Bundesregierung diskutiert weitere sicherheitspolitische Maßnahmen. Außerdem in der Presseschau: Bundesverwaltungsgericht zu Referendar-Unterhalt, Angriff auf Obdachlosen in Berlin und erster Putsch-Prozess in der Türkei.
Thema des Tages
Sicherheitspolitik: Die FAZ (Johannes Leithäuser), die SZ (Christoph Hickmann/Lisa Schnell), zeit.de (Lenz Jacobsen u.a.) und das Hbl (Frank Specht) fassen die Reaktionen auf das Positionspapier der CSU zu sicherheitspolitischen Maßnahmen zusammen. Gefordert wurden unter anderem die Ausweitung der Überwachung öffentlicher Plätze, verschärfte Abschiebungsregelungen, die Einführung von Gesichtserkennungssystemen und die generelle Anwendung von Erwachsenenstrafrecht auf Heranwachsende. Ein Entwurf zur Einführung eines neuen Abschiebehaftgrundes für "Gefährder" befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Wie die taz (Uwe Rada/Simone Schmollack) berichtet, hat das Kabinett außerdem einen Gesetzentwurf zur Erleichterung von Überwachung an öffentlichen Orten beschlossen. Der Deutsche Richterbund hat sich gegen die Ausweitung der Überwachung ausgesprochen, meldet die SZ, da sich Straftaten so kaum verhindern ließen.
Christian Bommarius (BerlZ) hält die Vorschläge für überzogen und in der Sache falsch: "Nicht die Gesetze haben versagt, sondern ganz offenkundig die Behörden." Die Behörden hätten die erforderlichen Aufenthaltsbeschränkungen und Meldepflichten gegen Amri nicht angeordnet, die gesetzlich möglich gewesen wären. SPD-Fraktionsvize Eva Högl verweist im Interview mit dem Hbl (Frank Specht) ebenfalls auf die Einhaltung bestehender Gesetze. Daneben fordert sie eine strengere Überwachung von Gefährdern.
Christian Rath (taz) erläutert, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Orte durch Private wie die Berliner Verkehrsbetriebe betrifft. Die Aufstellung privater Videokameras soll in Zukunft erleichtert werden.
Rechtspolitik
Datenschutz: Der EU-Abgeordnete der Grünen Jan Philipp Albrecht und der Hamburger Justizsenator Till Steffen besprechen in der FAZ den überarbeiteten Entwurf zur Anpassung des Bundesdatenschutzgesetzes an die Datenschutz-Grundverordnung der EU. Der Entwurf stelle die Errungenschaften der Datenschutz-Grundverordnung in Frage und unterlaufe die neuen europäischen Standards. Mit diesem Entwurf würde das Bundesinnenministerium "Deutschland vom Vorreiter zum Schlusslicht des Datenschutzes in Europa machen".
Sozialkasse Bau: Die SZ (Detlef Esslinger) berichtet ausführlich von einem Gesetzentwurf zur Regelung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe, der von den Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD in den Bundestag eingebracht wurde. Die Gesetzinitiative sei allerdings vom Bundesarbeitsministerium ausgegangen, nachdem das Bundesarbeitsgericht die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen des Baugewerbes für unwirksam erklärt hatte, die das Sozialkassenverfahren regelten. Die Sozialkasse Bau erleichtert den Ausgleich von Urlaubsentgelten und Ausbildungskosten im Baugewerbe.
Pkw-Maut/EU-Kommission: Angesichts der Einigung von EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zur Ausgestaltung der geplanten Pkw-Maut und nach dem Verzicht auf eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof befürchtet die FAZ (Michael Stabenow), dass die EU-Kommission politische Ausnahmen für Deutschland mache und ihre Rolle als Vertragshüterin vernachlässige. Ähnliche Probleme gebe es bei der Quotenregelung für Medizinstudenten in Österreich und beim Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen.
Justiz
BVerwG zu Referendarsvergütung: Das Bundesverwaltungsgericht hat die Absenkung der Unterhaltsbeihilfe für Referendare in Nordrhein-Westfalen für rechtens erklärt, meldet die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Das Land hatte die Beihilfe auf 85 Prozent gesenkt, nachdem Rechtsreferendare nicht mehr im Beamtenverhältnis auf Widerruf, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis stehen. Das BVerwG hat nun entschieden, dass die hierzu erlassene Rechtsverordnung rechtmäßig war und das existenzsichernde Niveau nicht unterschritten worden sei.
BFH zu Rechnungsberichtigung: Der Bundesfinanzhof hat seine Rechtsprechung zur Rechnungsberichtigung geändert und legt die deutsche Regelung unionsrechtskonform dahingehend aus, dass eine Berichtigung der Rechnung auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem die Rechnung ursprünglich gestellt worden ist. Damit folgt der BFH dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Sache "Senatex", meldet die FAZ (Hendrik Wieduwilt).
