Der BGH befindet einen Richter wegen eines Bildes auf Facebook für befangen. Außerdem in der Presseschau: Anonyme Samenspenden sollen bald der Geschichte angehören und der GBA möchte möglichst viele Syrien-Heimkehrer wegen Mordes drankriegen.
Thema des Tages
BGH zu Befangenheit wegen Facebookbild: Der Bundesgerichtshof hat einen Richter für befangen befunden, der auf Facebook mit dem T-Shirt-Aufdruck "Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA" zu sehen war. Diese Äußerung sei nicht einfach nur neckisch, sondern dokumentiere eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lasse, dass dieser Spaß an der Verhängung hoher Strafen habe und sich über die Angeklagten lustig mache, urteilte der BGH. Der Internetauftritt sei deshalb mit der gebotenen Unvoreingenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren. Weil ein so befangener Richter am Urteil einer Großen Strafkammer des Landgerichts Rostock mitgewirkt hatte, mit dem zwei Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubes zu acht bzw. fünf Jahren und zehn Monaten Freiheitsentzug verurteilt worden waren, wurde es aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung an ein anderes Gericht zurückverwiesen. Nach Einschätzung der SZ (Heribert Prantl) kann die Entscheidung als Wunder betrachtet werden, da auf Befangenheit eines Richters gestützte Revisionsrügen nur selten durchgingen. Es berichtet auch die taz (Christian Rath).
Rechtspolitik
Bundestrojaner: Nach vier Jahren Programmierungsarbeit hat das Bundeskriminalamt den neuen Bundestrojaner präsentiert, der nur können soll, was er auch darf – und zwar auf laufende Kommunikation zugreifen. Es fehle jedoch nach wie vor an einer gesetzlichen Grundlage für die Quellen-TKÜ, merkt Christian Rath (BadZ) an. Eine solche sei bisher nur für präventive Ermittlungen des BKA, nicht aber für die Strafverfolgung gegeben.
Insolvenzreform: Die FAZ (Joachim Jahn) befasst sich mit der Kritik am Reformplan der Insolvenzordnung. In seiner Stellungnahme an den Rechtsausschuss des Bundestages habe der Bundesverband der Deutschen Industrie die geplante Begünstigung von Finanzämtern und Krankenkassen bemängelt. Dadurch werde es zum befürchteten Wettlauf der Gläubiger kommen, bei welchem den öffentlichen Gläubigern ein entscheidender Vorsprung eingeräumt werde. Dies gefährde das insolvenzrechtliche Ziel einer gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger.
Auslandskindergeld: Die Bundesregierung erwägt das Kindergeld für EU-Ausländer, deren Kinder im Ausland leben, entsprechend der dort geringeren Lebenshaltungskosten zu kürzen. Wie Christian Rath (taz) schreibt, gehe es ihr dabei vor allem um Integrationspolitik. Das deutsche Kindergeld solle keinen Anreiz dafür bieten, dass Eltern ihre Heimat und Kinder verlassen, um in Deutschland zu arbeiten.
Abschaffung anonymer Samenspenden: Nach Plänen der grünen Bundestagsfraktion sollen anonyme Samenspenden in Zukunft unterbunden werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der aus einer Samenspende gezeugten Kindern einen Anspruch auf Auskunft über den Namen ihres Vaters verschaffen würde, soll in Kürze in den Bundestag eingebracht werden, schreibt die FAZ (Helene Bubrowski). Zwar habe das Bundesverfassungsgericht diesen Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung schon 1989 hergeleitet, die anonyme Samenspende sei jedoch weiter gängige Praxis.
Haftung für Atom-Altlasten: Wie SZ (Michael Bauchmüller) berichtet, haben mehrere Umweltverbände davor gewarnt, die deutschen Stromkonzerne langfristig aus ihrer Haftung für nukleare Altlasten zu entlassen. Die Abweichung vom Verursacherprinzip sei als schockierend bezeichnet worden. Hintergründe und Einzelheiten des Entwurfs der Atomfinanz-Kommission schildert noch einmal die taz (Malte Kreutzfeldt). In einem gesonderten Kommentar bezeichnet Malte Kreutzfeldt (taz) die von Umweltverbänden geforderte unbegrenzte Haftung als unpraktikabel, weil bei der zu befürchtenden Insolvenz der Stromkonzerne am Ende auch der Steuerzahler zahle.
