Ein erstes Diskussionspapier zur Reform der strafrechtlichen Unterbringung in der Psychiatrie wurde vorgelegt. Außerdem in der Presseschau: Mindestlohn EU-rechtswidrig? BGH zu Arbeitnehmerdatenschutz und Währungswetten, VG Berlin stoppt Abschiebung nach Ungarn, Anwalt wegen AGG-Hopping angeklagt, Thomas Fischer zu Terrorismus und Reformvorschläge der GdP.
Thema des Tages
Psychiatrische Unterbringung: Im Zuge des Wiederaufnahmeverfahrens Gustl Mollaths vor dem Landgericht Regensburg wurde im März letzten Jahres eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die eine Reform der Paragrafen zur psychiatrischen Unterbringung im Strafgesetzbuch und der Strafprozessordnung erarbeiten sollte. Wie die SZ (Heribert Prantl) berichtet, hat die Arbeitsgruppe nun einen ersten "Diskussionsentwurf" vorgelegt. So sollen etwa die Voraussetzungen an die gerichtliche Einweisung in die Psychiatrie verschärft, die Unterbringung über die Dauer von sechs und zehn Jahren beschränkt und die Anforderungen an psychiatrische Gutachten erhöht werden. Die Gutachten sollen extern alle drei Jahre von jeweils unterschiedlichen Gutachtern erstellt werden.
Rechtspolitik
Mindestlohn: Das Handelsblatt (Simon Book u.a.) berichtet von der Forderung mittelständischer Unternehmen, die Dokumentationspflicht für den Mindestlohn bereits ab einem Einkommen von 1900 Euro abzuschaffen und Minijobber gänzlich auszunehmen. Thomas Sigmund (Handelsblatt) sieht in dem Gesetz eine Gängelung der Arbeitgeber durch den Staat und einen Widerspruch zum Vorhaben des Bürokratieabbaus. Wie die FAZ (Dietrich Creutzburg) schildert, soll der Mindestlohn auch für ausländische Fahrer bei Transitfahrten gelten. Die EU-Kommission sehe darin einen Verstoß gegen Europäisches Recht.
Datenschutz und Urheberrecht: EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Günther Oettinger hat auf der Digitalkonferenz DLR 2015 mehrere Gesetzesvorhaben im Bereich des digitalen Marktes angekündigt, meldet zeit.de. Unter anderem sollen die Urheberrechtsbestimmungen EU-weit einheitlich gestaltet und Ende des Jahres die Datenschutz-Grundverordnung verabschiedet werden.
Justiz
BGH zu Auskunftserteilung: internet-law.de (Thomas Stadler) weist auf ein am gestrigen Dienstag ergangenes Urteil des Bundesgerichtshofs zur Weitergabe von privaten Arbeitnehmerdaten an Dritte hin. Ein Patient forderte von einer Klinik die Auskunft über die Privatadresse des angestellten Arztes zum Zwecke eines Arzthaftungsprozesses. Der BGH sah in der Weitergabe der Privatadresse eine zweckfremde Verwendung der im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses erhobenen Daten und damit einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz.
BGH zu Währungswetten: Am gestrigen Dienstag hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Banken bei Vermittlung sogenannter Swap-Geschäfte, bei denen auf den Kursunterschied zweier Währungen gewettet wird, eine eingeschränkte Aufklärungspflicht trifft, wenn der Anleger Erfahrungen mit Anlageprodukten aufweist und die Bank an dem Geschäft selbst unbeteiligt ist. Es berichten das Handelsblatt (Elisabeth Atzler), die SZ (Harald Freiberger) und spiegel.de. Anders als im Ille-Urteil des BGH von 2011 habe die Bank das Anlageprodukt nicht selbst strukturiert, sodass im vorliegenden Fall kein schwerer Interessenskonflikt mit einer entsprechenden Aufklärungspflicht bestanden habe.
BGH zu Berufshaftpflichtversicherung: Ein Insolvenzverwalter hat bei der vorübergehenden Weiterführung einer insolventen Firma Aufträge erteilt, die nicht beglichen werden konnten und wurde hierfür zum Schadensersatz verurteilt. Seine Berufshaftpflichtversicherung wollte nicht zahlen, weil die Zahlungsunfähigkeit von vornherein absehbar gewesen sein soll. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Versicherung die Leistung nur bei wissentlicher Pflichtverletzung verweigern darf, meldet die FAZ (Joachim Jahn). Bedingter Vorsatz oder fahrlässige Unkenntnis reichen dagegen nicht aus.
