marc Beise (SZ) rät dem SPD-Vorsitzenden, im Streit mit dem Gericht "nicht nachzulegen". Diesen Kampf könne er nicht gewinnen.
Rechtspolitik
Landesverfassung S-H: Am heutigen Freitag entscheidet der schleswig-holsteinische Landtag, ob und wie in die Landesverfassung ein Gottesbezug aufgenommen werden soll. Über die jahrelange Debatte mit Protagonisten jenseits von Fraktionsgrenzen berichtet die SZ (Thomas Hahn).
Grundsteuerreform: In einem Gastbeitrag für die FAZ stellen die Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) und Peter-Jürgen Schneider (SPD) die von ihren Ländern Hessen und Niedersachsen in den Bundesrat eingebrachte Initiative zur Reform der Grundsteuer vor. Schon aus Gründen der Gerechtigkeit sei ein neues Bewertungsverfahren, dass sich an den aktuellen Werten von Grundstücken orientiert, erforderlich. Die Politik müsse rechtzeitig, vor einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, handeln, um Kommunen ein "echtes Finanzierungsproblem" zu ersparen.
Providerhaftung: netzpolitik.org (Markus Beckedahl) zeigt sich irritiert zu einer von Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) vorgetragenen Forderung, die Provider von rechtswidrigen Netzinhalten stärker in Haftung zu nehmen. Denn seien die entsprechenden Bestimmungen längst Gesetz. Tatsächlich dürfe die Äußerung aber im Zusammenhang der auf EU-Ebene diskutierten Terrorismus-Richtlinie zu verstehen sein.
Justiz
BVerfG zu Bestellerprinzip: Das Bundesverfassungsgericht hat auch im Hauptsacheverfahren die von zwei Immobilienmaklern erhobenen Verfassungsbeschwerden gegen das im letzten Jahr eingeführte Bestellerprinzip verworfen. Die Regelung verfolge mit dem Verbraucherschutz ein legitimes Ziel und greife auch nicht ungerechtfertigt in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführer ein. Über den nun veröffentlichten Beschluss von Ende Juni berichten taz (Christian Rath) und Welt (Michael Fabricius).
BGH zu Sparkassen-Rot: Der Bundesgerichtshof hat die vom Bundespatentgericht angeordnete Löschung der Farbmarke "Sparkassen-Rot" für rechtswidrig erklärt. Der jahrelange Rechtsstreit zwischen dem Dachverband der Sparkassen- und Giroverband und der spanischen Bankengruppe Santander ist damit vorerst beendet. Die Rechtsanwälte Michael Fammler und Markus Hecht stellen auf lto.de Entscheidung und Hintergründe vor und erläutern dabei auch die Voraussetzungen der Markenfähigkeit von Farben. swr.de (Bernd Wolf) berichtet ebenfalls über die Entscheidung. In einem Kommentar geht Catrin Bialek (Hbl) auf den ernsten Hintergrund des Streits ein. Marken würden für Abstand gegenüber anderen Produkten sorgen und seien schon wegen oft millionenschwerer Investitionen schutzwürdig.
BGH – Stefan Mappus: In der mündlichen Verhandlung zu Schadensersatzansprüchen des früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) gegen die Kanzlei Gleiss Lutz wegen angeblicher Beratungsfehler beim Rückkauf von EnBW-Aktien hat der Bundesgerichtshof dem Kläger keine Hoffnungen machen können, meldet die SZ. Denn sollte durch den fraglichen Beratungsvertrag eine Entscheidung des Landes, nicht des Ministerpräsidenten vorbereitet werden.
OLG München – NSU: Das NSU-Verfahren am Oberlandesgericht München wurde mit einer Zeugenvernehmung zur Vergangenheit der Mitangeklagten Ralf Wohlleben und Carsten S. fortgesetzt. Ob die Hauptangeklagte Fragen der Nebenklagevertreter beantworten wird, entscheide sich nach Aussage ihres Anwalts erst nach der Sommerpause. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichtet.
OLG Düsseldorf – Loveparade: Die SZ (Thomas Bärnthaler) interviewt Gabriele Müller, Mutter eines beim Loveparade-Unglück in Duisburg verstorbenen Sohnes, zu der von ihr initiierten, mittlerweile von mehr als 360.000 Menschen unterschriebenen Petition für ein Strafverfahren in der Angelegenheit. Die Petition soll am kommenden Montag dem Oberlandesgericht Düsseldorf übergeben werden.
BayVGH – Kitaplatz: Die Stadt München muss die durch die Inanspruchnahme einer "Luxus-Kita" entstandenen zusätzlichen Kosten den klagenden Eltern wohl ersetzen. Dies ist das wahrscheinliche Ergebnis einer Verhandlung am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, über die spiegel.de berichtet. Ulrike Heidenreich (SZ) begrüßt in einem Kommentar die durch Urteile geschaffene Klarheit bei der Klärung von Definitionsfragen zum 2013 eingeführten Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Entgegen früherer Befürchtungen sei ein Klagewelle hierzu ausgeblieben. Dafür blieben maßgebliche Kriterien, unter welchen Umständen angebotene Plätze abgelehnt werden dürfen, "schwammig".
