Nachdem Karlsruhe ein NPD-Verbot für unzulässig erklärte, soll der Partei nun die staatliche Finanzierung gekappt werden. Außerdem in der Presseschau: was dem Regensburger OB vorgeworfen wird und warum Björn Höcke (AfD) keine Strafe droht.
Thema des Tages
Ausschluss von der Parteifinanzierung: In Bund und Ländern gibt es viel Zustimmung zum Vorschlag, dass verfassungsfeindliche Parteien, die mangels Relevanz nicht verboten werden können, bei der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden. Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hatte das Thema bei der Verkündung des NPD-Urteils am Dienstag aufgebracht, aber zugleich darauf hingewiesen, dass hierfür eine Grundgesetz-Änderung erforderlich wäre. Über die Diskussion und ihre Vorgeschichte berichten die SZ (Wolfgang Janisch), der Tsp (Jost Müller-Neuhof) und swr.de (Lisa Bux/Max Baur).
BVerfG gegen NPD-Verbot: Für Heinrich Wefing (Zeit) zeigt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass in Deutschland keine Gesinnungsdiktatur herrscht, sondern auch den Feinden der Freiheit "in weiten Grenzen" Freiheit gewährt werde. Christian Rath (taz.de) stellt fest, dass der neue Potenzialitäts-Maßstab dem Erfordernis einer konkreten Gefahr für die Demokratie nahekomme. Der neue Maßstab stärke zwar scheinbar den freien demokratischen Diskurs. Doch der zugleich lancierte Vorschlag, extreme Parteien bei der Parteifinanzierung auszuschließen, mache die Botschaft unglaubwürdig.
Rechtspolitik
StPO: Der Anwalt Björn Gercke kritisiert auf lto.de den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Strafprozessordnung. Zunächst habe sich das Justizministerium vom Anspruch der von ihm eingesetzten Expertenkommission auf eine umfassende Reform verabschiedet. Dann seien die nur noch punktuellen Reformvorschläge, die zunächst ausgewogen waren, einseitig im Sinne des Deutschen Richterbundes geändert worden.
Bundesarchiv: An diesem Donnerstag will der Bundestag über eine Novelle des Bundesarchivgesetzes beschließen. Im Interview mit Bild (Hans-Wilhelm Saure) spricht Michael Hollmann, der Präsident des Bundesarchivs, über die Pläne. Endlich würden die gesetzlichen Voraussetzungen für die Archivarbeit im digitalen Zeitalter geschaffen. Kritiker seien zu sehr auf Ausnahme-Regelungen für Geheimdienstakten fixiert.
Autobahnen: Der Bundesrechnungshof kritisiert die Pläne für eine Grundgesetzänderung zum Betrieb der Autobahnen, berichtet spiegel.de (Sven Böll). Die geplante Änderung lasse zu viele Schlupflöcher, so dass es am Ende doch zu einer Art Privatisierung kommen könne.
Fake News: Thorbjørn Jagland, der Generalsekretär des Europarats, warnt laut spiegel.de vor staatlichen Maßnahmen gegen vermeintlich falsche Nachrichten. Dies könne zu einer Art Zensur werden.
ePrivacy: Die Anwälte Tom Wybitul und Lukas Ströbel stellen auf lto.de den Entwurf der EU-Kommission für eine ePrivacy-Verordnung vor. Diese soll den Datenschutz beim Telefonieren, E-Mailen und bei Textnachrichten regeln und die bisherige ePrivacy-Richtlinie ersetzen. Erläutert werden die Vorschläge zu Cookies, Direktmarketing und Adblockern. Die Autoren kritisieren, dass keine datenschutzfreundlichen Voreinstellungen verlangt werden.
Justiz
BGH zu Auto als Fahndungsobjekt: Wer ein Auto kauft, das im Schengen-Informationssystem als gestohlen gemeldet ist, kann vom Kaufvertrag zurücktreten. Das entschied jetzt laut SZ (Wolfgang Janisch) und lto.de der Bundesgerichtshof. Die Eintragung ins SIS-Fahndungssystem sei ein Rechtsmangel.
BGH zur Einberufung von Gesellschafterversammlung: Rechtsprofessor Ulrich Noack stellt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom November 2016 vor. Danach kann der abberufene, aber noch im Handelsregister stehende GmbH-Geschäftsführer nicht wirksam eine Gesellschafterversammlung einberufen. Dort gefasste Beschlüsse seien deshalb nichtig.
VG Osnabrück zu Lehrerin mit Kopftuch: Das Verwaltungsgericht Osnabrück entschied, dass eine Lehrerin, die 2013 nicht eingestellt wurde, weil sie mit Kopftuch unterrichten wollte, keinen Anspruch auf Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz beanspruchen kann. Es komme auf die Rechtslage 2013 an und nicht auf die Rechtslage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2015, wonach generelle Kopftuchverbote an Schulen unzulässig seien, berichtet spiegel.de.
