Wie regiert eigentlich der US-Präsident? Außerdem in der Presseschau: Ein Jobcenter muss für Stellen im Bordell keine Beschäftigten suchen und das Verfassungsgericht in Rom verlangt vom EuGH Respekt für grundlegende Verfassungswerte.
Thema des Tages
Trumps Dekrete: spiegel.de (Mara Küpper/Christoph Tritz) erklärt, wie der US-Präsident mit Hilfe von Erlassen regieren kann. Fast alles, was die Exekutive betrifft, kann der Präsident per "executive order" entscheiden. Er darf dabei aber nicht gegen die Verfassung und Gesetze verstoßen. Soweit Maßnahmen Geld kosten, muss auch der US-Kongress aufgrund seines Budget-Rechts eingebunden werden.
Einreisestopp: Die Montags-FAZ (Winand von Petersdorff) portraitiert Ann Donnelly, die US-Bundesrichterin, die am Samstag eine Verfügung gegen das Dekret des US-Präsidenten erließ, wonach Staatsangehörige von sieben muslimischen Ländern für 90 Tage nicht mehr in die USA einreisen dürfen. Sie gewährte den an US-Flughafen festgehaltenen Personen ein einstweiliges Aufenthaltsrecht. Donelly war von Obama berufen worden.
Rechtspolitik
Bänker-Boni: Die Montags-SZ (Meike Schreiber) erläutert die zum 1. März in Kraft tretende Instititutsvergütungsverordnung. Banken können demnach an ihre Vorstände ausbezahlte Boni zurückverlangen, wenn die Bank aufgrund von Fehlern des Vorstandes später Strafen zahlen musste. Hierzu muss nun aber erst in bestehende Verträge eine entsprechende Klausel eingefügt werden.
Ältere Autofahrer: Der Verkehrsgerichtstag hat obligatorische Nachuntersuchungen für ältere Autofahrer abgelehnt. Marc Beise (Samstags-SZ) hält das für falsch. Der Staat solle ein Kontrollsystem schaffen, bei dem man die Menschen dann aus dem Verkehr zieht, wenn sie wirklich nicht mehr an ihm teilnehmen können. Entsprechende Prüfungen hält er ab dem 75. Lebensjahr für sinnvoll.
Fahrverbot: Die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) schilderte die Diskussion auf dem Verkehrsgerichtstag um die geplante Einführung des Fahrverbots als Strafe für Delikte aller Art. Der entsprechende Arbeitskreis habe den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit weit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
Kfz-Kennzeichen-Abgleich: netzpolitik.org (Simon Rebiger) berichtet über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der der Bundespolizei in speziellen Situationen den Abgleich von Kfz-Kennzeichen mit dem Fahndungsbestand erlaubt. Am Freitag fand die erste Lesung im Bundestag statt.
Anti-Terror-Politik: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Timo Schwander prüft auf juwiss.de die von Bundesinnenminister de Maizière und Justizminister Maas angekündigten Anti-Terror-Gesetzänderungen, insbesondere zur Verschärfung der Abschiebehaft und zur Anwendung der elektronischen Fußfessel bei Gefährdern. Die Vorschläge seien überwiegend überflüssig und teilweise rechtswidrig.
Widerstand: Udo Vetter (lawblog.de) kritisiert die von der Bundesregierung geplante Verschärfung von § 113 Strafgesetzbuch. Künftig solle der Angriff auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte deutlich härter bestraft werden als der Angriff auf normale Bürger. Hier werde eine Zwei-Klassen-Gesellschaft eingeführt, die nicht zur rechtsstaatlichen Moderne passe. Vetter lobt und verlinkt die ablehnende Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins.
Social Bots: Meike Laaf (Samstags-taz) kritisiert einen Gesetzentwurf der Grünen, die eine Anzeigepflicht für Programme fordern, die in sozialen Netzwerken vortäuschten, reale Personen zu sein. Ein solches Gesetz werde schon deshalb ins Leere laufen, weil es Vorgänge im Ausland nicht erfassen könne.
DNA-Auswertung: Die WamS (Per Hinrichs) schildert die Diskussion um eine erweiterte Auswertung von DNA-Tatort-Spuren auf Augenfarbe, Alter und Herkunft des Spurenlegers. Bisher ist eine solche Auswertung laut Strafprozessordnung verboten.