Verbandsklagerecht bei Datenschutzverstößen: Das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts tritt nach der gestrigen Verkündung im Bundesgesetzblatt am heutigen Mittwoch in Kraft, meldet internet-law (Thomas Stadler).
Leiharbeit und Werkverträge: In einem Update auf Handelsblatt-Rechtsboard weist der Rechtsanwalt André Zimmermann darauf hin, dass das Kabinett am 9. März über den geänderten Gesetzentwurf zu Leiharbeit und Werkverträgen beschließen soll und stellt die geplanten Änderungen überblicksartig dar.
Justiz
BGH zur Widerrufsbelehrung: Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, über die lto.de berichtet, sind die neuen Verbraucherkreditverträge der Sparkassen wirksam. Die Sparkassen müssten in ihrer Widerrufsbelehrung zu Verbraucherdarlehensverträgen keine Hervorhebungen machen. Auch Ankreuzoptionen dürften sie verwenden.
OLG München – NSU-Prozess: Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München hat am Dienstag ein Rechtsmediziner von den Verletzungen eines Mannes berichtet, den Uwe Böhnhardt bei einem Banküberfall in Zwickau niedergeschossen hatte, und damit dessen skrupelloses Vorgehen deutlich gemacht. Der Mann habe nur wegen eines zufällig anwesenden Arztes überlebt. Das Gericht werde die Tat wohl als Mordversuch qualifizieren, schätzt spiegel.de (Gisela Friedrichsen) ein.
LG Paderborn zu Unfall mit Streifenwagen: Vor dem Landgericht Paderborn ist ein Lastwagenfahrer zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung von zwei Polizisten verurteilt worden, die beim Aufprall seines Lkw auf ihren Streifenwagen ums Leben gekommen waren. Das Gericht habe es als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte seine Sorgfaltspflicht durch Überschreitung der Fahrtzeit und Einnahme von Schmerzmitteln verletzt habe, schreibt spiegel.de (Gesa Mayr).
BFH zu Umsatzsteuer: Nach Darstellung der Rechtsanwältinnen Gertraud Bauer und Marion Fetzer in der FAZ wirkt sich das Urteil aus Januar 2016, mit welchem der Bundesfinanzhof die Umsatzsteuer neugeordnet hat, nicht nur darauf aus. Vielmehr könnten jetzt auch Personengesellschaften Organgesellschaften im umsatzsteuerlichen Sinne sein – und nicht mehr nur wie bisher juristische Personen.
GBA – Im Zweifel Mord: Der Generalbundesanwalt will möglichst viele Syrien-Rückkehrer neben Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung auch wegen Mordes, versuchten Mordes oder Beihilfe zum Mord anklagen. Selbst geringfügige Beiträge oder das vergebliche Warten auf den Einsatz werden nach dieser Linie als Beiträge zur Mord-Maschinerie des IS gesehen. Wie unterschiedlich deutsche Gerichte dem folgen, zeigt die SZ (Lena Kampf und Georg Mascolo) anhand von drei Prozessen gegen Islamisten vor den Oberlandesgerichten München, Celle und Düsseldorf auf.
Bayern gegen Bund: Als nächsten Schritt hin zu einem beabsichtigten Klageverfahren der bayerischen Staatsregierung gegen den Bund hat die Partei nun den Rechtswissenschaftler Markus Möstl der Universität Bayreuth mit dem Entwurf der Klageschrift beauftragt und ihn zum Prozessbevollmächtigten bestellt. Zunächst solle jedoch eine Antwort Merkels auf den von Ministerpräsident Horst Seehofer im Januar zugesandten Brief abgewartet werden. Dieser gelte nach bayerischer Ansicht gleichzeitig als Beginn einer Sechsmonatsfrist, bis zu deren Ablauf die Klage eingereicht werden kann, schreibt der Spiegel (Björn Hengst).
Recht in der Welt
Wikileaks – NSA: Wikileaks hat fünf neue Gesprächsprotokolle und 13 Selektoren der NSA veröffentlicht. Daraus ergibt sich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel noch intensiver ausgespäht wurde als bisher bekannt war. Es wurden auch Gespräche mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Berlusconi, Sarkozy und Netanyahu abgehört. Über die Vorgänge berichten Fabian Warislohner auf netzpolizik.org, die SZ (John Goetz und Hans Leyendecker) und zeit.de.