LG Düsseldorf zu Achenbach: Im Schadensersatzprozess der Aldi-Erben gegen den Kunsthändler Helge Achenbach hat das Landgericht Düsseldorf Achenbach am gestrigen Dienstag zu 19,4 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt. Er soll vom verstorbenen Aldi-Nord-Erben Berthold Albrecht eine höhere Provision abkassiert haben, als vereinbart worden war. Unter anderem die FAZ (Christine Scharrenbroch), das Handelsblatt (Jan Keuchel) und spiegel.de berichten. Die taz (Anja Krüger) stellt zudem das laufende Strafverfahren vor dem Landgericht Essen gegen Achenbach dar, der wegen Betrugs, Untreue und Urkundenfälschung angeklagt ist.
VG Berlin zu Abschiebung: Das Verwaltungsgericht Berlin hat im Eilverfahren die Abschiebung eines Syrers nach Ungarn gestoppt, berichten lawblog.de (Udo Vetter) und lto.de. Weil Ungarn Asylbewerber nahezu ausnahmslos in Haft nehme, verstoße es gegen das Recht auf Freiheit des Art. 6 der Europäischen Grundrechtecharta. Damit weise Ungarn systemische Mängel im Asylverfahren auf, sodass nach der Dublin-III-Verordnung ausnahmsweise Deutschland als Zweitstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei.
AG Lübben zu Haasenburg-Heim-Erzieher: Ein ehemaliger Erzieher eines Haasenburg-Heimes wurde vom Amtsgericht Lübben zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung wegen Missbrauchs an einer 15-jährigen Insassin verurteilt. Die taz (Kaija Kutter/Kai Schlieter) stellt das Urteil und den Hintergrund des Verfahrens dar. Wegen Missbrauchsvorwürfen waren die Haasenburg-Heime geschlossen worden; derzeit laufen 50 Verfahren gegen Erzieher und Betreiber wegen Missbrauchs von Schutzbefohlenen.
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München haben am Dienstag die Opfer des Nagelbombenattentats in der Kölner Keupstraße im Jahr 2004 ausgesagt. Sie berichteten von ihren schweren Verletzungen und den Verdächtigungen seitens der ermittelnden Polizeibeamten gegen sie. zeit.de (Tom Sundermann), spiegel.de (Gisela Friedrichsen), die taz (Andreas Speit) und die FAZ (Karin Truscheit) bringen Prozessberichte.
OLG München – Harun P.: Vor dem Oberlandesgericht München fand am Dienstag der erste Prozesstag gegen Harun P. statt, dem vorgeworfen wird, sich als dschihadistischer Kämpfer der Terrorgruppe "Junud al Sham" angeschlossen und in Syrien mehrere Menschen getötet zu haben. Die FAZ (Albert Schäffer), die SZ (Annette Ramelsberger) und die taz (Lisa Schnell) berichten von der Vernehmung des Angeklagten. Er habe seinen schulischen und beruflichen Werdegang geschildert und berichtet, wie er nach der Trennung von seiner Freundin durch Internetvideos zum Islamismus kam.
StA München I – AGG-Hopping: Von der ersten Anklage in Deutschland wegen AGG-Hoppings berichtet die FAZ (Joachim Jahn). Einem Anwalt wird gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen, weil er sich bei namhaften Firmen und Kanzleien beworben haben soll, um nach einer Ablehnung Schadensersatz wegen mittelbarer Alterdiskriminierung geltend zu machen. In eingen Fällen soll er einen Angehörigen vertreten haben, der Schadensersatz wegen ethnischer Diskriminierung als Bayer geltend machte. Das Landgericht München I müsse nun über die Zulassung der Anklage entscheiden.
StA Frankfurt – S&K: Die FAZ (Joachim Jahn) beschreibt die 3000-seitige Anklage der Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen die Gründer der Firma S&K, die am gestrigen Dienstag vorgestellt wurde. Den beiden Angeklagten wird banden- und gewerbsmäßiger Betrug und Untreue vorgeworfen, weil sie über ein Firmengeflecht mit Schrottimmobilien zu überhöhten Preisen gehandelt haben sollen. Durch weitere dubiose Geschäftsmodelle sollen sie und weitere fünf Angeklagte einen Schaden von 240 Millionen Euro verursacht haben.
