Die NPD ist laut Bundesverfassungsgericht zwar verfassungsfeindlich, aber nicht verfassungswidrig. Außerdem in der Presseschau: Bild wirft Focus Online vor abzuschreiben und Obama begnadigt Wikileaks-Informantin Chelsea Manning.
Thema des Tages
BVerfG zu NPD-Verbot: Die NPD wird nicht verboten. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und einen entsprechenden Antrag des Bundesrats abgelehnt. Zwar verfolge die Partei verfassungsfeindliche Ziele, jedoch fehle es an Anhaltspunkten, dass sie diese auf legale oder illegale Weise erfolgreich durchsetzen könne. Einschränkungen der staatlichen Parteienfinanzierung seien nicht Gegenstand des Verfahrens und Sache des verfassungsändernden Gesetzgebers. Über die Entscheidung sowie die Reaktionen darauf berichten SZ (Wolfgang Janisch), FAZ (Helene Bubrowski), taz (Christian Rath), FR (Ursula Knapp/Steven Geyer), tagesschau.de (Klaus Hempel) und swr.de (Gigi Deppe). Erste Analysen liefern die Rechtswissenschaftler Sebastian Roßner auf lto.de und Sven Jürgensen auf verfassungsblog.de sowie der Anwalt und Grünen-Politiker Johannes Lichdi auf zeit.de.
Reinhard Müller (FAZ) sieht in dem Urteil eine zu begrüßende "Aufforderung zum Diskurs, und nicht zum Verbieten". Heribert Prantl (SZ) kritisiert demgegenüber, dass das Bundesverfassungsgericht eine Chance vertan habe: Ein Verbot der NPD wäre "vorbeugender Opferschutz" gewesen. Das Urteil sei eine "Klatsche" für die NPD, berge aber ein Risiko, meint Dietmar Hipp (spiegel.de): Man könne nur hoffen, dass bei einem Wiedererstarken der Partei rechtzeitig ein neuer Verbotsantrag gestellt werde. Jost Müller-Neuhof hebt hervor, dass mit der jetzigen Entscheidung wichtige Vorarbeiten für zukünftige Verfahren geleistet worden seien. Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) fragt, was wir mit einer solchen "Wollen-aber-nicht-Können-Verfassungsfeindpartei" anfangen sollen, und fordert dazu auf, auf Feindbestimmungen zu verzichten und Rechte einzufordern.
In einem gesonderten Beitrag wirft die FAZ (Reinhard Müller) einen Blick zurück auf die bisherigen Parteiverbotsverfahren gegen die SRP und die KPD in den 1950er Jahren sowie gegen die NPD. meedia.de (Stefan Winterbauer) erklärt, wie es zu Falschmeldungen zahlreicher Medien kam, die kurz nach Beginn der Urteilsverkündung ein NPD-Verbot meldeten.
Rechtspolitik
Digitale Plattformen: Die Fraktionen von SPD und Union fordern eine Regulierung von digitalen Plattformen wie Uber und Airbnb. Ein entsprechender Antrag, der dem Hbl (Dana Heide) vorliegt, soll in den Fraktionssitzungen in der kommenden Woche verabschiedet werden. Darin geht es unter anderem um Verbraucherschutz und Haftungsfragen.
Cybergrooming: Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, fordert einen besseren Schutz von Minderjährigen vor Missbrauch im Netz. Das sogenannte Cybergrooming, also die gezielte Annäherung pädophiler Erwachsener an Kinder und Jugendliche im Netz, müsse auch im Versuchsstadium strafbar sein, fordert der Missbrauchsbeauftragte laut Welt (Sabine Menkens).
Social Bots: netzpolitik.org (Markus Reuter) befasst sich mit der Gesetzesinitiative der Länder Hessen, Bayern und Sachsen-Anhalt, mit der "digitaler Hausfriedensbruch" bekämpft werden soll. Nach dem Entwurf soll das Betreiben von Social Bots strafbar sein, wenn es den AGB des Plattformbetreibers widerspricht. Kritiker halten das Gesetz für überflüssig und befürchten Rechtsunsicherheit.
Justiz
OLG München – NSU-Prozess: Im NSU-Prozess hat der Psychiater Henning Saß begonnen, sein Gutachten über Beate Zschäpe vorzustellen. Dabei habe er deutlich gemacht, dass er die Darstellung der Angeklagten für unglaubwürdig hält und von einer Schuldfähigkeit ausgeht, berichten die SZ (Wiebke Ramm), spiegel.de (Björn Hengst) und zeit.de (Tom Sundermann). Ausführungen zur Gefährlichkeitsprognose werden für den heutigen Verhandlungstag erwartet.
In einem gesonderten Kommentar meint Wiebke Ramm (SZ), dass der Sachverständige mehr fordere als nötig sei. Zschäpe sei schon jetzt nicht mehr gefährlich. Sie kämpfe nicht, sondern ducke sich weg.
LG Hildesheim – Zuhälterei: Vor dem Landgericht Hildesheim hat der Prozess gegen eine Mutter und ihren Lebensgefährten begonnen. Der Frau wird vorgeworfen, ihre damals 15-jährige Tochter zur Prostitution gezwungen zu haben. Ihr Lebensgefährte habe zudem mehrmals die Tochter vergewaltigt. Obwohl die Tochter schon 2013 zur Polizei ging, kommt es erst jetzt zur Hauptverhandlung, schreibt spiegel.de (Benjamin Schulz).
AG München – Trittbrettfahrer: Die SZ (Christoph Dorner) schildert den Prozess gegen eine Jugendliche, der vorgeworfen wird, einen Polizeieinsatz ausgelöst zu haben, indem sie einem Freund der Familie per Telefon drohte. Es ist eines von etwa drei Dutzend Verfahren, die die Staatsanwaltschaft München I nach dem Amoklauf im vergangenen Jahr gegen Trittbrettfahrer angestrengt hat.
OLG Nürnberg zu Hunderudel: Das Oberlandesgericht Nürnberg hat entschieden, dass ein Hunderudel, das einem getrennt lebenden Ehepaar gehört, nicht getrennt wird. Der Ehemann hatte im Rahmen der Hausratsverteilung die Herausgabe von zwei der vier Hunde gefordert. Bei der Billigkeitsentscheidung berücksichtigte das Oberlandesgericht die Wertung von § 90a Bürgerliches Gesetzbuch und wies sämtliche Hunde der Ehefrau zu, bei der die Tiere zuletzt lebten. Den Fall schildern die SZ (Claudia Henzler), lto.de und lawblog.de (Udo Vetter).
LG Hildesheim – VW-Abgasskandal: Erstmals wurde Volkswagen verurteilt, den Kaufpreis für einen Wagen zurückzuzahlen, ohne dass eine vertragliche Beziehung zum Käufer bestand. Volkswagen habe dem Käufer eines Škoda Yeti "in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt", heißt es in dem Urteil des Landgerichts Hildesheim, das der SZ (Katja Riedel) vorliegt. Volkswagen geht davon aus, dass die Entscheidung in der Berufung aufgehoben wird.
LG Köln – Bild vs. Focus Online: Der Springer-Verlag verklagt das Medienhaus Burda vor dem Landgericht Köln auf Unterlassung, Auskunft über die Arbeitsweise und Schadensersatz. Das melden die SZ (David Denk), die taz (Malte Göbel) und lto.de. Das Boulevardblatt wirft Focus Online vor, systematisch kostenpflichtige Inhalte von "Bild plus" zu verwenden. Seine Klage stützt Springer auf das Wettbewerbsrecht und auf das Recht des Datenbankherstellers nach § 87a ff. Urheberrechtsgesetz. Es gehe um die Verteidigung des Geschäftsmodells, so die Bild-Verantwortlichen.
VerfGH Baden-Württemberg zur Hochschulorganisation: Der Rechtsprofessor und ehemalige Universitätspräsident Lothar Zechlin kritisiert in der FAZ das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur Hochschulorganisation vom November vergangenen Jahres. Indem das Gericht an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anknüpfe, aber die Rolle der Hochschullehrer betone, vernachlässige es die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und ihrer Organisation.
Recht in der Welt
Vereinigtes Königreich – Brexit: Die britische Premierministerin Theresa May hat ihre Brexit-Strategie vorgestellt. Danach soll das Vereinigte Königreich nach dem EU-Austritt nicht mehr dem europäischen Binnenmarkt angehören. Stattdessen werde ein umfassender Freihandelsvertrag angestrebt. Die Einwanderung soll reduziert werden und dem Europäischen Gerichtshof will sich London nicht länger unterwerfen. May kündigte auch an, dass das Parlament über das Verhandlungsergebnis abstimmen werde. Die SZ (Christian Zaschke), die taz (Ingo Arzt) und spiegel.de (Christian Teevs) fassen die wichtigsten Inhalte der Rede zusammen.
USA – Chelsea Manning: Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat das Strafmaß von Chelsea Manning erheblich reduziert, sodass die Informantin von Wikileaks schon im Mai freikommt. Das meldet spiegel.de. Manning war wegen Spionage und Verrats zu 35 Jahren Haft verurteilt worden.
USA – Exportrecht: Warum auch die deutsche Industrie die Entwicklungen im US-amerikanischen Exportrecht beobachten sollte, führt Rechtsanwalt Philip Haellmigk in der FAZ aus. Embargos würden nicht an Territorialität oder Nationalität anknüpfen, sondern für alle amerikanischen Güter gelten, die äußerst weit gefasst würden. Nicht-Amerikaner müssten bei Verstößen zudem mit "Seconday Sanctions" rechnen und könnten vom US-Markt ausgeschlossen werden.
IGH – Ukrainekonflikt: Die Ukraine hat beim Internationalen Gerichtshof Klage gegen Russland eingereicht. Das meldet zeit.de. Russland wird vorgeworfen, prorussische Separatisten durch Waffenlieferungen zu unterstützen und Minderheiten auf der Krim zu diskriminieren.
Juristische Ausbildung
Stationsvergütung: lto.de (Marcel Schneider setzt sich mit der geänderten Stationsvergütung im Referendariat in Nordrhein-Westfalen auseinander. Danach müssen Ausbilder die Vergütung an das Landesamt für Besoldung und Versorgung überweisen, das das Geld nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben an den Referendar weiterleitet. Hintergrund ist ein Urteil des Bundessozialgerichts, nach dem die Länder für nicht oder nicht richtig abgeführte Sozialversicherungsbeiträge während des Referendariats haften.
Sonstiges
Verständliches Juristendeutsch: Hendrik Wieduwilt (FAZ) berichtet von einer Veranstaltung in der Landesvertretung Niedersachsen, bei der es um verständliche Sprache in Rechtstexten ging. Das niedersächsische Justizministerium plant, an 15.000 Arbeitsplätzen eine Software zu installieren, die beim Verfassen verständlicher Texte helfen soll. Das Amtsgericht Hildesheim soll außerdem ausgewählte Texte in "Leichte Sprache" übersetzen.
Speichelprobe: lawblog.de (Udo Vetter) schildert einen Fall, in dem die Polizei im Rahmen einer Vernehmung eine Speichelprobe entnehmen wollte, und rät davon ab, freiwillig DNA-Proben abzugeben.
Das Letzte zum Schluss
Liegestütze auf Altar: Ein 38-jähriger Mann ist wegen Hausfriedensbruch und Störung der Religionsausübung zu einer Geldstrafe von 700 Euro verurteilt worden. Der Grund: Er hat für ein Videoprojekt Liegestütze auf dem Altar der St.-Johann-Kirche in Saarbrücken gemacht. Die Richterin am Amtsgericht Saarbrücken sah das als nicht von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt an, so spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. Januar 2017: Kein Verbot der NPD / Bild verklagt Focus Online / Obama begnadigt Manning . In: Legal Tribune Online, 18.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21805/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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