Niederlande - Freizügigkeit: verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) setzt sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu einer in einem niederländischen Problembezirk verhängten Zuzugsperre für Arme aus. Das Gericht habe darin keine Verletzung der Freizügigkeit gesehen, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet ist, und verkenne damit deren Gehalt.
Russland – Verurteilung zu Schmerzensgeld: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland verurteilt, dem regierungskritischen Blogger Alexej Nawalny ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 Euro zu zahlen, weil dessen Verurteilung zu fünf Jahren Lagerhaft willkürlich gewesen sei. Russland könne gegen die Entscheidung aber noch Rechtsmittel einlegen, schreibt zeit.de.
Türkei – Menschenrechtslage: Laut einem Bericht der taz hat Amnesty International scharfe Kritik an der Menschenrechtslage in der Türkei geübt. Flüchtlinge würden ohne Kontakt zur Außenwelt, teils in Geheimgefängnissen festgehalten. Wie die SZ (Daniel Brössler u.a.) schreibt, hat die Türkei zudem die Zusage in Frage gestellt, von der Nato gerette Flüchtlinge zurückzunehmen. Damit stehe und falle der ganze Nato-Einsatz gegen Schlepper auf dessen Rahmenbedingngen sich die Türkei, Griechenland und Deutschland geeinigt hatten.
Chile – Colonia Dignidad: Zu den Tätern und Opfern der chilenischen Sekte Colonia Dignidad gehörten viele Deutsche. Bei einer Veranstaltung des European Center for Constitutional and Human Rights wurde nun öffentlich die Untätigkeit der deutschen Justiz und die Zurückhaltung der Bundesregierung bei der Aufklärung der eigenen Verstrickung kritisiert, schreibt die taz (Wolf-Dieter Vogel).
Sonstiges
Fischer zu Presse und Strafrecht: Auf zeit.de schließt Bundesrichter Thomas Fischer seine Serie zu Presse und Strafrecht ab. Die Kommunikation über Verbrechen und Strafe trage Züge eines Exorzismus aus ritueller Abarbeitung, Verteilung, Zuschreibung und Wiedergutmachung von Schuld in dem es keine bloße Wirklichkeit gebe.
Clausnitz – Kritik an Polizeieinsatz: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Andreas Kerkemeyer kritisiert auf juwiss.de den Polizeieinsatz in Clausnitz. Die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands, der ein Vorgehen gegen die "nichtstörenden" Flüchtlinge habe rechtfertigen können, seien nicht gegeben gewesen. Joachim Käppner (SZ) meint die Polizei sei in Clausnitz unterbesetzt gewesen, weshalb sie nicht energischer gegen die Rechten habe einschreiten können. Durch solch hilfloses Agieren leide das Rechtsgefühl der Menschen.
Kulturrechte: Auf verfassungsblog.de philosophiert der Wissenschaftler Randall Hansen in englischer Sprache über das Recht der Mehrheitsgesellschaft, die eigene Kultur gegen schädigende Einflüsse wie Terror und wirtschaftlichen Ruin zu verteidigen. Was für Minderheiten anerkannt sei, müsse auch für Mehrheiten gelten können.
Safe-Harbor: Nach Auskunft des HBl (Anja Stehle) wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach das Safe-Harbor-Abkommen keine Grundalage mehr für den Datentransfer in die USA ist, von Unternehmen weitgehendst ignoriert. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte leite deshalb nun gegen drei Unternehmen ein Bußgeldverfahren ein.
Neue Menschenrechtsbeauftragte: Wie spiegel.de (Severin Weiland) meldet, ist die SPD-Abgeordnete Bärbel Kofler zur neuen Menschenrechtsbeuftragten der Bundesregierung ernannt worden.
Das Letzte zum Schluss
Rülpser mit Folgen: Ein junger Mann rülpste im Wiener Prater, nachdem er einen Döner mit Zwiebeln gegessen hatte. Dummerweise stand genau in dem Moment ein Polizist neben ihm, der sich davon angegriffen fühlte und ihm wegen Verletzung des öffentlichen Anstands einen Strafbefehl über 70 Euro ausstellen ließ. Daran erhitzen sich nun die Gemüter, schreibt die SZ (Cathrin Kahlweit).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. Februar 2016: Befangen wegen Facebookbild / Anonyme Samenspenden / Plädoyer Mord . In: Legal Tribune Online, 24.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18567/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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