Der EuGH verhandelt diese Woche zur deutschen Regelung der Arbeitnehmermitbestimmung. Außerdem in der Presseschau: Generalbundesanwalt Peter Frank fordert Rechtsgrundlage für Bundestrojaner und die Großkanzlei KWM ist insolvent.
Thema des Tages
EuGH – Arbeitnehmermitbestimmung: Am morgigen Dienstag verhandelt der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des Kammergerichts Berlin über die Mitbestimmung von Arbeitnehmern in den Aufsichtsräten deutscher Unternehmen. Dort sitzen nur Vertreter der Arbeitnehmer, die in Deutschland beschäftigt sind, nicht hingegen solche, die im Ausland arbeiten. Die Montags-SZ (Detlef Esslinger) hat sich mit dem Kläger im Ausgangsverfahren und seinen Anwälten getroffen, die in der Regelung eine Verletzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sehen. Die Gewerkschaften verteidigen die Regelung und halten es für abwegig, dass sich Arbeitnehmer wegen der Mitbestimmung davon abgehalten sehen sollen, ins Ausland zu gehen.
Rechtspolitik
Parteienfinanzierung nach NPD-Verfahren: Nach dem gescheiterten Versuch, die NPD verbieten zu lassen, wird über einen Ausschluss der rechtsextremen Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung diskutiert. Die ehemalige Bundesjustizministerin und FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger skizziert auf verfassungsblog.de, wie eine dafür erforderliche Grundgesetzänderung aussehen könnte. Die Samstags-taz (Konrad Litschko) und lto.de tragen die Einschätzungen verschiedener Politiker und Staatsrechtler zusammen.
BKA-Trojaner: Generalbundesanwalt Peter Frank fordert eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von sogenannten Bundestrojanern, um Verdächtige trotz Verschlüsselung effektiv überwachen zu können. Bundesjustizminister Heiko Maas will bald einen Vorschlag vorlegen, der noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden soll. Damit ist jedoch laut Samstags-taz (Christian Rath) und Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) nicht das Problem gelöst, dass das BKA bisher kaum über geeignete Software verfügt. Insbesondere müsste sichergestellt werden, dass nur Kommunikationsdaten an die Ermittlungsbehörden übermittelt werden, da es sich sonst um eine Online-Durchsuchung handele.
Sicherheitsgesetze: In der Samstagsausgabe des neuen deutschland (Ellen Wesemüller) ist ein Interview mit dem Juniorprofessor für Strafrecht Tobias Singelnstein erschienen, in dem dieser die Verschärfung der Sicherheitsgesetze durch die Berliner Koalition kritisiert. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit könnten nicht auf "unbestimmte und weitreichende Kategorien" wie die des "Gefährders" gestützt werden. Forderungen nach mehr Videoüberwachung bescheinigt er "symbolischen Aktionismus".
Social Bots: Mit einem Gesetzentwurf der Länder Hessen, Sachsen-Anhalt und Bayern, nach dem der Einsatz von sogenannten "Social Bots" unter bestimmten Bedingungen unter Strafe gestellt werden soll, setzt sich jetzt auch der Spiegel (Marcel Rosenach u.a., spiegel.de-Zusammenfassung) auseinander.
GWB-Novelle: Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD wollen die Befugnisse des Bundeskartellamtes im Bereich der digitalen Wirtschaft ausbauen. Das geht aus einem Änderungsantrag zur 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) hervor, der dem Montags-Hbl (Dana Heide) vorliegt. Ein Antrag der Grünen geht noch weiter und will, dass das Bundeskartellamt auch jenseits der Digitalwirtschaft auf die Einhaltung des Verbraucherschutzes achtet.
Soko Bau: Die Montags-SZ (Detlef Esslinger) berichtet jetzt auch über den Gesetzentwurf, mit dem die Sozialkasse des Baugewerbes nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts rechtlich abgesichert werden soll, und weist darauf hin, dass die Sozialkasse an den Arbeitsgerichten Wiesbaden und Berlin jedes Jahr mehr als 50.000 Verfahren führe. Wer für die zahlreichen Klagen verantwortlich ist, sei umstritten.