LG München I zu unnötiger Lebensverlängerung: Das Landgericht München I hat den Schadensersatzanspruch eines Mannes verneint, dessen todkranker, dementer Vater zu lange künstlich am Leben gehalten wurde. Es sei zwar eine Pflichtverletzung des Arztes, dass er den Sohn nicht nach dem mutmaßlichen Willen des Vater fragte. Das unterlassene Gespräch sei aber nicht kausal für die Weiterbehandlung gewesen, weil ein solches Gespräch nicht zwingend eine Entscheidung für einen Behandlungsabbruch ergeben hätte, referiert lto.de.
OLG München – Aids: Eine Frau, die sich bei einem früheren Sexualpartner mit Aids angesteckt hat, verlangt von diesem 160.000 Euro Schmerzensgeld, weil er entgegen einer Absprache keinen Aids-Test hatte machen lassen. Das Oberlandesgericht München will das Urteil am 8. Februar verkünden, so spiegel.de.
OLG München – NSU: Im Prozess gegen Beate Zschäpe führte der psychiatrische Sachverständige Henning Saß sein Gutachten über die Angeklagte weiter aus. Er attestierte ihr eine "Tendenz zu Dominanz, Härte, Durchsetzungsfähigkeit", was zum Anklagevorwurf der Mittäterschaft passen würde – während sich Zschäpe bisher als schwach und abhängig beschrieb. Es berichten die SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de (Björn Hengst).
LG Bochum – Lidl-Erpresser: Am Landgericht Bochum begann jetzt der Prozess gegen zwei mutmaßliche Erpresser der Lebensmittelkette Lidl. Diese hatten zwischen 2012 und 2016 Sprengsätze in Filialen des Discounters explodieren lassen. Sie wurden deshalb nicht nur wegen räuberischer Erpressung, sondern auch wegen versuchten Mordes angeklagt, berichtet die FAZ (Reiner Burger).
BAW – Ditib: Die Bundesanwaltschaft hat jetzt bestätigt, dass sie im Zusammenhang mit der Bespitzelung von muslimischen Gläubigen durch Ditib-Imame in Deutschland gegen "unbekannt" ermittele, meldet zeit.de. Die Imame sollen Informationen über mutmaßliche Anhänger des Predigers Gülen an die Türkei geliefert haben.
StA Regensburg – Bestechlichkeit: Die Regensburger Staatsanwaltschaft hat jetzt näher über die Vorwürfe gegen den Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) Auskunft gegeben, der unter dem Vorwurf der Bestechlichkeit wegen Verdunkelungsgefahr in U-Haft sitzt. Wolbergs habe während seines Wahlkampfs von einem Bauunternehmer große Summen erhalten und den Unternehmer nach dem Wahlsieg bei der Ausschreibung eines großen Immobilienprojekts bevorzugt. Die SZ (Andreas Glas) widmet dem Fall eine Seite-3-Reportage. Ausführlich berichtet auch bild.de.
Heinrich Senfft: Die SZ (Franziska Augstein) erinnert an den Anwalt Heinrich Senfft, der jetzt verstorben ist. Er hatte unter anderem Rolf Hochhuth, Günter Wallraff und Gregor Gysi vertreten.
Recht in der Welt
USA – designierter Justizminister: Die Generalstaatsanwälte aus fünf US-Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington protestierten gegen den designierten Justizminister Jeff Sessions. Dieser habe sich in seiner bisherigen Karriere als Politiker und Generalstaatsanwalt von Alabama geweigert, Minderheiten zu schützen. Der Senat solle die erforderliche Zustimmung verweigern. Es berichtet zeit.de.
Sonstiges
Höcke – Volksverhetzung: Anlässlich von mehreren Strafanzeigen stellt die taz (Christian Rath) fest, dass sich Höcke wohl nicht wegen Volksverhetzung strafbar gemacht hat, als er forderte, die deutsche Erinnerungskultur, symbolisiert durch das Berliner Holocaust-Mahnmal, müsse sich um 180 Grad drehen.
Sonderermittler: Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz kritisiert in der FAZ die Forderung, der Fall Amri müsse durch einen Sonderermittler aufgeklärt werden. Dafür gebe es in Deutschland keine Rechtsgrundlage. Deshalb könne ein Sonderermittler nicht in Rechte Dritter eingreifen und sei auch datenschutzrechtlich kein zulässiger Empfänger von Daten.
TKÜ: Die FAZ (Stefan Tomik) kritisiert, wie unprofessionell die Polizei gegenüber Telekom-Providern auftritt, wenn es um Telekommunikationsüberwachung gehe. Mal fehle der erforderliche richterliche Beschluss, mal werde die falsche Rechtsgrundlage zitiert und oft werde der Wunsch in einer unverschlüsselten E-Mail kommuniziert.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. Januar 2017: Kein Geld mehr für die NPD? / Bestechlicher SPD-Oberbürgermeister? / Höcke als Volksverhetzer? . In: Legal Tribune Online, 19.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21819/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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