Justiz
LSG Mainz zu prostitutionsnaher Arbeit: Das Jobcenter muss keine Arbeitsstellen in Bordellen auflisten. Das gilt auch für Tätigkeiten ohne sexuelle Dienstleistungen, etwa als Empfangsdame, entschied nun laut spiegel.de das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz. Die Klage eines Bordellbetreibers, der über das Jobcenter Personal suchen wollte, wurde abgelehnt.
LG Schwerin verurteilt LKA-Beamten: Das Landgericht Schwerin hat einen Beamten des Landeskriminalamts Mecklenburg-Vorpommern wegen Bestechlichkeit, Verletzung von Dienstgeheimnissen und Steuerhinterziehung zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt, so spiegel.de. Der Mann hatte gegen Geld u.a. Informationen aus Polizei-Datenbanken an eine kommerzielle Nachrichtenhändlerin weitergegeben.
LG Frankfurt verurteilt Messerstecher: In einer ausführlichen Gerichtsreportage schildert die FAS (Raquel Erdtmann) einen Prozess am Landgericht Frankfurt/Main. Es ging um einen alten Italiener, der im Wettbüro einen Mozambikaner niedergestochen hatte, weil er sich von ihm bedroht fühlte. Obwohl beide schon jahrzehntelang in Deutschland lebten, sei das Geschehen und auch der Prozess von Verständigungsschwierigkeiten geprägt gewesen. Am Ende wurde der Italiener wegen gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.
BAG zu Kündigung in Elternzeit: Der Anwalt Stephan Altenburg bespricht auf lto.de ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom vergangenen Donnerstag. Danach ist die Kündigung einer Frau in Elternzeit gleich zu behandeln wie die früher erfolgte Massenentlassung ihrer Kollegen, die aber wegen eines Formfehlers unwirksam war. Das BAG sei einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts aus dem Juni 2016 gefolgt, die der Autor nicht überzeugend findet.
BAG zu Ruhezeiten: Auch der Anwalt Bernd Weller stellt nun auf dem Handelsblatt-Rechtsboard ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Januar vor. Danach ist bei der Berechnung der elfstündigen gesetzlichen Ruhezeit, die Arbeitnehmern zwischen zwei Arbeitseinsätzen garantiert wird, auch die Tätigkeit als Betriebsrat zu berücksichtigen.
OLG Frankfurt – Dividende: Die Deutsche Bank hat gegen ein im Dezember verkündetes Zivilurteil des Landgerichts Frankfurt/Main Berufung eingelegt. Dort hatten Aktionäre der Deutschen Bank Erfolg gegen die Entscheidung der Deutsche-Bank-Hauptversammlung, im Geschäftsjahr 2015 keine Dividende auszuschütten. Die Bank hätte vielmehr eine Mindestdividende ausschütten müssen, so das Landgericht laut Montags-SZ (Meike Schreiber).
OLG München – NSU: Die Samstags-SZ (Wiebke Ramm) beantwortete als "Rätsel der Woche" die Frage: "Wird der NSU-Prozess ewig dauern?" Antwort: Die Länge des Verfahrens mit bisher 341 Verhandlungstagen sei angesichts der Komplexität der Vorwürfe und der Vielzahl an Nebenklägern noch angemessen.
StA Braunschweig – VW: Die FAS (Corinna Budras) erläutert das Ermittlungsverfahren gegen den Ex-VW-Vorstandschef Martin Winterkorn wegen Betrugs. Es hätten sich Anhaltspunkte ergeben, dass Winterkorn, früher als von ihm behauptet, Kenntnis von der manipulierten Abgas-Software hatte.
Bilel A.: Die Samstags-SZ (Georg Mascolo/Hans Leyendecker) schildert, wie bei Bilel A., dem in Berlin inhaftierten Kontakt-Mann von Anis Amri, nun eine "neue Härte" zu sehen sei. Bilel A. sei schnell inhaftiert worden, werde nun schnell abgeschoben, auf den Ausgang von Strafverfahren werde nicht gewartet, auch mögliche Foltergefahr in Tunesien werde wohl keine Rolle spielen.
BGH zu Verschleuderung von Staatseigentum: lto.de (Martin Rath) erinnert im Feuilleton an ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 1967. Damals wurde der zu günstige Verkauf von Obersalzberger Hotels aus bayerischem Staatsbesitz an die Hotelkette Steigenberger gerügt. Dieser Verkauf von Staatseigentum habe gegen Art. 81 der Bayerischen Landesverfassung verstoßen, wonach ein Gesetz erforderlich gewesen wäre.