Justiz
BVerfG – Tarifeinheitsgesetz: In dieser Woche wird das Bundesverfassungsgericht zum Tarifeinheitsgesetz verhandeln. Die FAS (Corinna Budras) zeichnet den Weg zum Gesetz nach und erläutert, warum es bisher wenig Wirkung entfaltet: Da die Verfassungsmäßigkeit bezweifelt wird, werde es bisher kaum angewendet, sodass Spartengewerkschaften weiterhin viel streikten.
BVerfG – Verbändebeteiligung im Gesetzgebungsverfahren: Interessenverbände kritisieren, dass sie im Gesetzgebungsverfahren mit sehr kurzen Fristen konfrontiert werden, sodass eine Beteiligung kaum möglich sei. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wirft sogar die Frage auf, "ob Gesetzgebungsverfahren ohne angemessene Beteiligungsfristen nicht einem Normenkontrollverfahren unterzogen werden sollten", so das Montags-Hbl (Daniel Delhaes/Martin Greive).
LG Bonn – Prügelattacke: Vor dem Landgericht Bonn hat der Prozess gegen zwei junge Männer begonnen, denen vorgeworfen wird, den 17-jährigen Niklas P. getötet zu haben. Der Hauptangeklagte soll den Schüler zunächst geschlagen und, als er am Boden lag, auf ihn eingetreten haben. Weil der Tod nach einem rechtsmedizinischen Gutachten auch auf eine Vorschädigung im Gehirn des Getöteten zurückzuführen ist, hat die Staatsanwaltschaft nur wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Der Anwalt der Mutter, die als Nebenklägerin auftritt, geht hingegen von bedingtem Tötungsvorsatz aus. Vom Prozess berichten die Samstags-FAZ (Reiner Burger), die Samstags-Welt (Kristian Frigelj) und zeit.de.
LG Heilbronn – Religiös motivierter Mord: Vor dem Landgericht Heilbronn hat der Prozess gegen einen Mann begonnen, dem vorgeworfen wird, eine Seniorin in ihrer Wohnung überfallen und getötet und anschließend religiöse Parolen an die Wand geschrieben zu haben. Vom Prozessauftakt berichten spiegel.de (Jan Friedmann) und focus.de (Malte Arnsperger).
LG Bochum – Werner Mauss: Eine Reportage des Spiegel (Jan Fleischhauer) befasst sich mit dem Prozess gegen den ehemaligen Agenten Werner Mauss, der vor dem Landgericht Bochum wegen Steuerhinterziehung angeklagt ist.
AG Frankfurt am Main zu Auseinandersetzung mit Polizei: Die FAS (Raquel Erdtmann) berichtet von einem Prozess am Frankfurter Amtsgericht, bei dem ein marokkanischer Staatsbürger wegen Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz angeklagt war. Er wurde zu neun Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Ermittlungen wegen NS-Verbrechen: Mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln laut Montags-taz (Klaus Hillenbrand) gegen insgesamt zwölf Personen, denen vorgeworfen wird, sich als Wachmänner und -frauen in Konzentrationslagern wegen Beihilfe zum Mord strafbar gemacht zu haben. Dabei gehen die Ermittler nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Revisionsverfahren gegen Oskar Gröning davon aus, dass die bloße Anwesenheit in einem Konzentrationslager für die Anklage ausreicht.
Der Filmemacher und Jurastudent Sina Aaron Moslehi stellt in der Samstags-taz die Arbeit der Zentralen Stelle in Ludwigsburg vor, die in Fällen wie diesen Vorermittlungen durchführt.
StA Stuttgart zu Windreich AG: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Anklage gegen Willi Balz und andere Verantwortliche die Windreich AG, darunter der ehemalige baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring, erhoben. Ihnen wird unter anderem Betrug und Insolvenzverschleppung vorgeworfen, wie das Montags-Hbl (Franz Hubik/Volker Votsmeier) und die Montags-taz (Daniel Böldt) berichten.
AG München zu Hundekot: Ein Grundstückskäufer, der das Gelände von Hundekot reinigen ließ, hat keinen Anspruch auf Schadensersatz. Das hat das Amtsgericht München entschieden. Zwar stelle der Hundekot, der zum Zeitpunkt der Grundstücksbesichtigung unter einer Schneedecke verborgen war, einen Sachmangel dar, jedoch habe der Käufer es versäumt, eine Nachfrist für dessen Entfernung zu setzen, so das Amtsgericht. lto.de und lawblog.de (Udo Vetter) berichten.
Richterliche Rechtspolitik: Rudolf Müller, Präsident der Österreichischen Juristenkommission und Mitglied des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, beantwortet auf juwiss.de fünf Fragen des Rechtsanwaltsanwärters Michael Haider und des Assistenzprofessors Jürgen Pirker zu rechtspolitischen Gerichtsentscheidungen. Rechtspolitische Argumente würden sich in vielen Entscheidungen nicht vermeiden lassen. Die Grenze des Zulässigen sei jedoch überschritten, wenn eine gesetzliche Regelung unter Heranziehung rechtspolitischer Erwägungen konterkariert werde.
Michael Hausfeld: Die FAS (Corinna Budras) stellt den amerikanischen Klägeranwalt Michael Hausfeld vor, der bereits in den USA mit spektakulären Fällen für Aufsehen gesorgt hat und dessen Kanzlei letztes Jahr eine Dependance in Berlin eröffnet hat. Jetzt will Hausfeld in Europa VW-Kunden zu ihrem Recht verhelfen.
Online-Portal zu Mietpreisen: Weil viele Mieter bisher davor zurückschreckten, ihre Rechte aus der Mietpreisbremse durchzusetzen, haben die Rechtsanwälte Frederik Gärtner und Daniel Halmer ein Online-Portal ins Leben gerufen, auf dem Mieter ihre Miete prüfen können. Wird eine Verletzung der Mietpreisbremse festgestellt, verschickt das Portal ein Rügeschreiben. Notfalls werde auch geklagt. Als Gegenleistung verlangen die Anwälte eine Erfolgsbeteiligung in der Höhe der Mietersparnisse von vier Monaten. Die Montags-SZ (Benedikt Müller) stellt das Portal vor.
Recht in der Welt
USA – Donald Trump: Nach seiner Amtseinführung am Freitag hat Donald Trump die Geschäfte als Präsident der Vereinigten Staaten aufgenommen. Der Rechtsanwalt Robert Peres erklärt auf lto.de, welche Befugnisse der Präsident nach der US-amerikanischen Verfassung hat. In einem weiteren Beitrag auf lto.de untersuchen Anwälte der US-Kanzlei Baker McKenzie, inwiefern die zentralen Wahlversprechen von Donald Trump nach amerikanischen Recht umsetzbar sind.
USA – Wertheim-Erbe: Eine eigens für den Rechtsstreit gegründete Organisation verklagt in den USA die Deutsche Bank auf insgesamt drei Milliarden Dollar. Die Organisation, die die Rechte der Erben der deutschen Unternehmerfamilie Wertheim vertritt, wirft der Deutschen Bank vor, Vermögenswerte einkassiert, die Auskunft verweigert und Beweise unterschlagen zu haben. bild.de (Herbert Bauernebel) schildert den Rechtsstreit.
Großbritannien – Rollstuhlfahrer: Busfahrer müssen darauf drängen, einen für Rollstuhlfahrer vorgesehenen Platz freizumachen, wenn dieser belegt ist. Das hat der britische Supreme Court entschieden. Danach genießen Rollstuhlfahrer auch Vorrang gegenüber Kinderwagen. Behindertenverbände begrüßten das Urteil, schreibt blog.zeit.de (Christiane Link).
Türkei – Verfassungsreform: Das türkische Parlament hat der umstrittenen Verfassungsreform zugestimmt, mit der Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan mehr Macht erhält. Damit sie in Kraft tritt, muss noch die Bevölkerung in einem Referendum zustimmen. Aus Istanbul berichtet die Samstags-SZ (Mike Szymanski). spiegel.de (Vanessa Steinmetz) untersucht, was an den Vergleichen mit den Regierungssystemen der USA und Frankreichs dran ist.
Sonstiges
Björn Höcke: Nach der stark kritisierten Rede des AfD-Politikers Björn Höcke fordert Heribert Prantl (Samstags-SZ) ein entschlossenes Vorgehen der Strafjustiz. Die Eindeutigkeit von Höckes Aussagen ergebe sich aus dem gesamten Kontext seiner Rede. Die "braunen Tricks" seien "billige Tricks": "Eine Justiz, die sich des Sinns des Volksverhetzungs-Paragrafen bewusst ist, wird sich davon nicht beeindrucken lassen." Meinungsfreiheit solle nicht missbraucht werden können, um das Gedenken an die zu verhöhnen, an deren Verfolgung die Grundrechte erinnerten.
Christian Bommarius (Samstags-BerlZ) kritisiert die Forderung Sigmar Gabriels, die AfD durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Die Aufgabe des Verfassungsschutzes sei es nicht, Wortmeldungen von Parteifunktionären "auf Extremismusverdacht zu beschnüffeln", sondern die Bekämpfung des gewaltbereiten oder gewalttätigen Extremismus.
KWM-Insolvenz: Die einst sechstgrößte Anwaltskanzlei der Welt "King & Wood Mallesons" (KWM) hat Insolvenz angemeldet. Die Montags-FAZ (Marcus Jung) erläutert, wie es dazu kam, und weist darauf hin, dass einige frühere Anwälte inzwischen in der neu gegründeten KWM Europe LLP beraten.
Schiedsrichterfehler: Der Akademische Rat und ehrenamtliche Schiedsrichter Christian Deckenbrock befasst sich auf lto.de mit den Wirkungen von Schiedsrichterfehlern. Im Interesse des geordneten Spielverkehrs führten diese nur in Ausnahmefällen zu einer Spielwiederholung. Anders als die Regeln der meisten Sportverbände es vorsehen, sollte dies nach Ansicht des Autors aber nicht nur für falsche Tatsachenentscheidungen, sondern auch für Regelverstöße gelten. Schiedsrichterfehler, die über das Spiel hinaus Wirkung entfalteten, wie zum Beispiel gelbe und rote Karten oder übersehene Unsportlichkeiten, sollten hingegen öfter korrigiert werden.
Landgericht-Verfilmung: Das ZDF zeigt am 30. Januar und 1. Februar die Verfilmung von Ursula Krechels Roman "Landgericht", in dem es um die Geschichte eines vor den Nazis geflohenen jüdischen Richters und dessen Frau geht. Der Roman basiert auf einer wahren Geschichte, weicht jedoch zum Teil erheblich davon ab. Martin Doerry (Spiegel) kritisiert, dass diese Abweichungen das Klischee des Emigranten bedienten, der es sich im Ausland habe gut gehen lassen, während daheim der Zweite Weltkrieg tobte. Immerhin sorge die ZDF-Dokumentation im Anschluss an die Verfilmung für eine Rehabilitation.
Grundbucheinsicht für Drohnenbesitzer: Rechtsanwalt Tobias Goldkamp (aktuell.breuer.legal) untersucht, ob Drohnenbesitzer einen Anspruch auf Einsicht in das Grundbuch haben. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Drohnenbesitzer, die den Eigentümer eines Grundstücks um Erlaubnis für das Überfliegen fragen möchten, ein "berechtigtes Interesse" im Sinne der Grundbuchordnung haben. Als Konsequenz fordert der Autor die Abschaffung des allgemeinen Überflugverbots.
Karl von Rohr: Das Montags-Hbl (Michael Maisch/Daniel Schäfer) schildert die Arbeit des Rechtsvorstands der Deutschen Bank, Karl von Rohr, der gerade die Verhandlungen mit der US-Justiz über die Konsequenzen aus dem Hypothekenskandal abgeschlossen hat.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. bis 23. Januar 2017: EuGH verhandelt Mitbestimmung / GBA will Bundestrojaner / KWM ist insolvent . In: Legal Tribune Online, 23.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21852/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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