VG Berlin zu netzpolitik.org-Affäre: Wie der Tsp (Jost Müller-Neuhof) in eigener Sache berichtet, musste das Bundesjustizministerium Auskunft über die rechtliche Einschätzung der "netzpolitik"-Affäre erteilen. Im Sommer 2015 hatte das Justizministerium die Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen die Blogger wegen Landesverrats gestoppt und sich dabei auf ein hierfür erstelltes Gutachten berufen. Der Tagesspiegel klagte gegen die Geheimhaltung der gutachterlichen Stellungnahme und bekam nun vor dem Verwaltungsgericht Berlin Recht.
BVerfG – Vorratsdatenspeicherung: Nach Meldung der FAZ (Hendrik Wieduwilt) will der Verein Zentrum für digitalen Fortschritt D64 gegen die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland vorgehen und hat beim Bundesverfassungsgericht beantragt, "dass die gesetzliche Speicherpflicht ausgesetzt werden müsse". Gestärkt fühlten sich die Datenschützer durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der vergangenen Woche, die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien und Schweden beanstandete. In Deutschland greift die Speicherpflicht ab Juli 2017.
GBA – Anis Amri: Die Welt (Florian Flade) berichtet, dass das Bundeskriminalamt im Auftrag des Generalbundesanwalts die Ermittlungen im Fall Anis Amri übernimmt und stellt die Ermittlungsarbeit von BKA sowie weiteren Sicherheitsbehörden im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum dar.
StA Berlin – Angriff auf Obdachlosen: Nach einer Öffentlichkeitsfahndung haben sich die mutmaßlichen Täter gestellt, die in der Nacht zum ersten Weihnachtstag versucht haben sollen, einen schlafenden Obdachlosen in der Berliner U-Bahn in Brand zu setzen. Gegen die 15- bis 21-Jährigen wird wegen versuchten Mordes ermittelt, berichten spiegel.de (Christian Neeb/Annett Meiritz), die Welt (Claudia Becker/Michael Behrendt) und die taz (Alke Wierth). focus.de (Ulf Lüdeke) gibt die Einschätzung des Rechtsanwalts Timo Westermann zum möglichen Strafmaß wieder.
Recht in der Welt
EuGH zu Massenentlassungen: Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Mitgliedsstaaten unter bestimmten Voraussetzungen Massenentlassungen zum Schutz von Arbeitnehmern untersagen. Eine solche gesetzliche Regelung darf allerdings nicht "allgemein und ungenau" gefasst sein, meldet community.bek.de (Christian Rolfs).
Türkei – Putschversuch: Wie unter anderem spiegel.de meldet, beginnt in Istanbul der erste Prozess gegen mutmaßliche Unterstützer des Putschversuchs in der Türkei. Den 29 ehemaligen Polizisten wird der Versuch eines Umsturzes und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen, weil sie Befehle zur Verteidigung des Präsidenten-Palastes ignoriert haben sollen.
Sonstiges
Revisionsrecht: Bundesrichter Thomas Fischer nimmt in der Kolumne auf zeit.de das Rechtsmittelrecht zum Anlass, das Verhältnis von Tatrichtern und Revisionsrichtern und die Fortbildungstätigkeit der Letzteren zu besprechen. Dabei zeichnet er den Werdegang in der Justiz nach und zeigt auf, welche Faktoren Einfluss auf die Urteilsfindung haben können.
Unternehmensdigitalisierung: Rechtsanwalt Gunnar Sachs beschreibt in der FAZ, wie Unternehmen den Digitalisierungsprozess erfolgreich bewältigen könnten. Er rät zur Implementierung funktionierender Prozesse und zum Einsatz von geeigneten Digitalisierungsbeauftragten mit enger Vernetzung zu Entscheidungsträgern.
Fintech: Rechtsanwalt Carsten Kociok stellt in der FAZ dar, welche Voraussetzungen technologiebasierte Finanzdienstleister (Fintech-Unternehmen) erfüllen müssen, um ihre Produkte auf dem deutschen Markt anbieten zu können. Im Gegensatz dazu gebe es in Großbritannien ein vereinfachtes Modell für Start-Ups, das den Unternehmen ermögliche, ihre Dienstleistungen vorübergehend auf dem Markt zu testen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht habe dagegen keine Befugnisse, Ausnahmen von den Anforderungen des Finanzaufsichtsrechts auszusprechen.
Das Letzte zum Schluss
Reichsbürger vor Gericht: Ein selbst ernannter Reichsbürger hat sich nach Meldung von justillon.de (Andreas Stephan) erfolglos gegen die Staatsmacht in Gestalt des Amtsgericht Cham zu Wehr gesetzt. Nachdem der Mann sich geweigert hatte, auf der Anklagebank Platz zu nehmen, wurde sein Einspruch gegen einen Strafbefehl verworfen und ihm auferlegt, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. Dezember 2016: Weitere Sicherheitsmaßnahmen / BVerwG zu Referendar-Unterhaltsbeihilfe / Fischer zu Revisionsrecht . In: Legal Tribune Online, 28.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21583/ (abgerufen am: 27.04.2024 )
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