Julian Assange will sein Botschaftsasyl aufgeben. Führt ihn sein Weg vor ein US-amerikanisches Gericht? Außerdem in der Presseschau: Richtlinien-Paket zum Vergaberecht, OLG Hamm zur Haftung bei Zustellungsfehlern, VG Berlin zu Asyl für Jesiden, gerichtlich angeordnete Geburt in Irland, Schiedsurteil gegen Turkmenistan und teure Online-Bewertungen.
Thema des Tages
Julian Assange: Der Gründer der Enthüllungs-Plattform WikiLeaks, Julian Assange, hat auf einer Pressekonferenz erklärt, die von ihm seit zwei Jahren bewohnte ecuadorianische Botschaft in London verlassen zu wollen. Angaben zum Wie und Wohin machte Assange nicht. Zeit.de (Till Schwarze) fasst die Lage in einem ausführlichen Beitrag zusammen: Nach wie vor liegt gegen Assange ein schwedisches Auslieferungsersuchen wegen sexueller Vergehen vor, dem der Journalist aber aus Angst, aus Schweden an die USA ausgeliefert zu werden, keine Folge leisten möchte. Versuche seiner Anwälte, den schwedischen Haftbefehl wegen Unverhältnismäßigkeit aufheben zu lassen, seien bislang gescheitert.
In seinem Kommentar meint Heribert Prantl (SZ), dass dem Botschaftsasylanten wohl kaum etwas anderes übrig bleibe, als auf Fairness in Schweden zu hoffen und darauf, dass dort "seine Verdienste um die Enthüllung von US-Freveln" geachtet und mit einer unterlassenen Auslieferung in die USA belohnt würden. Ulrich Clauß (Welt) zieht dagegen eine Parallele zum Fall des anderen weltbekannten Enthüller Edward Snowden. Es sei "grotesk", dass sich Menschen denen wir wertvolle Aufklärung verdankten, "ein Schicksal wie Aussätzige" fristen müssten. Ein Rechtsfrieden herstellendes und Konsens ermöglichendes Verfahren gegen Assange könnte auch Snowden ermutigen, sich der "höchst anrüchigen Schutzhaft Putins" zu entziehen.
Rechtspolitik
Halterhaftung: Die Bundesanstalt für Straßenwesen prüft derzeit, ob künftig auch Halter von Fahrzeugen bei Verkehrsverstößen in Haftung genommen werden können. Auf focus.de kritisiert Michael Haberland, Präsident des Vereins "Mobil in Deutschland", die Idee als unzulässige Umkehr der Beweispflicht. Das gegenwärtige System der Fahrerhaftung habe "über 50 Jahre gut und rechtssicher funktioniert."
Vergaberecht: Ein Paket aus drei europäischen Richtlinien, die bis zum Frühjahr 2016 in nationales Recht umzusetzen sind, regelt das Vergaberecht neu. Wie das Handelsblatt (Melanie Rübartsch) schreibt, würden durch die Neuerungen Aspekte wie Energieeffizienz zu vergaberechtlichen Grundsätzen erhoben.
Arbeitsrecht: In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt kritisiert Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer den Gesetzgeber für fehlende Klarheit bei arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Regelungen zum Vorbeschäftigungsverbot nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz würden einer oft jahrelang dauernden gerichtlichen Klärung überlassen, währenddessen die Praxis "im Unklaren" verharre.
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: Laut taz-Nord (jpb) arbeitet der bremische Justizsenator Martin Günthner (SPD) derzeit an einer Bundesrats-Initiative zur Verschärfung des § 113 des Strafgesetzbuches. Problematisch an der gegenwärtigen Rechtslage sei etwa das Fehlen einer Mindeststrafe.
Justiz
EuGH: In einem englischsprachigen Beitrag "The ECJ as the European 'Supreme Court': "Setting Aside Citizens Rights for EU Law Supremacy" setzt sich Rechtsprofessor Leonard F.M. Besselink (verfassungsblog.de) kritisch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auseinander.
OLG Hamm zu Zustellungsfehler: Füllt ein Postbote eine Zustellungsurkunde falsch aus, haftet die Post für den dem Adressaten wegen der fehlerhaften Zustellung entstandenen Schaden. Dies entschied nach einer Meldung von Rechtsanwalt Marcus Beckmann (beckmannundnorda.de) das Oberlandesgericht Hamm im Juni. Im entschiedenen Falle erging gegen den Kläger ein Versäumnisurteil in Griechenland, nachdem er die angeblich zugestellte Ladung tatsächlich nicht erhielt.
LAG Hessen – Deutsche Bank: Im gegenwärtig vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht stattfindenden Berufungsverfahren zur Kündigung mehrerer Händler der Deutschen Bank wegen mutmaßlicher Beteiligung an Manipulationen des Libor-Referenzzinssatzes sind nach Bericht des Handelsblatts (Laura de la Motte) Mediationsgespräche terminiert. Sowohl eine Abfindung als auch eine Weiterbeschäftigung der in erster Instanz erfolgreichen Kläger sei möglich.
VG Berlin – Uber: Das Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten hat vor dem Verwaltungsgericht Berlin versichert, vor einer endgültigen Entscheidung von Vollstreckungsmaßnahmen aus einer gegen den Fahrdienst erlassenen Untersagungsverfügung abzusehen. Das Handelsblatt (Dana Heide) berichtet.
VG Hannover zu Jesiden: Das Verwaltungsgericht Hannover hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dazu verpflichtet, einen Jesiden aus dem Irak als Flüchtling anzuerkennen. Dem Mann drohe nach Ansicht des Gerichts bei einer Rückkehr in seine Heimat eine an seinen Glauben anknüpfende Gruppenverfolgung, schreibt die taz-Nord.
Bildungspaket: Weil sie vom Bundesarbeitsministerium zur Rückzahlung nicht ausgegebener Gelder aus dem 2011 eingeführten Paket für Bildung und Teilhabe aufgefordert wurden, haben die Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Niedersachsen eine Klage auf dem Sozialrechtsweg erhoben. Die zur Verteilung der Gelder befugten Kommunen bemängelten unter anderem den hohen Verwaltungsaufwand, Betroffene seien zudem oft von komplizierten Anträgen überfordert, schreibt die SZ (Johann Osel). Die taz (Gilal Shohat) berichtet ebenfalls.
Recht in der Welt
Irland – Abtreibung: Die taz (Ralf Sotschek) berichtet über den Fall einer Frau in Irland, die durch einen Gerichtsbeschluss dazu gezwungen wurde, ihre durch eine Vergewaltigung entstandene Leibesfrucht durch einen Kaiserschnitt zur Welt zu bringen. Vor der Entbindung habe die selbstmordgefährdete Frau entsprechend den Bestimmungen des im letzten Jahr eingeführten irischen Abtreibungsgesetzes mehrere Ärzte und Psychiater aufsuchen müssen. Eine Abtreibung könne nur mit deren Zustimmung erreicht werden.
Ukraine – Todesstrafe: In der Volksrepublik Donezk, dem abtrünnigen Landesteil im Osten der Ukraine, haben die militärischen Machthaber nach einer Meldung von zeit.de Militärtribunale eingeführt, die auch eine Todesstrafe verhängen können.
Russland – NGO: Wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen das 2012 erlassene Auslandsagenten-Gesetz muss sich die russische Umweltorganisation Ecodefense in Kaliningrad vor Gericht verantworten. Die NGO habe sich geweigert, sich wegen Zuwendungen aus dem Ausland wie vom Gesetz vorgesehen als Auslandsagent registrieren zu lassen, schreibt die SZ (Markus Balser).
Turkmenistan – Schiedsurteil: Ein bei der Weltbank in Washington/USA angesiedeltes Schiedsgericht hat einem deutschen Investor Schadensersatz wegen einer entschädigungslosen Enteignung einer Hühnerfarm in Turkmenistan zugesprochen. Die Entscheidung sei ein Beispiel für das Funktionieren der gegenwärtig umstrittenen Schiedsgerichtsbarkeit, schreibt die FAZ (Joachim Jahn) in ihrem Bericht.
Sonstiges
NSU-Ausschuss Thüringen: Nun berichtet auch die FAZ (Claus Peter Müller) über den Abschlussbericht des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses, der am kommenden Donnerstag vorgestellt wird. Unter anderem sei festgestellt worden, dass die Fahndung nach dem untergetauchten Trio nicht nur an unzulässig zurückgehaltenen Informationen des Verfassungsschutzes scheiterte, auch das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft hätten ihre diesbezüglichen Aufgaben "nicht hinreichend wahrgenommen." In seinem Kommentar hofft Jasper von Altenbockum (FAZ), dass der Bericht zur Pflichtlektüre "beim Staatsschutz, in der Politik, in Schulen" wird. Denn weit davon entfernt, gängige Verschwörungstheorien zu wiederholen, belege er vielmehr, "wie aus Schlamperei ein Fiasko und wie aus einem Fiasko ein Staatsversagen werden kann."
Alterskriminalität: In Japan hat sich die Zahl der über 65-jährigen Straftäter in den letzten Jahren sprunghaft erhöht. Diese Mitteilung verpackt die SZ (Heribert Prantl) in weitere Überlegungen zur Alterskriminalität, die sich hierzulande eher in gewaltlosen Übertretungen äußere. Das am weitesten verbreitet Delikt unter Senioren sei nach wie vor das Fahren unter Alkoholeinfluss.
Unrecht: Die SZ (Rolf Lamprecht) bespricht "Nahes Unrecht, fernes Recht", einen Aufsatzband von Michael Stolleis. Der emeritierte Rechtshistoriker untersucht in dem Band "den schleichenden Niedergang des Recht" im Dritten Reich.
Erbrechtsverordnung: Für Todesfälle ab dem 17. August des kommenden Jahres gilt die europäische Erbrechtsverordnung. Der Notar Herbert Grziwotz stellt für lto.de die wichtigsten, von Praktikern bereits jetzt zu beachtenden Neuregelungen der Verordnung vor.
Das Letzte zum Schluss
Kritik unerwünscht: Über den ungewöhnlichen Versuch eines New Yorker Hotels, die eigene Reputation auch im Cyberspace zu wahren, berichtet Rechtsanwalt Karsten Gulden (infodocc.info). Durch Unterzeichnung entsprechender AGB sollten sich Gäste dazu verpflichten, negative Online-Bewertungen des Hauses zu unterlassen und anderenfalls 500 Dollar Strafe zahlen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. August 2014: Bewegung im Fall Assange? – Post haftet für Zustellungsfehler – Asyl für Jesiden . In: Legal Tribune Online, 19.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12931/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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