Landgericht Verden – Edathy: Nach Informationen der FAZ (Reinhard Bingener/Eckart Lohse), die Zugang zu den Ermittlungsakten gegen Sebastian Edathy haben soll, sind die Vorwürfe gegen Edathy größeren Ausmaßes als ursprünglich angenommen. Der ehemalige Abgeordnete soll Portale mit kinderpornografischem Material besucht und Filmmaterial heruntergeladen haben. Zudem soll er früh angenommen haben, dass die Informationen über die Ermittlungen gegen ihn von Jörg Ziercke stammten.
Recht in der Welt
USA – James Holmes: Am Dienstag begann in Colorado der Prozess gegen James Holmes, der 2012 bei einem Amoklauf in der Stadt Aurora 12 Menschen getötet und 58 verletzt hatte. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Juryauswahl für den Prozess, schildert die SZ (David Hesse) das Verfahren der Juryauswahl und die Pflichten der Jurydienstes vor US-amerikanischen Gerichten.
Sonstiges
Terrorismus: Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, befasst sich in seiner Rechtskolumne auf zeit.de mit Terrorismus und dessen rechtlicher Handhabung. Anhand der Theorie des Feindstrafrechts wird die Frage aufgeworfen, inwiefern als Terroristen eingeordnete Menschen als Bürger oder Feinde zu betrachten sind. In der folgenden Woche soll sich der Beitrag mit Terrorabwehr befassen.
Nudging: Nico Kuhlmann erläutert auf lto.de die aktuell diskutierte Methode des sanften Regierungshandelns, die im englischsprachigen Raum als "Nudging" bekannt geworden ist. Dabei soll das Verhalten der Bevölkerung nicht durch Ver- und Gebote sondern durch subtilere Einflussmethoden auf die Entscheidungsfindung gelenkt werden. Der Autor beschäftigt sich auch mit der Kritik an mangelnder Transparenz dieser Methode und eines möglichen Rechtsschutzes.
Rule of Law: Die EU-Kommission hat im März letzten Jahres neue Vorschriften zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union angenommen, während der Rat der Europäischen Union ein eigenes Verfahren des Rechtsstaatsdialogs vorgeschlagen hat. In einem englischsprachigen Beitrag stellen die Rechtsprofessoren Dimitry Kochenov und Laurent Pech auf verfassungsblog.de die beiden Verfahren vor und vergleichen sie hinsichtlich ihrer Effektivität.
Steuerhinterziehung bei Ärzten: Nach Auskunft der Leiterin der Stelle für Strafverfahren am Finanzamt Koblenz sind unter den Steuerhinterziehern häufig Ärzte anzutreffen, die private Ausgaben als Betriebsausgaben der Praxis deklarieren würden. Das berichtet die FAZ (Joachim Jahn) und schildert einige einfallsreiche Fälle.
Cum-ex-Geschäfte: Die FAZ (Joachim Jahn) stellt die Debatte im Plenum des Bundestages zu den Cum-Ex-Geschäften dar, bei denen sich Banken und Finanzdienstleister jahrelang die Kapitalertragssteuer doppelt erstatten ließen, obwohl sie nur einmal gezahlt worden war. Der Vorschlag der Linken und Grünen zur Einsetzung eines Sonderermittlers sei auf Ablehnung gestoßen, CDU- und SPD-Abgeordnete hätten stattdessen die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses vorgeschlagen.
Das Letzte zum Schluss
OWI statt Straftat: Um personellen Engpässen vorzubeugen hat der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Arnold Plickert vorgeschlagen, alle geringfügigen Straftaten künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Darunter sollen Delikte wie Sachbeschädigung, Beleidigung oder Schwarzfahren fallen. Über diese "sonderbaren Vorschläge" der GdP berichtet strafakte.de (Mirko Laudon).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. Januar 2015: Reform der psychiatrischen Unterbringung – Anklage wegen AGG-Hopping – Thomas Fischer zu Terrorismus . In: Legal Tribune Online, 21.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14433/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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