Das BVerfG hat die Massenklage gegen den ESM-Rettungsschirm abgewiesen. Außerdem in der Presseschau: Doppelte Staatsbürgerschaft, keine Aussage im NSU-Prozess, Kündigung online möglich, Völkerrecht und Selbstbestimmung, sowie Risiken, die in VIP-Logen lauern.
Thema des Tages
BVerfG bestätigt ESM-Rettungsschirm: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Massenklage gegen den ESM-Rettungsschirm zurückgewiesen. Es berichten FAZ (Helene Bubrowski), taz (Christian Rath) und SZ (Wolfgang Janisch), die betonen, dass das Gericht zugleich die Budgetkompetenz des Bundestags gestärkt habe. Im Handelsblatt (Donata Riedel) kommen die Kläger zu Wort, die sich eine Stärkung der Teilhaberechte auf europäischer Ebene gewünscht hätten. Ferner berichten spiegel.de (David Böcking/Dietmar Hipp), FR (Ursula Knapp), Die Welt (Martin Greve, ähnlich online), sowie bild.de.
Die SZ (Markus Zydra) erläutert noch einmal, wie der Rettungsschirm funktionieren soll, in einem Beitrag für lto.de analysiert Professor Joachim Wieland die Entscheidung und weist auf das Wahlrecht anderer politischer Mehrheiten hin, die diese Verpflichtungen nicht in alle Zukunft tragen müssten.
Christian Rath (taz) lobt die europafreundliche Rechtsprechung, die Richter seien keine "Alternative für Deutschland in roten Roben". Donata Riedel (Handelsblatt) zitiert den Schlüsselsatz: "Trotz der eingegangenen Verpflichtungen bleibt die Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestages hinreichend gewahrt." Heribert Prantl (SZ) kritisiert das Urteil, weil es die von den Klägern intendierte Demokratisierung Europas ein weiteres Mal verhindere. Der Bundestag sei kein Allheilmittel. Günther Nonnenmacher (FAZ) lobt im Leitartikel die Zurückhaltung des Gerichts, Joachim Jahn (FAZ) bezeichnet das Lob von Schäuble und anderen Politikern als scheinheilig, da sie den Bundestag ursprünglich hatten umgehen wollen. Weiterhin kommentieren Ludwig Greven (zeit.de) und Sebastian Jost (Die Welt, ähnlich online).
Rechtspolitik
Bankenunion: Über die heutigen Verhandlungen über die Schaffung einer Bankenunion berichtet die SZ (Claus Hulverscheidt/Andrea Rexer) in ihrem Wirtschaftsteil. Gebe es keinen Kompromiss, dann werde das wichtigste EU-Projekt nach zehn Jahren Verhandlung auf die lange Bank geschoben. Das Handelsblatt (D. Heß/J. Münchrath/Y. Osman) berichtet über die personellen und logistischen Probleme, die die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen der von ihr übernommenen Bankenaufsicht zu klären hat und kritisiert die schlechte Vorbereitung.
In einem eigenen Beitrag berichtet das Handelsblatt (Dorit Heß) über die Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden. Für die komplexe Materie gebe es zu wenig kompetente Leute.
In einem Gastkommentar für das Handelsblatt bezeichnen Professor Thorsten Beck und Juniorprofessor Christoph Trebesch Bilanzprüfung und Crashtests durch die EZB als sinnvollen ersten Schritt und fordern darüber hinaus die Schaffung einer "zentralen und unabhängigen Euro-Zone Restructuring Agency".
Netzneutralität: zeit.de (Friedhelm Greis) befürchtet, der Industrieausschuss des EU-Parlaments habe ein Einfallstor für die Aushebelung der Netzneutralität geschaffen. Der verabschiedete Entwurf einer Verordnung zum digitalen Binnenmarkt sehe die Einrichtung von "Spezialdiensten" für eine "verbesserte Qualität" vor.
EU-Aktienrecht: Auf der Seite "Recht" der FAZ stellt Rechtsanwalt Nikolaos Paschos die aktuellen Entwicklungen im europäischen Aktienrecht vor. Die EU-Kommission habe den Entwurf einer Änderungsrichtlinie zur Aktienrichtlinie aus dem Jahr 2007 vorgelegt. Mit diesem nächsten Schritt im Rahmen des Aktionsplans "Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance" könnten Aktionäre Managergehälter besser kontrollieren und ihre Höhe begrenzen.
Flüchtlinge am Oranienplatz Berlin: Über einen Kompromiss zwischen dem Berliner Senat und den Flüchtlingen, die seit eineinhalb Jahren am Oranienplatz kampieren, berichten taz (Stefan Alberti/Susanne Memarnia) und FAZ (Mechthild Küpper). Die 467 Flüchtlinge räumen den Platz und eine benachbarte, ebenfalls besetzte Schule, der Senat garantiert eine umfassende Einzelfallprüfung, die nach kompletter Räumung beginnt.
Konrad Litschko (taz) spricht von einem "vergifteten Deal", der die Flüchtlinge am Ende mit leeren Händen dastehen lasse.
Staatsbürgerschaft: Wie Die Welt (Freia Peters) berichtet, lehnt die Staatsministerin für Integration, Aydan Özoguz (SPD) eine "Willkommenskultur" für nicht erforderlich, wichtiger sei eine Kultur der rechtlichen Teilhabe. Die SZ (Roland Preuss) berichtet von dem Versuch des Bundesinnenministeriums, Montenegro und Albanien zu sicheren Drittstaaten im Zusammenhang mit Asylverfahren zu erklären und sieht darin eine Retourkutsche wegen der harten Haltung der SPD bei der doppelten Staatsbürgerschaft.
