Stuttgarter Ermittler nehmen nun auch Daimler wegen Abgasmanipulationen ins Visier. Außerdem in der Presseschau: Homosexuelle werden rehabilitiert, illegales Vermögen wird leichter eingezogen und die USA verbieten Elektrogeräte an Bord.
Thema des Tages
StA Stuttgart – Abgasmanipulationen Daimler: Nun steht der Automobil-Konzern Daimler auch in Deutschland unter Verdacht, Abgasmanipulationen an Dieselfahrzeugen vorgenommen zu haben. Wie die FAZ (Susanne Preuß) und die Welt (Philipp Vetter) berichten, hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ermittlungen gegen mehrere Daimler-Mitarbeiter wegen Betrugsverdachts aufgenommen.
Die Zeit (Simon Kerbusk/Claas Tatje) bringt einen ausführlichen Recherche-Beitrag zu den Manipulationsvorwürfen. Bereits die Klageverfahren in den USA sowie die Ermittlungen der amerikanischen Umweltbehörde EPA zeigten, dass die Fahrzeuge der Daimler AG erhöhte Abgaswerte im Fahrbetrieb aufwiesen. Neue Vorwürfe deuteten auf die Verwendung einer ähnlichen Manipulationssoftware wie im VW-Fall hin. Auch die Untersuchungen in Deutschland ließen eine dreifache Übersteigung der Werte und die Verwendung einer Abschalteinrichtung vermuten.
Rechtspolitik
Rehabilitierung Homosexueller: Die Bundesregierung will Männer rehabilitieren und entschädigen, die bis zur Abschaffung von § 175 a.F. Strafgesetzbuch wegen ihrer Homosexualität verurteilt worden sind, berichtet unter anderem die FAZ (Alexander Haneke). Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht vor, dass die zwischen 1945 und 1994 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verhängen Urteile aufgehoben werden sollen. Die Entschädigung soll 3.000 Euro pro Urteil und 1.500 Euro pro Haftjahr betragen.
Für Reinhard Müller (FAZ) zeigt das Vorhaben, dass Deutschland nach Kräften bemüht sei, "Unrecht so weit wie möglich wiedergutzumachen". Nach Ansicht von Susanne Höll (SZ) stellt die Tatsache einen Skandal dar, dass bisher keine Regierung die Rehabilitation in Angriff nahm.
Strafrechtliche Vermögensabschöpfung: Das Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung soll umfassend reformiert werden. Die taz (Christian Rath) stellt den entsprechenden Gesetzentwurf vor, der am heutigen Donnerstag vom Bundestag beschlossen werden soll. Inkriminierte Vermögenswerte sollen künftig einheitlich durch Einziehung abgeschöpft werden können. Für Terror-, Drogen-, Menschenhandels- und weitere schwere Delikte soll der Nachweis einer konkreten Straftat entfallen. Ausreichend wird sein, dass das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass die Gegenstände aus einer konkreten Straftat stammen. Der Täter muss dann Gegenteiliges beweisen.
DNA-Analyse: Die SZ (Christina Berndt) und die FAZ (Karin Truscheit) berichten ausführlich über die Expertenanhörung im Bundesjustizministerium zur Erweiterung der DNA-Analyse. Den Gesetzentwurf hatte der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) im Zuge eines Mordfalls in Freiburg in den Bundesrat eingebracht. Danach soll die DNA-Analyse in Zukunft auch zu Feststellungen über das Geschlecht, die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie Alter genutzt werden können. Mehrere Fachleute hätten bei der Anhörung auf ethische, soziale und juristische Risiken hingewiesen. Nicht nur drohe eine Stigmatisierung abgrenzbarer Personengruppen, auch sei die Technik vielfach nicht in der Lage, die geforderten Tatsachen zu ermitteln. Die SZ (Josef Kelnberger) rekonstruiert aus Anlass der Gesetzesinitiative den Mordfall an der Studentin aus Freiburg, der auch auf Schwächen im Datenaustausch der europäischen Behörden sichtbar gemacht habe.
Justiz
EuGH zu Strafbefehlsverfahren: Das deutsche Zustellungsverfahren von Strafbefehlen an wohnsitzlose Beschuldigte ist mit der EU-Richtlinie über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren vereinbar. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden, wie lto.de (Maximilian Amos) berichtet. Die deutsche Vorschrift erlaubt, Beschuldigten ohne festen Wohnsitz aufzugeben, einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen. Trotz einer dadurch begünstigten Möglichkeit, die Einspruchsfrist zu versäumen, ist die Regelung europarechtskonform, weil die Rechte des Beschuldigten im Wiedereinsetzungsverfahren wahrgenommen werden könnten.
BVerwG zu Abschiebungen: Nun stellt die SZ (Georg Mascolo/Ronen Steinke) die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vor, mit denen das Gericht die Abschiebung zweier als Gefährder eingestufter Männer bestätigte. Der im Jahr 2004 eingeführte § 58a Aufenthaltsgesetz sei unterhalb der Gefahren- und Verdachtsschwelle bereits bei einem beachtlichen Risiko der Radikalisierung und Gewaltbereitschaft anwendbar.
Heribert Prantl (SZ) kritisiert in diesem Zusammenhang den Ruf nach Gesetzesverschärfungen, man solle stattdessen, wie in den vorliegenden Fällen gezeigt, geltendes Recht anwenden.
BFH zu Arbeitszimmer: Teilen sich mehrere Nutzer ein häusliches Arbeitszimmer, kann jeder von ihnen den Freibetrag von 1.250 Euro steuerlich geltend machen. Das hat der Bundesfinanzhof im Fall eines Ehepaares entschieden, dem der Betrag nur einmal angerechnet worden war. Die SZ (Berrit Gräber) erläutert die Folgen des Urteils für die Absetzbarkeit von häuslichen Arbeitszimmern.
BAG zu Wettbewerbsverboten: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine vertragliche Wettbewerbsverbotsklausel unwirksam ist, wenn sie die gesetzlich vorgeschriebene Karenzentschädigung nicht vorsieht. Die im Vertrag enthaltene salvatorische Klausel könne über die Unwirksamkeit nicht hinweghelfen, da dies eine wertende Entscheidung erfordere, die dem Zweck des Wettbewerbsverbots zuwiderlaufe. Die klagende ehemalige Arbeitnehmerin könne keine Entschädigung nach dem Gesetz verlangen, gibt lto.de wieder.
StA Oldenburg zu Belästigung bei Bundeswehr: Nun greift die FAZ (Alexander Haneke) den Belästigungsfall in der Bundeswehr auf, in dem die Staatsanwaltschaft Oldenburg die Ermittlungen einstellte und die Kritik der Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf sich zog. Die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft sei vor der jüngsten Verschärfung des Sexualstrafrechts durchaus üblich gewesen, da die Schwelle zur Nötigung und Beleidigung häufig verneint worden sei. Im Interview mit focus.de (Julian Rohrer) führt der Strafrechtsanwalt Jesko Baumhöfener aus, dass vergleichbare Handlungen heute als sexuelle Belästigung nach § 184i Strafgesetzbuch strafbar seien.
Ulf Lüdeke (focus.de) greift die Kritik an der Begründung der Einstellungsverfügung auf, der ein primitives Bild von Männern zugrunde liege.
LG Frankfurt/Main – S&K-Prozess: Die Beweisaufnahme im S&K-Prozess ist geschlossen worden, wie das Hbl (Katharina Schneider) unter Zusammenfassung der Vorwürfe und des zustande gekommenen Deals berichtet. Die Staatsanwaltschaft hat für die beiden S&K-Gründer Freiheitsstrafen von neun Jahren und drei Monaten gefordert. Das Urteil soll noch im März folgen.
Recht in der Welt
USA – Neil Gorsuch: Vor seiner Ernennung zum neuen besitzenden Richter am U.S. Supreme Court wurde der von Donald Trump nominierte Bundesrichter Neil Gorsuch vor dem Justizausschuss des Senats befragt. Wie die FAZ (Andreas Ross) und SZ (Hubert Wetzel) schildern, habe er sich als jovialer Redner und um Neutralität bemühter Richter inszeniert. Kritischen Nachfragen der Demokraten sei er größtenteils ausgewichen, sei jedoch hinsichtlich Trumps Richterschelte auf Distanz gegangen und habe die Äußerungen als entmutigend bezeichnet.
GB/USA – Elektrogeräteverbot: Die USA und Großbritannien haben das Mitführen von größeren elektronischen Geräten wie Laptops im Handgepäck bei Flügen aus der Türkei, Nordafrika und dem Nahen Osten untersagt. Auslöser des Verbots sollen Hinweise auf mögliche Terroranschläge mithilfe elektronischer Geräte sein. Sie SZ (Bastian Brinkmann u.a.) erklärt in einem Frage-Antwort-Beitrag, welche Geräte, Fluglinien und Flughäfen von dem Verbot betroffen sind.
Karim El-Gawhary (taz) kritisiert die Maßnahme in einem ironischen Beitrag als technisch sinnlos. Man könne stattdessen Passagiere als Gepäckstücke einchecken, damit sie nicht an das Handgepäck kämen.
Türkei – Haftbedingungen: Die taz (Ebru Tasdemir) interviewt den Juristen und Menschenrechtsaktivisten Öztürk Türkdoğan zu den verschärften Haftbedingungen, die für inhaftierte Journalisten in der Türkei gelten. Die Länge der gegen sie verhängten Isolationshaft verstoße bereits gegen türkisches Recht und die Menschenwürde. Eine wirksame Kontrolle des Strafvollzugs sei derzeit nicht möglich.
Spanien – Katalonien: Die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens haben in Spanien eine verfassungsrechtliche Kontroverse ausgelöst. Der Rechtsprofessor Victor Ferreres Comella erklärt auf verfassungsblog.de den Hintergrund, vor dem das spanische Parlament neue Kompetenzen für das Verfassungsgericht zur besseren Durchsetzung seiner Entscheidungen geschaffen hat. Zudem erläutert er das nun erschienene Gutachten der Venedig-Kommission des Europäischen Rats, die diese Reformen für europarechtskonform hält.
IStGH zu Bemba: Wie spiegel.de (Christoph Titz) berichtet, hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag die Haftstrafe für den ehemaligen kongolesischen Vizepräsidenten Jean-Pierre Bemba um ein Jahr erhöht und eine zusätzliche Geldstrafe verhängt. Bemba war im vergangenen Jahr wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Nun kam heraus, dass er während der sechsjährigen Verfahrensdauer 14 Zeugen bestochen hat.
Sonstiges
International Law: Maximilian Oehl, Gastforscher an der UC Berkeley, befasst sich in einem englischsprachigen Beitrag auf juwiss.de mit dem Phänomen der Hypernormalisation im internationalen Recht. Dabei handele es sich um ein Phänomen, das zutage trete, wenn Akteure internationales Recht brechen, jedoch vorgeben, sich daran zu halten.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. März 2017: Ermittlungen gegen Daimler / Rehabilitierung Homosexueller / Abschöpfung illegalen Vermögens . In: Legal Tribune Online, 23.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22430/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag