Bausparverträge dürfen nach einer gewissen Zeit gekündigt werden, so der BGH. Außerdem in der Presseschau: Warum DRK-Schwestern jetzt als Leiharbeiterinnen gelten und was der deutsche Staat gegen Erdoğan-Besuch unternehmen könnte.
Thema des Tages
BGH zu Bausparverträgen: Bausparkassen dürfen Bausparverträge zehn Jahre nach Zuteilungsreife kündigen, wenn das Baudarlehen nicht abgerufen wird. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Das Baudarlehen kann üblicherweise dann ausgezahlt werden, wenn 40 bis 50 Prozent des festgelegten Betrags eingezahlt sind. Viele Kunden machten von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch, weil die alten Bausparverträge Zinsen boten, die weit über den heutigen Möglichkeiten liegen. Laut BGH steht in diesem Fall auch den Bausparkassen in der Ansparphase als Darlehennehmerin das Kündigungsrecht aus § 489 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu. Es berichten die FAZ (Marcus Jung), die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath) und swr.de (Max Bauer).
Markus Frühauf (FAZ) begrüßt das Urteil: Der Bausparvertrag sei keine "staatlich geförderte Hochzinsanlage", sondern diene einem wohnungswirtschaftlichen Zweck. Heribert Prantl (SZ) meint hingegen, das Gericht habe mit juristischen Raffinessen das Recht der Verbraucher ausgehebelt. Es gelte nicht mehr "pacta sunt servanda", sondern, "dass eine Bausparkasse einen Vertrag nur so lange halten muss, wie ihr dieser Vertrag guttut".
Die SZ (Benedikt Müller), der Tsp (Carla Neuhaus/Ursula Knapp) und spiegel.de (Florian Diekmann) geben Hinweise, was Bausparer jetzt beachten sollten. Der Rechtsanwalt Wolf von Buttlar erläutert im Interview mit dem Hbl (Matthias Streit), was die Entscheidung für andere Fälle bedeutet. Ausführlich wird das Urteil von Rechtsanwalt Johannes Flötotto auf lto.de analysiert.
Rechtspolitik
Transparenzregister: Im Kampf gegen Geldwäsche will das Kabinett am heutigen Mittwoch einen Gesetzentwurf beschließen, mit dem ein Transparenzregister eingeführt wird. Zugriff soll haben, wer ein "berechtigtes Interesse" nachweist. Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) stellt das geplante Gesetz vor.
Insolvenzanfechtung: Mit der vom Bundestag beschlossenen Reform der Insolvenzanfechtung befasst sich jetzt auch Rechtsanwalt Jan Antholz auf dem Handelsblatt-Rechtsboard.
Haftung im Konzern: Durch eine geplante Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen soll die Haftung im Konzern für Kartellrechtsverstöße ausgeweitet werden. Konzernmütter sollen demnach für Bußgelder der Töchter aufkommen, unabhängig davon, ob sie am rechtswidrigen Verhalten beteiligt waren. Die Rechtsanwälte Hilke Herchem und Marc Löbbe begründen in der FAZ, warum die Änderung in "bewährte und für unternehmerische Betätigung wesentliche Prinzipien der Haftungsbeschränkung" eingreife.
Speicherung von Flugreisedaten: Die Sprecherin des Chaos Computer Clubs Constanze Kurz kritisiert in der FAZ die von der Bundesregierung geplante Speicherung von Flugreisedaten, mit der eine EU-Richtlinie umgesetzt werden soll. Die Reisevorratsdatenspeicherung sei in Wirklichkeit ein "Sicherheitstheater", das Sicherheit suggeriere, aber nicht leisten könne.
Justiz
EuG zu TTIP-Dokumenten: Das Europäische Gericht hat eine Klage deutscher Bundestagsabgeordneter als unzulässig abgewiesen, mit der diese sich dagegen wehrten, dass ihre Mitarbeiter TTIP-Dokumente nicht einsehen durften. Da die Zugangsregelungen von der Kommission bei einem Mittagessen mit dem amerikanischen Verhandlungspartner besprochen worden seien, fehle es an einem tauglichen Klagegegenstand. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Alexander Melzer fasst auf juwiss.de die Entscheidung zusammen und erläutert, warum eine Klage gegen die Bundestagsverwaltung vor dem Verwaltungsgericht erfolgversprechender ist.
BVerwG – Abschiebung von Islamisten: Weil sich der Verdacht auf eine Straftat gegen zwei Islamisten aus Göttingen nicht bestätigt hat, wurde kein Haftbefehl erlassen. Stattdessen hat das Land Niedersachsen die beiden Männer in Abschiebehaft genommen. Es stützt sich dabei zum bundesweit ersten Mal auf § 58a Aufenthaltsgesetz, nach dem zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik auch ohne Vorwarnung die Abschiebung angeordnet werden kann. Einer der Inhaftierten hat inzwischen das Bundesverwaltungsgericht angerufen, das insbesondere darüber entscheiden muss, ob die Abschiebung des Mannes, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, verhältnismäßig ist. Den Fall schildern die FAZ (Reinhard Bingener) und spiegel.de.
OVG NRW zu Asyl für Syrer: Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat nach Meldungen von FAZ (Reiner Burger) und zeit.de (Sasan Abdi-Herrle) entschieden, dass ein Syrer, der in Deutschland Asyl beantragt hat, nur unter den subsidiären Schutz fällt und nicht als Flüchtling anzuerkennen sei. Das ist vor allem für den Familiennachzug relevant, der für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus ausgesetzt ist.
VGH Bayern zu Auskunftsanspruch: internet-law.de (Thomas Stadler) weist auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hin, demzufolge ein Blog, auf dem Beiträge mit publizistischer Zielrichtung erscheinen, nach dem Rundfunkstaatsvertrag einen Auskunftsanspruch gegen Behörden hat.
VG Köln zu sichergestellten Autos: Weil ein 18-Jähriger immer wieder ohne Führerschein fuhr und auf der Flucht vor der Polizei gefährliche Situationen verursachte, wurden seine beiden Autos sichergestellt. lawblog.de (Udo Vetter) macht auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln aufmerksam, das die Sicherstellung unter Hinweis auf die Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer bestätigt.
BAG zu DRK-Schwestern: Rotkreuz-Schwestern, die in einem von Dritten betriebenen Krankenhaus eingesetzt werden, gelten als Leiharbeiterinnen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, nachdem der Europäische Gerichtshof eine entsprechende Vorlagefrage beantwortet hatte. Weil damit auch die Befristung auf 18 Monate gilt, hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bereits eine Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes versprochen. Das Urteil und seine Konsequenzen behandeln die FAZ (Marcus Jung), die SZ (Kim Björn Becker) und lto.de.
ArbG Heilbronn – Abgas-Affäre bei Audi: Ein inzwischen gekündigter Audi-Ingenieur hat in einer Gerichtsverhandlung vor dem Arbeitsgericht Heilbronn schwere Vorwürfe gegen Audi-Chef Rupert Stadler erhoben. Die Anwälte von Audi verhinderten die öffentliche Verlesung von Dokumenten, die eine frühzeitige Kenntnis des Vorstandsvorsitzenden von der Schummelsoftware belegen sollen. Das schreiben das Hbl (Jan Keuchel/Markus Fasse) und die SZ (Stefan Mayr).
OLG München – NSU-Prozess: Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hat im NSU-Prozess überraschend bekannt gegeben, dass eine Abteilungsleiterin der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim als Zeugin geladen sei. Damit ist er einem Antrag der Verteidiger von Beate Zschäpe zuvorgekommen, die sich von der Vernehmung eine Entlastung ihrer Mandantin versprechen, so spiegel.de (Björn Hengst).
LG Kiel zu aggressivem Landwirt: Das Landgericht Kiel hat einen Landwirt freigesprochen, dem vorgeworfen wurde, mehrere Polizei- und Zivilfahrzeuge demoliert zu haben, als seine Rinder untersucht werden sollten. Das Gericht befand, dass der 53-Jährige im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, ordnete aber die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik an. spiegel.de (Benjamin Schulz) berichtet.
LG Heilbronn – Getötete Seniorin: Die Welt (Gisela Friedrichsen) berichtet vom Prozess gegen einen Asylbewerber, dem vorgeworfen wird, eine Rentnerin erdrosselt und arabische Schriftzeichen hinterlassen zu haben. Während die Staatsanwaltschaft auf Mord plädierte, zweifelte die Verteidigung an einer religiösen Motivation.
Beratungsgeheimnis: In seiner wöchentlich erscheinenden Kolumne auf zeit.de befasst sich Bundesrichter Thomas Fischer diesmal mit dem Beratungsgeheimnis in der Justiz. Er erläutert dessen Inhalt und die Folgen von Verstößen sowie die Auswirkungen für die Aufklärung von Rechtsbeugung. Schließlich spricht sich Fischer für die Möglichkeit von "dissenting opinions" auch in der Fachgerichtsbarkeit aus.
Recht in der Welt
Polen – Justizreform: Während Polen sich weiter gegen Kritik der EU am Umgang mit dem Verfassungsgericht verwahrt, wird an einer weiteren Justizreform gearbeitet, mit der Regierung und Parlamentsmehrheit die Kontrolle über die Instanzgerichte erhalten sollen. Das Vorhaben zielt vor allem auf den Nationalen Gerichtsrat, der für die Bestimmung von Richtern zuständig ist, so die SZ (Daniel Brössler/Florian Hassel). Stefan Ulrich (SZ) sieht Polen auf dem Weg zur "Tyrannei der Mehrheit" und fordert die EU auf, den Konflikt auszufechten.
Israel – Urteil gegen Soldat: Ein israelischer Soldat, der einen verletzten Palästinenser mit einem Kopfschuss getötet hat, muss für 18 Monate in Haft. Das hat ein israelisches Militärgericht in Tel Aviv entschieden, wie die FAZ (Jochen Stahnke) und spiegel.de melden. Während manche das Urteil als zu milde werten, fordern andere die Freilassung des Soldaten.
USA – Einreiseverbot: Der emeritierte Rechtsprofessor Michael Bothe zeichnet in der SZ die verfassungsrechtliche Diskussion um das von Donald Trump angeordnete Einreiseverbot nach. Zwar würden sich die Gerichte in außenpolitischen Fragen Zurückhaltung auferlegen, dies sei jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Verzicht auf richterliche Überprüfung. Der moderne Verfassungsstaat dulde keine Willkür.
Sonstiges
Erdoğan in Deutschland: Die taz (Christian Rath) fragt, ob der deutsche Staat etwas gegen öffentliche Auftritte des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland im Vorfeld des Referendums in der Türkei unternehmen kann. Ein Auftritt sei zwar nicht von der Versammlungsfreiheit umfasst, ein Verbot sei dennoch rechtlich schwierig. Die Bundesregierung könnte die Einreise verweigern, was jedoch aufgrund der politischen Situation unwahrscheinlich sei.
Twitternde Juristen: lto.de (Constantin van Lijnden/Pia Lorenz) stellt zehn Twitter-Accounts vor, die von Juristen betrieben werden, darunter viele Journalisten, aber auch Richter, Anwälte und ein Professor.
Influencer Marketing: Der Rechtsanwalt Stefan Engels beschäftigt sich in der FAZ mit werberechtlichen Fragen zu Marketingstrategien unter Einbindung von Internetstars, die beispielsweise auf Twitter oder Youtube Produkte bewerben. Auch hier würden das Erkennbarkeitsgebot und der Trennungsgrundsatz gelten. Wegen der eingeschränkten Zeichenzahl werde für den Nachrichtendienst Twitter die Abkürzung "#ad" diskutiert.
Das Letzte zum Schluss
Futternder Torwart: Weil der Ersatztorwart des englischen Fünftligisten Sutton United während des Spiels einen Sandwich aß, droht ihm jetzt juristischer Ärger. Im Vorfeld wurden Wetten über das Verhalten des Publikumslieblings geschlossen, wovon der Keeper wusste. Jetzt ermittelt der englische Fußballverband, so spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. Februar 2017: Bausparkassen dürfen kündigen / DRK-Schwestern sind Leiharbeiterinnen / Erdoğan in Deutschland . In: Legal Tribune Online, 22.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22171/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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