Justiz
EuGH – Hartz IV für EU-Ausländer: Über die Verhandlungen betreffend die Zahlung von Hartz IV an EU-Ausländer vor dem Europäischen Gerichtshof berichten FAZ (Corinna Budrass) und Badische Zeitung (Christian Rath). Der Fall einer arbeitslosen Rumänin, die mit ihrer vierjährigen Tochter in Leipzig lebt und entsprechend der deutschen Gesetzeslage kein Hartz IV erhält, wurde vom Sozialgericht Leipzig vorgelegt. Die EU-Kommission forderte Einzelfallprüfungen. Die Bundesregierung und die meisten EU-Staaten lehnen diese ab. Bis zur Entscheidung werden Monate vergehen.
LG München I – Kündigung Online: lawblog.de (Udo Vetter) begrüßt die Entscheidung des Landgerichts München I, derzufolge ein Vertrag auch online wirksam gekündigt werden kann. Ein Brief mit Unterschrift, wie in diesem Fall vom Betreiber eines Dating-Portals gefordert, sei nicht nötig
EGMR – Öcalan/PKK: Wie zeit.de berichtet, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Verurteilung von Abdullah Öcalan zu lebenslanger Haft ohne Berufungsmöglichkeit kritisiert. Der Chef der verbotenen Türkischen Arbeiterpartei PKK war 1999 in der Türkei zum Tode verurteilt worden. Auch die Haftbedingungen kritisierte der Gerichtshof.
OLG München – NSU: spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichtet, dass im NSU-Verfahren der Zeuge Enrico T. nicht ausgesagt habe. Enrico T. soll bei der Beschaffung der Tatwaffe Modell Ceska eine wichtige Rolle gespielt haben.
LG München zu Hoeneß: Der Rechtsanwalt Rainer Pohlen stellt auf spiegel.de die Frage nach etwaigen Ungereimtheiten in dem Urteil gegen Uli Hoeneß. focus.de (Jonas Fehling) nennt die sieben Geheimnisse, die Hoeneß mit ins Gefängnis nimmt.
LG Regensburg zu Redtube-Anwalt: Thomas Urmann, abmahnender Anwalt im Fall des Pornoportals Redtube hat zwei Prozesstermine platzen lassen, bei denen er sich wegen Betrugs und Insolvenzverschleppung zu verantworten habe, berichtet focus.de (Marion Lenke). Urmann befinde sich im Krankenhaus, sagt seine Anwältin.
Ziercke und Edathy: Die FAZ (Eckart Lohse) berichtet über weitere Kritik an der Aussage von BKA-Chef Ziercke, der nicht schlüssig erklären konnte, warum die Durchsuchung der Kundeliste des Pornohändlers abgebrochen worden war, nachdem der Name des BKA-Beamten darauf entdeckt worden sei.
Jasper von Altenbockum (FAZ) spricht von einem "Zickenkrieg" zwischen Bundestag und Sicherheitsbehörden.
Recht in der Welt
ICC – Bilfinger & Berger: Das Bauunternehmen Bilfinger & Berger prozessiert seit drei Jahren gegen eine Entscheidung des Schiedsgerichts der Internationalen Handelskammer. 2011 war das Unternehmen zu einer Zahlung von 65 Millionen Euro an einen Subunternehmer in Katar verpflichtet worden, versuche aber seitdem unter seinem Vorstandsvorsitzenden Roland Koch durch Prozesse vor Gerichten in Katar, die Zahlung zu vermeiden. Dies berichtet das Handelsblatt (Sönke Iwersen). Problematisch an dieser Vorgehensweise sei, dass damit die bisher anerkannte Autorität des Schiedsgerichts unterminiert und Zweifel an der Zuverlässigkeit deutscher Unternehmens erzeugt würden.
Sonstiges
Ukraine: Im Rahmen eines Schwerpunkts zum Thema Ukraine, untersucht verfassungsblog.de (Timm Beichelt) das Zusammenspiel zwischen Völkerrecht und Selbstbestimmungsrecht.
Das Letzte zum Schluss
Risikozone VIP-Loge: Im Jahr 2006 lud der damalige EnBW-Chef Utz Claassen Mitglieder der baden-württembergischen Landesregierung und einen Staatssekretär im Bundesumweltministerium zu Spielen der Fußball-Weltmeisterschaft ein. Er wurde vor dem Landgericht Karlsruhe wegen Vorteilsnahme angeklagt. Claasen wurde 2008 vom Bundesgerichtshof rehabilitiert, aber weil kurz danach die Bestechungen bei Siemens aufflogen, galt es seitdem als zu riskant, seine Kontakte in der VIP-Loge großer Stadien zu pflegen. Wie das Handelsblatt (Joachim Hofer) berichtet, sähen die Unternehmensjuristen das Thema mittlerweile entspannter. Es würden mehr Einladungen zur WM nach Brasilien angenommen als 2010 nach Südafrika. Nur Amtsträger sollte man nach wie vor nicht einladen.
Joachim Hofer (Handelsblatt) plädiert für einen entspannteren Umgang, denn "selbst ein Ausflug zur Formel 1 oder zum Finale der Champions League gehören zum ganz normalen Geschäftsalltag dazu."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. März 2014: BVerfG bestätigt ESM-Rettungsschirm – Bankenunion – Redtube-Anwalt erkrankt . In: Legal Tribune Online, 19.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11372/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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