LG Düsseldorf – Kindesmisshandlungen: Vor dem Landgericht Düsseldorf müssen sich Erzieher einer Einrichtung für autistische Kindern unter anderem wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen verantworten. Eine angeklagte Gruppenleiterin habe rabiate Praktiken eingeräumt, sie aber als Teil des Therapiekonzepts dargestellt, schreibt die Welt (Kristian Frigelj).
LG Köln zu Bewegungsprofil: Bei der Verurteilung eines Autofahrers wegen fahrlässiger Tötung durch das Landgericht Köln Ende Mai hat offenbar die Bereitstellung eines Bewegungsprofils durch BMW eine Rolle gespielt. Bei der Tat wurde ein Carsharing-Wagen des Autobauers gefahren, anhand der bereitgestellten Daten konnte die gefahrene Wegstrecke genau rekonstruiert werden, schreibt spiegel.de (Philipp Soares).
Recht in der Welt
Türkei – EMRK/Ausnahmezustand: Die türkische Regierung hat angekündigt, gemäß Art. 15 der Europäischen Menschenrechtskonvention bestimmte Teile der EMRK auszusetzen. Der Europarat sei hiervon informiert worden, schreibt SZ (Mike Szymanski/Stefan Ulrich). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte werde eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Aussetzung einleiten. Die durch die Verhängung des Ausnahmezustandes im Land erweiterten Befugnisse der Regierung fasst zeit.de zusammen. Rainer Hermann (FAZ) meint in einem Kommentar, dass "der Staat bisher auch ohne rechtliche Grundlage getan" habe, "was immer nun legal möglich ist". Die von Präsident Erdogan angezettelten Kampagnen würden nun aber in einen "neuen Normalzustand" überführt. Nach dem Leitartikel von Heribert Prantl (SZ) wandelt sich das Land von einem "Staat, den man rechtsstaatlich nennen durfte", in ein "autoritäres System". Der Versuch, "den Weg der Türkei in die Diktatur juristisch zu pflastern" bemühe sich zwar um verfassungsrechtliche Legalität, offenbare aber sein wahres Wesen in der Ausschaltung der Justiz. Demgegenüber habe der Ausnahmezustand in Frankreich dort "nicht die Gewaltenteilung beseitigt, nicht die Justiz dezimiert und minimiert". Er sei vielmehr "eingebettet in eine funktionierende Rechts- und Werteordnung."
EGMR – Griechischer Schuldenschnitt: Der griechische Schuldenschnitt von 2012, durch den Zeichner von Staatsanleihen mehr als die Hälfte des Nominalwerts verloren, verstößt nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Umschuldung habe ein legitimes Ziel verfolgt und sei auch verhältnismäßig gewesen. Über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schreibt die taz (Christian Rath).
Griechenland – Asylrecht: Die nach Griechenland geflüchteten acht türkischen Soldaten sind wegen illegaler Einreise zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Nach dem Bericht der taz (Jannis Papadimitrou) wird das von ihnen beantragte Asyl weiterhin bearbeitet.
Russland – Doping: Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die vom Russischen Olympischen Komitee und zahlreichen Leichtathleten eingelegten Einsprüche gegen die vom Leichtathletikverband IAAF verhängten Olympia-Sperren bestätigt. Nach dem Bericht der SZ (Thomas Kistner) gerät damit nun das Internationale Olympische Komitee in die heikle Position, selbst über einen möglichen Olympia-Ausschluss für das gesamte russische Team entscheiden zu müssen. Dies solle bis spätestens Dienstag geschehen. Die taz (Tom Mustroph) berichtet ebenfalls.
Sonstiges
Religion und Staat: Rainer Herrmann (FAZ) diskutiert im Leitartikel international verschiedene Konzepte von Laizität und Säkularismus und legt dar, dass diese "in der Gegenwart durch die massenweise Einwanderung von Muslimen" zu einer Weiterentwicklung herausgefordert würden. Dieser Aufgabe würde der liberale Säkularismus etwa deutscher Prägung "mehr gerecht als die strikte Laizität", weil er mehr als diese die Sichtbarmachung "vielfältiger Identitäten in religiösen Symbolen" erlaube.
Pokemon Go: Der Bundesverband der Verbraucherzentrale hat die Softwarefirma Niantic als Entwicklerin der Spiel-App Pokemon Go abgemahnt. Die Verbraucherschützer hätten Bedenken zum Datenschutz und weitreichenden Haftungs- und Gewährleistungsausschlüssen geltend gemacht, schreibt Korbinian Zellner (paloubis.com).
Jobcenter/Privatinsolvenzen: Die SZ (Kristiana Ludwig) berichtet zu einem Papier aus dem Bundesarbeitsministerium, nach dem sich Jobcenter nur noch in "besonderen Härtefällen" auf außergerichtliche Einigungen zu Rückstanden von Leistungsbeziehern einlassen sollen. Hierdurch seien bei verschuldeten Arbeitslosen "Insolvenzverfahren vorprogrammiert".
Das Letzte zum Schluss
By the book: Im Roman "Bier, Geld und Tomaten" wird nach bild.de ein erfolgreicher Bankraub geschildert. Offenbar nicht genau gelesen hat ihn der Autor selbst. Sein eigener Versuch scheiterte im Januar, nun steht er vor Gericht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. Juli 2016: OLG gegen Gabriel / Rot bleibt Sparkasse / Diktatur Türkei? . In: Legal Tribune Online, 22.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20142/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag