Die Uni Köln muss einen Kooperationsvertrag mit Bayer nicht offenlegen. Außerdem in der Presseschau: Thomas Fischer zur Legalisierung von Prostitution, keine Vaterschaftsfeststellung an Embryonen und übervorsichtige Drohnen-Eltern.
Thema des Tages
OVG Münster zu Offenlegungspflicht: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden, dass die Universität Köln einen Kooperationsvertrag mit der Bayer Pharma AG nicht offenlegen muss und damit ein früheres Urteil des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt. Ein Recht auf Einsicht in die Vereinbarung ergebe sich weder aus dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) noch aus dem Hochschulgesetz des Landes NRW. Der Kläger vom Verein "Coordination gegen Bayer-Gefahren" kritisiert den wachsenden Einfluss der Wirtschaft auf Wissenschaft und Forschung. Über die Entscheidung berichten SZ (Hinnerk Feldwisch-Drentrup) und taz (Thomas Krämer).
In einem Hintergrundbericht erläutert lto.de (Hermann Horstkotte) die Argumentation des Gerichts. Danach gelte eine völlige Informationsfreiheit nicht für den Bereich "Forschung und Lehre". Dieser Begriff sei ebenso weit gefasst wie die Wissenschaftsfreiheit im Grundgesetz und schließe sowohl die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung als auch unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten, wie Drittmittelverträge und ähnliche organisatorische Vorkehrungen für Forschungsvorhaben ein. Letztlich seien die Richter damit der Vorstellung vom "Großbetrieb der Wissenschaft" gefolgt, von dem der Hochschulpolitiker Adolf von Harnack schon 1905 gesprochen habe.
Rechtspolitik
Prostitution: In seiner zeit.de-Kolumne widmet sich nun auch Bundesrichter Thomas Fischer der Forderung von Amnesty International, Prostitution weltweit zu legalisieren. Die deutsche Moralgemeinde sei darüber verwirrt, weil sie mit der Planung eines "Prostituiertenschutzgesetzes" – darin vorgesehen eine Anmeldepflicht für Prostituierte und eine Kondompflicht für Freier – gerade die Gegenrichtung eingeschlagen habe. In dieselbe Richtung gehe die für das Strafgesetzbuch geplante Strafbarkeit der Freier von Menschenhandelsopfern. Strafrecht sei jedoch "kein Mittel der Sozialhygiene". Die "moralisch" legitimierte Verfolgung der Prostitution führe nicht zu ihrer Abschaffung, sondern zur Rechtlosigkeit von Prostituierten. Demgegenüber sei der Ansatz von Amnesty International "rational" und "an den Menschenrechten der Betroffenen orientiert."
Immobiliendarlehenswiderruf: Die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Höchstfrist für den Widerruf von Darlehen kritisiert der Anwalt Roland Erne in der FAZ als zu kurz gegriffen. Die Höchsfrist soll nur für Darlehen gelten, die nach Inkrafttreten des Gesetzes im März 2016 abgeschlossen werden. Damit verfehle sie das Ziel, Spekulationen auf eine günstige Veränderung der Darlehenszinsen zu unterbinden. In Zeiten gleichbleibender oder steigender Zinsen, wie sie gegenwärtig gegeben seien, werde nämlich kein Darlehensnehmer einen Gedanken an dieses Widerrufsrecht verschwenden.
Spezialisierung für Richter: Berlin hat im Bundesrat einen Gesetzesantrag eingereicht, mit dem Reformvorschläge des Deutschen Juristentages für eine stärkere Spezialisierung von Richtern aufgegriffen wurden, meldet die FAZ (Joachim Jahn). Zusätzlich zu den bereits bestehenden Spezialkammern sollen regionale Schwerpunkte gebildet werden können und Kammern für Bau- und Architektensachen eingerichtet werden.
Schutzgesetz für "Whistleblower": Auf zeit.de (Patrick Beuth) werden sieben Stimmen für ein Schutzgesetz für "Whistleblower" wiedergegeben. Zu Wort kommen u.a. Matthias Spielkamp von "Reporter ohne Grenzen" und der ehemalige Bundesrichter und parlamentarische Geheimdienstkontrolleur, Wolfgang Nešković.
Justiz
BVerfG zu Zeugen Jehovas: Nun beschäftigt sich auch der Referendar Jost-B. Schrooten auf juwiss.de eingehend mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verleihung des Körperschaftsstatus an die Zeugen Jehovas in Bremen.Der wahre Widerspruch liege darin, dass das BVerfG den Ländern die Kompetenz zur Zweitverleihung erhalte, ihnen aber gleichzeitig deren Ausübung weitgehend vorgebe.
OLG Hamburg zu Recht auf Vergessenwerden: internet-law.de (Thomas Stadler) diskutiert eine Entscheidung des OLG Hamburg vom 7. Juli 2015, nach der ursprünglich rechtmäßig in das Internet eingestellte Beiträge in einem Internetarchiv einer Tageszeitung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen verstoßen können, wenn ein zunächst bestehendes, öffentliches Interesse an den berichteten Vorgängen durch Zeitablauf erloschen ist. Nicht stimmig sei an der Entscheidung, dass die Tageszeitung für die Entfernung der Beiträge nur wie ein Forenbetreiber hafte. Hintergrund für deren Privilegierung sei schließlich, dass sie für fremde Beiträge einstehen müssten. Dies sei bei einer Tageszeitung nicht der Fall.
OLG Düsseldorf zu vorgeburtlicher Vaterschaftsfeststellung: blog.beck.de (Hans-Otto Burschel) schreibt über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, mit der es die Feststellung der Vaterschaft an Embryonen ablehnte, die in einer Fortpflanzungsklinik in Kalifornien lagern. Nach dem maßgeblichen deutschem Recht sei dies erst mit der Geburt möglich.
OLG München - NSU-Prozess: Im Münchener NSU-Prozess hat ein weiteres Opfer die Zulassung als Nebenkläger beantragt. Er hatte die Täter nach einem Supermarktüberfall, der als erstes Kapitalverbrechen des NSU gilt, verfolgt und die Verfolgung abgebrochen, nachdem gezielt auf ihn geschossen worden war. Mittlerweile sind 86 Nebenkläger zugelassen, berichtet lto.de.
LSG Bremen - Kassenvorstandsgehälter: Nach einem Bericht des Handelsblatts (Frank Specht) klagt der Vorstand der BKK RWE, Torsten Dette, derzeit vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gegen die Untersagung der Erhöhung seines Gehalts durch das Bundesversicherungsamt (BVA). Dieses müsse, anlässlich von Skandalen um überhöhte Gehälter, seit August 2013 zustimmen, wenn Kassenvorstände mehr Geld bekommen sollen und habe seither vier Ablehnungs- und 47 Zustimmungsbescheide erteilt.
ArbG Berlin zu "Mall of Berlin": Wie die FAZ (Joachim Jahn) meldet, hat das Arbeitsgericht im Fall eines rumänischen Bauarbeiters, der gegen die Vorenthaltung von Lohn geklagt hatte, klargestellt, dass für die Einreichung einer Klage kein fester Wohnsitz erforderlich sei.
LG Düsseldorf - Bertelsmann-Buchclub: In einer vorläufigen Einschätzung hat das Landgericht Dortmund die Unkündbarkeitsklausel in den Verträgen von drei Buchclub-Partnern für wirksam erachtet, meldet die FAZ (Jan Hauser). In dem Verfahren wehren sie sich gegen die Schließung des Buchclubs, durch welche ihnen Umsatzbeteiligungen verloren gehen. Ein Urteil wird für den 29. September erwartet.
AG Cottbus zu bestechlichem Polizist: Das Amtsgericht Cottbus hat einen Polizisten, der mehrere Jahre lang Informationen aus polizeilichen Daten- oder Auskunftssystemen gegen Geld an einen ehemaligen Kollegen weiterleitete, zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dies berichtet spiegel.de.
StA Bonn - Kohl-Spendenaffäre: Muss das Untreue-Strafverfahren, das von der Bonner Staatsanwaltschaft einst wegen ungenannter Spender gegen Helmut Kohl geführt wurde, neu interpretiert werden? Die SZ (Heribert Prantl) referiert eine Passage im Fernsehfilm-Interview mit Wolfgang Schäuble, in der dieser sagt, es habe gar keine Spender gegeben, die Kohl mit seinem Ehrenwort hätte decken können. Prantl mutmaßt, Kohl habe sich nur nicht in die vom Flick-Konzern gefüllten Kassen schauen lassen wollen.
StA Köln - HSH Nordbank: Die HSH Norbank hat sich mit der Staatsanwaltschaft Köln auf die Zahlung von 22 Millionen Euro verständigt. Gegen das Geldinstitut war wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt worden, weil es seinen Kunden Briefkastenfirmen in Panama vermittelte. Die SZ (Klaus Ott) berichtet ausführlich über die Hintergründe und Ermittlungen gegen weitere Institute.
StA Cottbus - BER: Die Unregelmäßigkeiten beim Bau des neuen Hauptstadtflughafens sind nun auch ein Fall für die Staatsanwaltschaft Cottbus. Wie die FAZ (Henning Peitsmeier) schreibt, haben die Flughafengesellschaft PBB und der Siemens-Konzern Anzeige wegen möglichen Abrechnungsbetruges erstattet.
Auschwitz-Prozess: Nun beschäftigt sich auch lto.de mit den Urteilen, die vor 50 Jahren im Frankfurter Auschwitz-Prozess ergingen. Diese hätten jahrzehntelang den Umgang der Justiz mit NS-Verbrechen geprägt. Die nach dem Vorbild des Landgerichts Frankfurt vorgenommene "Atomisierung" der systematischen Vernichtung in Einzeltatbeiträge habe die Strafverfolgung über fünf Jahrzehnte hin erheblich erschwert. Im Fall Gröning hätten die Lüneburger Richter jetzt andere Akzente gesetzt, indem sie Auschwitz "insgesamt als Einrichtung zum Massenmord" werteten.
Recht in der Welt
USA - Germanwings-Klagen: Amerikanische Gerichte dürften sich für Klagen von Angehörigen der Opfer des Germanwingsabsturzes nicht zuständig fühlen, schreibt der Dozent Patrick Ostendorf in der FAZ unter Berufung auf das Montrealer Übereinkommen. Danach könne am Wohnort des Reisenden nur geklagt werden, wenn die Fluggesellschaft gewerbsmäßig Passagiere in dieses Land befördere. Dies sei bei Germanwings in Bezug auf die USA nicht der Fall.
Frankreich - Abhörgesetz: Die französische Verfassung schütze die französischen Bürger nicht davor, künftig von den Sicherheitsbehörden in großem Umfang abgehört zu werden. Der Conseil Constitutionnel habe das Gesetz im Großen und Ganzen für verfassungskonform erklärt und nur drei Punkte kritisiert. Auf die Einzelheiten der Entscheidung und Unterschiede zur Praxis des Bundesverfassungsgerichts geht der Student Tun de Jong auf Verfassungsblog.de ein.
Sonstiges
Rassistische Gewalt: Die Zahl rassistisch motivierter Gewalttaten ist in den ostdeutschen Bundesländern überproportional hoch. Hier seien 47 Prozent aller registrierten Übergriffe verübt worden, habe das Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen berichtet, wie spiegel.de schreibt.
Kartelle: Anlässlich der dem Zuckerkartell drohenden Klagewelle von Süsswarenherstellern befasst sich Dieter Fockenbrock (Handelsblatt) mit dem durch die Reform des Wettbewerbsrechts entstandenen Kulturwandel. Seit der Reform sei es Geschädigten möglich, erfolgreich von Kartellen Schadensersatz zu verlangen. Dennoch gebe es mehr Kartelle denn je. Nötig sei deshalb, auch strafrechtlich vorzugehen. Erst wenn Managern das Gefängnis drohe, werde die Zahl der Kartelle zurückgehen.
Netzpolitik.org: Wie netzpolitik.org (Andre Meister) berichtet, wird sich der Rechtsausschuss des Bundestags an diesem Mittwoch mit der "Netzpolitik.org"-Affäre beschäftigen. Befragen lassen sich Justizminister Maas und der scheidende Generalbundesanwalt Range, nicht aber Innenminister de Maizière und Verfassungsschutzpräsident Maaßen. netzpolitik.org veröffentlicht dabei eine die Sitzung vorbereitende chronologische Darstellung des Justizministeriums zur bisherigen Kommunikation zwischen Ministerium und Bundesanwaltschaft.
Teurer Fußball: Bremen hat nun einen Kostenbescheid über 425.718,11 Euro für den Polizeieinsatz beim Nordderby von Werder Bremen gegen den Hamburger SV an die Deutsche Fußball Liga (DFL) übersandt, meldet die taz.
Drohnen-Eltern: arag.de (Udo Vetter) klärt darüber auf, was Eltern bei der digitalen Überwachung ihrer Kinder durch Smartphone-Apps beachten müssen. Jede Erziehungsmaßnahme müsse dem "Wohl des Kindes" dienen, was nicht mehr der Fall sei, wenn mit der Dauer-Kontrolle die Erziehung zur Eigenverantwortung entfalle.
Das Letzte zum Schluss
AfD ohne Rundfunkbeitrag? Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Storch ist stellvertretende Vorsitzende der AfD und hat keine Lust mehr, ihren Rundfunkbeitrag zu zahlen. Deshalb hat sie auf Facebook deutliche Worte gefunden und diese mit einem Foto ihres zerrissenen Festsetzungsbescheids unterlegt: "Liebe Freunde vom zwangsfinanzierten Staatsfunk, ihr ladet Frau Petry aus? Ihr verunglimpft mich und die AfD am laufenden Meter- und ich soll dafür auch noch bezahlen? Nein. Mache ich nicht. Hab ich aber auch wirklich jetzt schon ein paar mal Euch hier geschrieben. Euren Festsetzungsbescheid werde ich mir an die Wand nageln. Oder - ablegen..." Dabei begehe von Storch zwei Fehler, merkt focus.de an: 1. Festsetzungsbescheide sollte man besser nicht zerreißen. 2. Vermeintliche Verunglimpfung befreit Betroffene nicht von der Zahlung des Rundfunkbeitrags.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. August 2015: Uni ohne Transparenz – Thomas Fischer zu Prostitution – Neues in der CDU-Spendenaffäre? . In: Legal Tribune Online, 19.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16648/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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