Recht in der Welt
Italien – EU-Recht vs. Verfassungsrecht: Rechtsprofessor Oreste Pollicino stellt auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) ein aktuelles Urteil des italienischen Verfassungsgerichts vor, das dem EuGH einen Fall zur Entscheidung vorlegt, bei dem es um den Vorrang von EU-Recht vor grundlegenden Prinzipien der italienischen Verfassung geht. Der EuGH solle seine Rechtsprechung modifizieren, um einen schwerwiegenden Konflikt zu vermeiden. Konkret geht es um die in Italien kurze Verjährung von Mehrwertsteuer-Betrug und die Frage, ob eine Änderung rückwirkend möglich wäre.
Russland – Gewalt in der Familie: Nun beschrieb auch die Samstags-FAZ (Friedrich Schmidt) das geplante russische Gesetz zur Entkriminalisierung von Gewalt in der Familie. Übergriffe gegen nahe Personen sollen beim ersten Mal nur noch als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße oder Arrest geahndet werden.
Belgien – Bahngastüberwachung: Belgien hat mit Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden Abkommen geschlossen, die eine Erfassung der Daten von Reisenden im grenzüberschreitenden Zugverkehr vorsehen, berichtet netzpolitik.org (Matthias Monroy). Ein entsprechendes Gesetz hatte das belgische Parlament schon im Dezember beschlossen.
Türkei – Verfassungsgericht: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maria Heimerl beschreibt auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache), dass die geplante Überarbeitung der türkischen Verfassung wenige explizite Änderungen für das türkische Verfassungsgericht vorsehe. Dieses habe allerdings schon im November 2016 von sich aus auf die Kontrolle von Notstandsdekreten verzichtet und damit seine ständige Rechtsprechung zurückgenommen.
Türkei – Gewaltenteilung: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Boris Petersen und Zeynep Yanaşmayan untersuchen auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache), welche Auswirkungen auf Gewaltteilung und "Checks and Balances" die geplante Änderung der türkischen Verfassung hätte. Untersucht werden dabei vor allem die Regierungsbildung, die Gesetzgebung, die Auflösung des Parlaments und das Haushaltsrecht.
China – Fernsehgeständnisse: Die FAS (Petra Kolonko) thematisiert, dass Angeklagte in China immer häufiger im Fernsehen ihre Taten gestehen und bereuen, oft schon vor der gerichtlichen Verurteilung. Dies erinnere an die Pranger-Methoden der Kulturrevolution.
Griechenland – türkische Soldaten: Die Samstags-SZ (Mike Szymanski) lobte die Weigerung des obersten griechischen Gerichts, türkische Soldaten an die Türkei auszuliefern. Damit habe das Gericht europäische Werte verteidigt.
Italien – Berlusconi: Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi muss ab April wieder vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, im sogenannten Bunga-Bunga-Prozess Zeuginnen mit Millionen-Summen bestochen zu haben, damit sie zu seinen Gunsten aussagten. Seinerzeit war er vom Vorwurf freigesprochen worden, Sex mit minderjährigen Prostituierten gehabt und Amtsmissbrauch begangen zu haben, so n-tv.de.
Sonstiges
Rechtssprache: Die Samstags-SZ (Andreas Zielcke) berichtete im Feuilleton über einen Vortrag des Rechtsprofessors Christoph Möllers. Die Rechtssprache müsse in bestimmtem Maße für Laien unverständlich bleiben, weil sie Probleme abstrakt beschreibe. Gegenmodell sei die eher persönliche und subjektive Sprache von demokratisch gewählten US-Richtern.
Das Letzte zum Schluss:
Eimer statt Toilette: Eine US-Kunstlehrerin verweigerte einer 14-jährigen Schülerin den Toilettengang während des Unterrichts. Sie könne sich auch in einen Eimer erleichtern und den Urin dann ins Waschbecken schütten. Die Lehrerin wurde wegen der Demütigung suspendiert. Die Schülerin, die nach vier Jahren immer noch in psychologischer Behandlung ist, verlangte 25.000 Dollar Schadensersatz – und erhielt nun von einem Gericht in San Diego 1,25 Mio. Dollar zugesprochen, wie die Samstags-SZ berichtet.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. bis 30. Januar 2017: Trump und die Dekrete / Jobcenter und Bordelle / Italienisches Verfassungsgericht und EuGH . In: Legal Tribune Online, 30.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21924/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag