Das Bundesverfassungsgericht greift in Sachen Ceta nicht ein. Außerdem in der Presseschau: InsO-Reform gerät unter Lobbyismusvorwurf, technische Lösung von Grundrechtskonflikten und bedroht Populismus Menschenrechte?
Thema des Tages
BVerfG zu Ceta: Die Bundesregierung habe alle Maßgaben erfüllt, die das Bundesverfassungsgericht für die deutsche Zustimmung in Sachen Ceta vorgegeben hatte. Mit dieser Begründung lehnten die Karlsruher Richter in einem nun veröffentlichten Beschluss vom 7. Dezember 2016 Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Freihandelsabkommen ab. Ceta-Kritiker wollten die Zustimmung der Bundesregierung unterbinden lassen und argumentierten, diese habe die Vorgaben des BVerfG nicht ausreichend umgesetzt. Zuletzt hatten sie im Herbst 2016 vergeblich versucht, das Abkommen mit Eilanträgen zu verhindern. Das Hauptverfahren ist allerdings noch anhängig. Die taz (Christian Rath) gibt die Argumente aus Karlsruhe wieder und zeichnet die Streitigkeiten um das Abkommen nach.
Rechtspolitik
Reform der Insolvenzordnung: Die SZ (Kristiana Ludwig) schreibt über die Anfang Dezember 2016 im Eilverfahren beschlossene "Blitzreform" der Insolvenzordnung. Diese solle bestimmten Großunternehmen das Privileg einräumen, unabhängig von der Zustimmung des Insolvenzverwalters ihre Verträge mit insolventen Unternehmen abzurechnen. Sie solle zudem besagtes Privileg für Finanztermingeschäfte schützen. Rechtsprofessor Christoph Paulus moniert, das Gesetz sei Ergebnis von "massivem Lobbyismus".
Lohngleichheitsgesetz: Rechtsanwältin Anke Kuhn stellt auf lto.de ausführlich die Regelungen zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern vor. Sie erläutert insbesondere, in welchen Punkten das Bundeskabinett den Entwurf im Vergleich zum Vorschlag aus dem Familienministerium abgeschwächt hat. Im Interview mit der taz (Jana Anzlinger) schildert die Bayer-Betriebsrätin Roswitha Süßelbeck, warum sie sich über die Reform freut und wie sie im Betriebsrat mit Lohnungleichheit umgeht. Sie betont, dass entsprechende Regelungen auch für kleinere Unternehmen wichtig wären.
Heike Göbel (FAZ) beanstandet im Leitartikel die Reformen der großen Koalition zur Gleichberechtigung der Frauen. Mit Blick auf das Gesetz zur Entgelttransparenz kritisiert sie, die gleichberechtigte wirtschaftliche Teilhabe von Frauen sei keine staatliche Aufgabe. Frauen hätten bereits "alle Möglichkeiten, mit Männern beruflich und finanziell gleichzuziehen".
Kinderrechte: Die SPD bringt zwei Forderungen in Sachen Kinder vor: Eltern sollen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ihrer Kinder erhalten. Ein Entwurf für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz solle bereits vor der Bundestagswahl auf den Weg gebracht werden, meldet zeit.de. Dies meldet auch die SZ.
Heribert Prantl (SZ) gibt sich verwundert darüber, dass die Kinderrechte nicht längst in das Grundgesetz aufgenommen wurden – dies werde bereits seit 25 Jahren diskutiert. Das Vorhaben erschöpfe sich auch nicht in einer reinen Symbolpolitik. Prantl mutmaßt, die Kosten für ein "gutes Aufwachsen" der Kinder könnten der wahre Grund für die Widerstände gegen ein Kindergrundrecht sein.
EU-Steuer: Eine vom ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti geleitete Gruppe hat mehrere Vorschläge für neue Einnahmequellen der Europäischen Union nach der aktuellen Finanzperiode 2020 ausgearbeitet. Die EU solle direkten Zugriff auf Steuereinnahmen erhalten. In ihrem Abschlussbericht führt die Gruppe verschiedene Optionen an, über die die EU-Finanzminister Ende Januar diskutieren sollen. Die FAZ (Hendrik Kafsack) fasst die Vorschläge zusammen.
Thomas Strobl im Interview: Die Welt (Thomas Vitzthum) spricht mit dem baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) darüber, welche Reformen er im Umgang mit Flüchtlingen und für die Terrorabwehr für sinnvoll erachtet. So fordert er etwa, die Maghrebstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären und einen weiteren Abschiebehaftgrund für Gefährder einzuführen.
Elektronische Fußfessel: focus.de fasst Zweifel an der elektronischen Fußfessel für Gefährder zusammen. Kritiker monierten etwa, sie beschränke Selbstbestimmung und Freiheit des Betroffenen enorm. Es sei auch fraglich, ob die Maßnahme überhaupt dazu geeignet sei, terroristische Angriffe zu verhindern. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) habe beim Vorsitz der Innenministerkonferenz angeregt, schnellstmöglich eine länderübergreifende Umsetzung der Regelungen zu gewährleisten.
Justiz
OLG München – NSU: Der Gutachter Henning Saß konnte im NSU-Prozess erneut nicht zu Zschäpes Schuldfähigkeit Stellung nehmen. Ihre Verteidiger stellten diesbezüglich einen weiteren Antrag: Sollte das Gericht eine Aufzeichnung der Aussage ablehnen, fordern sie, Saß solle eine dienstliche Erklärung abgeben, ob eine etwaige Aufnahme seine Unbefangenheit tangieren würde. spiegel.de (Björn Hengst) mutmaßt, die Verteidigung wolle die Hauptverhandlung hinauszögern und resümiert die Reaktion des Gerichts auf die jeweiligen Anträge. Die SZ (Annette Ramelsberger) zeichnet anhand bedeutender Prozesse Pro und Kontra einer Aufnahme von Aussagen nach und erörtert den Streit um den Mitschnitt des Gutachtens im NSU-Prozess. Das Gericht wolle kommende Woche darüber entscheiden.
BVerfG – NPD-Verbot: "Wo genau liegt der Punkt, an dem ein Parteiverbot die freie Auseinandersetzung beenden muss, um die Demokratie zu schützen?" Dies fragt sich die FAZ (Helene Bubrowski/Reinhard Müller) im Ressort Zeitgeschehen und erinnert an die rechtlichen Voraussetzungen eines Parteiverbots. Unbestritten sei, dass die NPD verfassungsfeindliche Tendenzen aufweise – allerdings sei sie politisch immer weniger bedeutsam. Kommenden Dienstag stehe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an.
VW-Anwalt Manfred Döss: Der Leiter des Rechtswesens bei VW, Manfred Döss, und sein Team haben den Vergleich mit der US-Justiz ausgehandelt. Die SZ (Max Hägler/Klaus Ott) porträtiert den "einflussreichsten Firmenjuristen" mit den "Ellbogen aus Edelstahl" und dessen Rolle für den Autokonzern: "Es sieht so aus, als hätten in der Abgasaffäre bei VW längst nicht mehr der Vorstand und der Aufsichtsrat das Sagen. Sondern die Juristen."
StA Karlsruhe – weißes Pulver an Gerichten: Wie die SZ meldet, ermittelt die Staatsanwaltschaft Karlsruhe wegen der Sendungen von weißem Pulver etwa an das Bundesverfassungsgericht. Der Vorwurf lautet auf Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten.
Recht in der Welt
EGMR zu Religionsfreiheit: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Björnstjern Baade erklärt auf verfassungsblog.de, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe sich in Sachen koedukativer Schwimmunterricht eines "technological fix" – des Burkinis – bedient, um praktische Konkordanz zu schaffen. Baade schildert anhand weiterer Fälle Möglichkeiten für eine technische Konfliktlösung und begrüßt diese Methode zur Abmilderung von Interessenkonflikten.
USA – weiteres Vorgehen gegen VW: Die US-Justiz plant, gegen einzelne VW-Manager gerichtlich vorzugehen – sechs VW-Mitarbeiter sind angeklagt. Sollten sie schuldig gesprochen werden, drohten ihnen langjährige Haftstrafen und Geldbußen. Eine Schlüsselrolle habe der Entwicklungsvorstand der Marke VW, Hans-Jakob Neußer. Das Hbl (Stefan Menzel/Martin Murphy u.a.) zeichnet anhand des Verlaufs des VW-Skandals persönliche Verfehlungen der Mitarbeiter nach.
In einem weiteren Beitrag schildert das Hbl (Volker Votsmeier) Fälle, in denen einzelne Personen bereits Konsequenzen aus dem VW-Skandal tragen: Der VW-Ingenieur James Liang warte auf das Urteil – er habe seine Schuld gestanden. Der VW-Manager Oliver Schmidt wurde bei einem Urlaub in Florida festgenommen. Die US-Justiz ginge in Fällen von Wirtschaftskriminalität vermehrt auch gegen handelnde Personen vor – womöglich betreffe dies auch bald die Topmanager von VW.
USA – Vergleich mit VW: Die SZ (Klaus Ott) führt aus, welches Fehlverhalten VW im Vergleich mit dem US-Justizministerium zugegeben hat. So gesteht VW etwa, dass 40 Mitarbeiter Dokumente vernichtet haben sollen, um die Manipulation zu vertuschen und die Ermittlungen zu behindern. Dass VW dieses Vorgehen zugebe, sei neu, so die SZ .
Grischa Brower-Rabinowitsch (Hbl) fordert, der VW-Aufsichtsrat müsse nun nach dem Vergleich mit dem US-Justizministerium endlich die Rolle des ehemaligen Vorstands Winterkorn vollumfänglich klären. Ob die VW-Mitarbeiter in den USA zur Verantwortung gezogen werden, sei fraglich, nachdem Deutschland nicht dorthin ausliefere. Topmanager wurden bislang nicht angeklagt, obwohl der "gesunde Menschenverstand" eingebe, dass eine Topführungskraft die Betrügereien billigend in Kauf nahm.
Türkei – Verfassungsreform: Michael Thumann (zeit.de) schildert in seiner Kolumne, warum die türkische Verfassungsreform zwar des Volkes Wille und dennoch ein Schritt in die Diktatur sein könne.
Ungarn – Haft für Flüchtlinge: Die ungarische Regierung erwägt, wegen einer erhöhten Terrorgefahr Flüchtlinge zu inhaftieren, bis deren Asylverfahren abgeschlossen ist. spiegel.de unterstreicht, es sei unklar, ob eine solche Regelung EU-rechtskonform wäre.
Polen – Konstitutionalismus: Die akademischen Assistentinnen Anna Mrozek und Anna Śledzińska-Simon befassen sich auf verfassungsblog.de in einem englischsprachigen Beitrag mit dem Konstitutionalismus in Polen. Sie werfen auch einen Blick auf die Rolle des Bundesverfassungsgerichts und das Rechtsstaatsprinzip in Deutschland.
Polen – Protest gegen Regierung: Nachdem der Protest im polnischen Parlament beendet ist, fragt sich Florian Hassel (SZ), wie die Opposition nun weiter vorgeht. Er meint, es bleibe bislang nur die Möglichkeit, Rechtsverletzungen durch die Regierung "gründlich und klar nachvollziehbar zu dokumentieren". Zudem sollte sie Bürger zu weiteren Protesten gegen die Regierung anregen.
EuG zu Paninibildern: Auch die FAZ (Hendrik Wieduwilt) schreibt nun darüber, dass das Europäische Gericht die Klage eines Panini-Konkurrenten abgewiesen hat. Die EU-Kommission habe keine Fehler gemacht, als sie die Beschwerde des Unternehmens Topps Europe zurückwies, so das EuG.
Sonstiges
Menschenrechte und Populismus: "Wenn die Rechte einiger weniger verletzt werden, wackeln auch die Rechte der vermeintlichen Mehrheit, in deren Namen die Verletzungen stattfinden", so der Geschäftsführer von Human Rights Watch, Kenneth Roth. Die Menschenrechtsorganisation warnt anlässlich der Veröffentlichung ihres Jahresberichts vor der Gefahr für Menschenrechte durch populistische Politik, wie zeit.de schreibt.
Refugee Law Clinics: Seit September 2016 sammeln sich die "Refugee Law Clinics" in Deutschland unter dem Dachverband "RLCS Deutschland". Aus diesem Anlass interviewt juwiss.de (Maximilian Oehl) die Dachverband-Vorstände Laura Hilb und Christoph König unter anderem über die Gründe und Zielsetzungen des Dachverbands, ihre persönliche Motivation und die Unterstützer der "Clinics".
Buch über Kirchenrecht: Die taz (Philipp Gessler) rezensiert das Buch "Richter Gottes. Die geheimen Prozesse der Kirche". Die Journalistin Eva Müller gibt ihre Einblicke in die Prozesse vor Kirchengerichten und die Problematik der Kirche als Arbeitgeberin wieder. Sie illustriert insbesondere die kirchenrechtlichen Schwierigkeiten von Paaren, die in Eheprozessen vor Kirchengerichten ihre erste Ehe annullieren lassen wollen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Januar 2017: Ceta-Kritiker erneut gescheitert / Blitzreform der Insolvenzordnung / Populismus versus Menschenrechte . In: Legal Tribune Online, 13.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21709/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
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