Das Bundesverfassungsgericht verhandelt zum Tarifeinheitsgesetz. Außerdem in der Presseschau: Meldepflicht für Überwachungskameras gefordert und türkische Kommunisten unter Verletzung deutscher Strafvorschriften ausspioniert.
Thema des Tages
BverfG – Tarifeinheitsgesetz: Am Dienstag und Mittwoch dieser Woche wird der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz verhandeln. Das Ansetzen von zwei Verhandlungstagen zeige, wie das Gericht die Sache gewichte. Für die Anhörung seien fünf Beschwerden ausgesucht worden, darunter die der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, der Flugbegleitergewerkschaft UFO sowie der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Pilotenvereinigung Cockpit. Das Gesetz wurde von der großen Koalition im Sommer 2015 unter dem Eindruck langer Streiks von schlagkräftigen Berufsgewerkschaften beschlossen, die den Bahn- und Luftverkehr lahmlegten. Es sieht vor, dass in einem Betrieb jeweils nur der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft gilt, und erfuhr von Anfang im Hinblick auf die fragliche Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit der Koalitionsfreiheit verfassungsrechtliche Kritik. Die SZ (Wolfgang Janisch) dokumentiert die Geschichte der Tarifeinheit. Über die bevorstehenden Verhandlungen berichtet auch das Hbl (Frank Specht).
Rechtspolitik
EU – Kreislaufwirtschaft: Wie die taz berichtet, stimmt der Umweltausschuss des EU-Parlaments am heutigen Dienstag über das "Kreislaufwirtschaftspaket" ab – mehrere Richtlinien, die den Umgang mit Abfall regeln sollen. Es gehe um allgemeine Grundlagen des Abfallrechts, Verpackungen, Elektronikmüll, Batterien, Müllhalden und Altautos.
Videoüberwachung: Auf zeit.de spricht sich der Datenschutzaktivist Malte Spitz für eine Meldepflicht für Überwachungskameras aus. Danach solle jeder Mensch und jedes Unternehmen, das öffentlich zugängliche Räume videoüberwache, seine Kamera durch Ausfüllen eines standardisierten Onlineformulars aktiv melden. Denn für eine bessere Aufklärung von Straftaten brauche es keine neuen Überwachungskameras, sondern Informationen darüber, wo bestehende schon filmten.
Social Bots & Co: Wie netzpolitik.org (Markus Beckedahl) berichtet, hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Diskussionsrunde zum Thema "Strategien gegen Hass im Netz" veranstaltet, in der es um Social Bots, Fake News uns Hate Speech ging. Wie zeit.de (Patrick Beuth) schreibt, sind die befürchten Auswirkungen solcher Formate auf politische Willensbildungsprozesse bislang kaum erforscht.
Soka Bau: Nun berichtet auch die FAZ (Dietrich Creutzberg) über den Gesetzentwurf, mit dem die große Koalition die Bau-Sozialkasse vor der Insolvenz bewahren will.
Sammelabschiebungen: Angesichts der umfassenden Kritik von Flüchtlingsorganisationen im Vorfeld der zweiten Sammelabschiebung nach Afghanistan, die am Montagabend stattfinden sollte, hat Schleswig-Holsteins Innenminister Studt einen Abschiebestopp für das Land gefordert. Auch mehrere Grünen-Politiker hätten darauf gedrängt, schreibt die taz (Daniel Bax). Heribert Prantl (SZ) kritisiert, dass die Praxis Flüchtlinge zu Wahlkampfobjekten macht.
Justiz
EuGH – Arbeitnehmermitbestimmung: Nun widmen sich auch der Rechtsanwalt Stefan Mutter auf lto.de und die taz (Christian Rath) der am heutigen Dienstag anstehenden Verhandlung des Europäischen Gerichtshofs über das deutsche Mitbestimmungsgesetz.
BVerfG zu Prozess-Äußerungen: community.beck.de (Markus Stoffels) bespricht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2016 zu den Konsequenzen abwertender Äußerungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Bei der Prüfung, ob eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien zu erwarten sei, dürften zum Nachteil des Arbeitnehmers ausnahmsweise auch Äußerungen aus dem laufenden Gerichtsprozess berücksichtigt werden.
OLG München – Kommunisten: Im Mammutprozess vor dem Oberlandesgericht München, in dem sich zehn türkischstämmige Kommunisten seit Sommer 2016 wegen Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verantworten müssen, verdichtet sich die Vermutung, dass Beweise gegen die Angeklagten unter Verletzung deutscher Strafvorschriften durch Spionage des türkischen Geheimdienstes in der Bundesrepublik erlangt worden seien. Dies gehe aus einem Schreiben der Generalpolizeidirektion Istanbul hervor, berichtet die SZ (Annette Ramelsberger).
VGH Kassel – Abschiebung: Nach einem Bericht von focus.de hat der wegen Totschlags an der Studentin Tugce A. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilte Sanel M. Beschwerde gegen den Beschluss des Wiesbadener Verwaltungsgerichts eingelegt, mit dem der Eilantrag gegen seine Abschiebung nach Serbien zurückgewiesen worden war. Nun müsse der Verwaltungsgerichtshof Kassel darüber entscheiden.
Sozialgerichtsurteile zu Hartz IV: Die taz (Barbara Dribbusch) liefert einen Überblick über den Stand der Sozialgerichtsrechtsprechung zum Arbeitslosengeld II. Danach müssen bei Schülern, die für die Teilnahme am Unterricht einen Computer brauchen, die Kosten für dessen Anschaffung übernommen werden. Ebenso zu übernehmen seien Kosten für die Teilnahme an einer Abiturfeier und Brillenreparaturen.
StA Nürnberg – Reichsbürger: Im Fall des "Reichsbürgers", der im Oktober 2016 in Georgensgmünd den Beamten eines Spezialeinsatzkommandos erschoss, habe sich der Verdacht der Beihilfe zum Totschlag gegen einen seiner Kollegen erhärtet. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass der Polizist wusste, welch tödliche Gefahr von dem "Reichsbürger" ausging, aber nichts unternahm. Zur Sache berichtet die FAZ (Albert Schäffer).
Festgenommene Terrorverdächtige: Die FAZ (Reiner Burger/Stephan Löwenstein) schildert den Fall dreier Jugendlicher, die Teil eines deutsch-österreichischen Terrornetzes sein sollen. Es berichtet auch die SZ (Hans Leyendecker).
Staat und Religion: Auf lto.de findet sich der Podcast eines Interviews (Michael Reissenberger) mit dem Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof zum Thema "Staat und Religion".
Recht in der Welt
Großbritannien – Brexit: In der FAZ (kostenpflichtig) prohezeit die Professorin Waltraud Schelkle, dass der Brexit eine Reihe von Gerichtsprozessen nach sich ziehen wird und dass jedes Mal, wenn die Regierung einen solchen Prozess verliert in der Boulevardpresse zu lesen sein werde, dass den Befugnissen der Richter Grenzen gesetzt werden sollten.
USA – Austieg aus Nafta & TPP: Wie unter anderem die taz (Ingo Arzt) berichtet, setzt Donald Trump um, was er angekündigt hat. Der US-Präsident unterzeichete am Montag einen Erlass zum Ausstieg aus dem noch nicht ratifizierten Freihandelsabkommen TPP. Auch Nafta wolle er neu verhandeln.
Türkei – Verfassungsreform: Nachdem die von Staatspräsident Erdogan gewünschten 18 Verfassungsänderungen am Samstag mit der nötigen Dreifünftelmehrheit vom türkischen Parlament angenommen wurden, will die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) mit einer umfassenden Kampagne versuchen, die Umwandlung der türkischen Verfassungsordnung in ein Präsidialsystem doch noch zu verhindern. Spätestens im April werde das türkische Volk aufgerufen sein, die Pläne in einem Referendum zu billigen oder abzulehnen, kündigt die FAZ (Michael Martens) an.
Sonstiges
Nachtarbeitsverbot für Frauen: lto.de erzählt die Geschichte des Nachtarbeitsverbots, das 1892 im deutschen Kaiserreich speziell für Fabrikarbeiterinnen erlassen worden war – wohl aus Angst vor sittlichem Verfall. Erst 100 Jahre später wurde es vom Bundesverfassungsgericht beseitigt, das gleichzeitig einen besseren Schutz für sämtliche Nachtarbeiter anmahnte.
AfD – Björn Höcke: Der AfD-Politiker Björn Höcke wird wegen seiner umstrittenen geschichtspolitischen Rede lediglich mit einer Ordnungsmaßnahme seiner Partei belegt. Auf einen Ausschluss konnte sich der Parteivorstand nicht einigen, berichtet zeit.de. Im Hbl warnt die frühere Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger davor, das Thema totzuschweigen.
Racial Profiling: In der taz berichtet die Journalistin Sandhya Kambhampati von einer Recherche zu "Racial Profiling", die sie für das Berliner Recherchebüro "Correctiv" vornahm. Problem sei, dass die Kontrollen nicht hinreichend erfasst würden. Nur so könne belegt werden, wie weit verbreitet die Praxis ist.
Das Letzte zum Schluss
Mogelpackung des Jahres: Die vor knapp einem Jahr eingeführte 1,25-Liter-Flasche der Mineralwasser-Marke "Evian" ist von der Vebraucherzentrale Hamburg zur "Mogelpackung des Jahres" gekürt worden. Ihr Format habe die bisherige 1,5-Liter-Flasche ersetzt und wurde bei gleichzeitigem Preisanstieg eingeführt. Dadurch sei der Preis für einen Liter Wasser um bis zu 50 Prozent gestiegen, schreibt die SZ (Stephan Radomsky). Das Unternehmen spricht dagegen von einem neu eingeführten Produkt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. Januar 2017: Tarifeinheit in Karlsruhe / Überwachungskameras überwachen? / Angeklagte ausspioniert . In: Legal Tribune Online, 24.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21758/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
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