Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet zur Gefährderabschiebung. Außerdem in der Presseschau: Schwächen von Interpol, erklärt anhand des Falls Akhanlı, und das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen darf seinen Namen nicht behalten.
Thema des Tages
BVerwG – Gefährderabschiebung: Am heutigen Dienstag wird das Bundesverwaltungsgericht darüber entscheiden, ob Gefährder in einem Schnellverfahren abgeschoben werden dürfen. Laut taz (Christian Rath) ist das Verfahren eine "Formsache", nachdem das Bundesverfassungsgericht die Maßnahme bereits billigte. Der Beitrag erläutert die Voraussetzungen und anhand der vorliegenden Fälle auch Kritik an der Gefährderabschiebung. Letztlich reiche eine "islamistische Gesinnung plus eine vage Gewaltbereitschaft".
Rechtspolitik
Wahlrecht: Zu viele Abgeordnete hemmten die Arbeitsfähigkeit des Parlaments, konstatiert das Hbl (Daniel Delhaes) und stellt eine mögliche Reform des Wahlrechts vor. Aufgrund der Überhangmandate sei nach der kommenden Wahl mit 649 Parlamentariern zu rechnen.
Polizeiliche Kennzeichnungspflicht: Warum ein Rechtsstaat eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte benötigt und Nordrhein-Westfalen diese daher nicht abschaffen sollte, erläutert Strafrechtsprofessor Jens Puschke ausführlich auf lto.de.
Justiz
VG München zu Notunterkunft für Obdachlose: Obdachlose haben Anspruch auf einen umgehend zuzuweisenden Platz in einer Notunterkunft – unabhängig davon, wo sie gemeldet sind oder wo ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort ist. Das Verwaltungsgericht München betonte, es sei Pflicht der Stadt als untere Sicherheitsbehörde, die "Gefahr für Leib und Leben", der Obdachlose ausgesetzt sind, abzuwehren. Die SZ (Thomas Anlauf) schildert in ihrem Bayern-Teil den Fall des Obdachlosen Hristo Vankov.
BGH zu Bearbeitungsgebühren: "Die zunehmende Ausweitung des Verbraucherschutzrechts auf Unternehmer widerspricht den Bedürfnissen des unternehmerischen Geschäftsverkehrs", kritisiert der Interessenverband der Banken die Entscheidungen des Bundesgerichtshof zur Bearbeitungsgebühr bei Darlehen. Der FAZ (Hendrik Wieduwilt) liegt die Stellungnahme vor; der Beitrag resümiert auch die erwarteten tatsächlichen und rechtlichen Folgen des Gebühren-Urteils.
LAG BaWü zu Bildungsurlaub: "Politische Weiterbildung" als Voraussetzung für Bildungsurlaub sei weit auszulegen, befand das baden-württembergische Landesarbeitsgericht in einem Urteil von Anfang August. Für lto.de erklärt Christian Oberwetter, Rechtsanwalt, die Entscheidung und warum er diese unterstützt.
BGH zu Nachbarschaftshilfe: Die SZ (Wolfgang Janisch) räumt unter Verweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von vergangenem Jahr mit Irrtümern darüber auf, wie Nachbarn bei Gefälligkeiten haften. Entgegen einer wohl regelmäßig vertretenen Meinung sei ein stillschweigender Haftungsverzicht auch bei leichter Fahrlässigkeit die Ausnahme.
StA München II – Giovanni P.: Wie jetzt auch spiegel.de erklärt, plant der ehemalige Audi-Manager Giovanni P. im Verfahren umfassend über Vorgänge zu berichten, die den gesamten Vorstand von Audi und VW belasteten.
Überlastete Justiz: "Wenn die Justiz bereichsweise an einem Punkt angekommen ist, an dem man nur noch hoffen kann, dass sich nicht weiter herumspricht, wie sie funktioniert, muss man sich Sorgen machen", moniert die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolf im Hbl. Die Lösung sieht sie allerdings nicht allein darin, mehr Stellen zu schaffen. Vielmehr gehe es um Effizienzfragen, die auch ein Personalzuwachs nicht beantworten könne.
Recht in der Welt
Venezuela-Krise: Der Professor für Menschenrechte Carlos Ayala Corao zeichnet auf verfassungblog.de (in englischer Sprache) nach, wie die politischen Entwicklungen der letzten 18 Jahre in Venezuela in der derzeitigen politischen Krise, einem "perfekten Sturm", mündeten.
Sonstiges
Interpols Rolle im Fall Akhanlı: SZ (Ronen Steinke), FAZ (Johannes Leithäuser), Die Welt (Philip Kuhn) und zeit.de Veronika Völlinger/Sören Götz) stellen anhand der Festnahme des Autors Doğan Akhanlı das "relativ mechanische polizeiliche Fahndungsinstrument" Interpol und dessen Schwächen vor. Problematisch sei etwa, dass es keine ausreichende Kontrolle durch Interpol bezüglich der Fahndungsaufrufe gebe. Die Prüfung verbleibe weitestgehend bei den ausliefernden Staaten.
Reinhard Müller (FAZ) stellt fest, dass die Gefahr, dass Interpol durch Regime ausgenutzt werde, um politische Gegner einzuschüchtern, nicht neu sei. Das Vorgehen der Türkei in Sachen Akhanlı werde ihr allerdings letztlich schaden – denn in Sachen Terrorbekämpfung sei auch die Türkei auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit anderen Staaten angewiesen. Heribert Prantl (SZ) konstatiert unter dem Titel "Beihilfe zur Freiheitsberaubung?": "Haftbefehle aus autokratisch oder diktatorisch regierten Staaten werden nicht dadurch geadelt, dass sie via Interpol weitergeschickt werden." Daher sei es die spanische Polizei, die sich missbrauchen lasse, wenn sie einen türkischen Haftbefehl einfach vollstreckt.
Porträt Jürgen Stock: Die FAZ (Reinhard Müller) erklärt in ihrem Porträt über den Interpol-Chef Jürgen Stock auch, wie die von ihm geleitete Organisation funktioniert.
Zensur im Internet: Dürfen soziale Netzwerke eigenmächtig gegen "Hass und Hetze" vorgehen? Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) kennt die Antwort und erläutert die rechtlichen Grenzen bezüglich des Löschens von Beiträgen. Sie skizziert zudem den Diskurs darüber, die Haftung von Unternehmen zu verschärfen.
"Hinter Gittern": In der Reihe "Hinter Gittern" über den Alltag im Strafvollzug widmet sich die SZ (Alexander Krützfeldt) heute dem Thema der medizinischen Grundversorgung Inhaftierter.
Das Letzte zum Schluss
Monty Python oder Namensaufwertung? – "Justizministerium" und "Ministerium der Justiz" – ohnehin das Gleiche? Nicht für die neue nordrhein-westfälische Regierung. 26.000 Euro berappt sie dafür, das Justiz- und das Finanzministerium umzubenennen. Die Regierung wolle sich an den Bezeichnungen auf Bundesebene orientieren, meint Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Monty-Python-Fans fühlten sich an die "Volksfront"-Namen aus "Das Leben des Brian" erinnert, amüsiert sich spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. August 2017: Gefährderabschiebung rechtmäßig? / Defizite von Interpol / Possierliche Namensänderung . In: Legal Tribune Online, 22.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24013/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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