In der Türkei wurden nach dem Putschversuch 2.745 Richter und Staatsanwälte suspendiert. Außerdem in der Presseschau: Karlsruhe lehnt Eil-Anordnung gegen Vorratsdatenspeicherung ab und die Polizei fasst dank Pokemon Go gesuchten Straftäter.
Thema des Tages
Türkei - Putschversuch und Gegenputsch: Die Montags-FAZ (Reinhard Müller) erläutert das Wesen des Putsches aus völkerrechtlicher Sicht: Er sei eine "innere Angelegenheit des Staates, in dem er stattfindet". Die internationale Anerkennung eines Putsches hänge wesentlich von dessen Erfolg ab.
Die Montags-FAZ (Rainer Hermann/Michael Martens - Kurzfassung auf faz.net) schildert ausführlich, wie der türkische Staat ab Samstag begann, die türkische Justiz zu "säubern". Von 7.604 Richtern und 4.443 Staatsanwälten wurden 2.745 Richter und Staatsanwälte suspendiert, davon 541 aus den Verwaltungsgerichten und 2.204 aus den Zivilgerichten. Rund 200 hohe Richter wurden verhaftet, darunter fünf Mitglieder des Hohen Rats für Richter und Staatsanwälte, zwei Mitglieder des Verfassungsgerichts, 48 Richter des Staatsrats (Danistay) und 140 Richter des Kassationshofs (Yargitay). Schon im Dezember 2013 und im März 2016 hatte es unter der AKP-Regierung Säuberungen der Justiz gegeben.
Rechtspolitik
Terror: Auch nach dem Terroranschlag von Nizza gebe es keinen Grund, "die bestehende Sicherheitsarchitektur in Frage zu stellen", meint Reinhard Müller (Montags-FAZ). Und Christian Bommarius (Montags-BerlZ) appelliert: "Gewonnen werden kann der Kampf nur, wenn sich die Franzosen daran erinnern, was sie jedes Jahr am 14. Juli feiern."
Erbschaftsteuer: Finanzminister Schäuble hat vorgeschlagen, dass der Vermittlungsausschuss sich bereits in der Sommerpause und nicht erst im September mit der Erbschaftsteuer-Reform befasst, um dem Bundesverfassungsgericht die Ernsthaftigkeit der politischen Bemühungen zu zeigen, meldet der Spiegel (Christian Reiermann).
Der Unternehmensberater Kay Klöpping glaubt, dass bis September Vermögen "womöglich" ganz ohne Erbschaftsteuer übertragen werden kann, meldet der Focus (awe).
Volksabstimmung: Im Entwurf für ein neues CSU-Grundsatzprogramm, das Anfang November beschlossen werden soll, heißt es: "Wir wollen, dass das Grundgesetz durch das deutsche Volk auch auf dem Weg von Volksbegehren und Volksentscheid mit Zweidrittelmehrheit geändert werden kann." Parteichef Seehofer ist laut Spiegel (Ralf Neukirch) dafür, die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt dagegen.
Car-Sharing: Verkehrs- und Umweltministerium planen ein Bundesgesetz, das Kommunen ermöglichen soll, bei Car-Sharing-Autos, die die zulässige Parkzeit überschritten haben, kein Bußgeld zu verlangen. Das Projekt schildert der Spiegel (Jürgen Dahlkamp/Philipp Kosak).
Facebook und Hetze: Justizminister Heiko Maas hat Facebook aufgefordert, Beschwerden gegen rechte Hetze ernster zu nehmen: "Es wird noch immer zu wenig, zu langsam und zu oft auch das Falsche gelöscht", wird Maas von spiegel.de (Fabian Reinbold) zitiert.
Privacy-Shield: Der Spiegel (Jörg Schindler) befragt den Ex-Datenschutzbeauftragten Peter Schaar über den geplanten EU-US-Vertrag "Privacy Shield" zur privaten transkontinentalen Datenübertragung. Schaar: "Ob die vom EuGH aufgestellten Datenschutzkriterien erfüllt werden, halte ich für fragwürdig."
Ceta: Die Samstags-BadZ (Christian Rath) beschäftigt sich ausführlich mit der Beschlussfassung über das geplante EU-Kanada-Handelsabkommen Ceta, insbesondere mit der Einstufung als gemischtes Abkommen, mit der vorläufigen Anwendung und der Rolle des Bundesverfassungsgerichts.
Justiz
BVerfG zu Vorratsdatenspeicherung: Das Bundesverfassungsgericht hat nach Folgenabwägung zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung abgelehnt. Der Abruf der Daten sei nur noch im Fall schwerer Straftaten möglich. Es berichteten die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) und die Samstags-taz (Christian Rath).
BVerwG zu Waldschlösschenbrücke: Das Bundesverwaltungsgericht hat angeordnet, dass für die 2013 in Betrieb genommene Waldschlösschenbrücke in Dresden noch eine FFH-Prüfung sowie eine artenschutzrechtliche Prüfung vorgenommen werden müsse. Die Verfahrensfehler seien heilbar. Es berichten lto.de und jurop.org (Johannes Schulte).
OLG Düsseldorf zu Tengelmann/Edeka: Die Samstags-SZ (Michael Bauchmüller u.a.) sieht den Hauptgrund für die Niederlage von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf in der auffällig lückenhaften Protokollierung von Gesprächen Gabriels mit den Beteiligten der Tengelmann/Edeka-Fusion. Das Hbl (Volker Votsmeier) portraitiert den zuständigen Vorsitzenden Richter des OLG Düsseldorf, Jürgen Kühnen.
OLG Köln zu Kunsthändler: Der Kunsthändler Richard Feigen erhält vom Kunsthaus Lempertz keinen Schadensersatz für ein Bild, das er dort erwarb, das er dann aber den Erben des jüdischen Vorbesitzers zurückgab. Das Oberlandesgericht Köln bestritt, dass Feigen zur Rückgabe verpflichtet war, meldet die Montags-FAZ (Andreas Rossmann) im Feuilleton, die darüber auch mit dem Provenienzforscher Willi Korte sprach.
VG Frankfurt zu Rüstungsexporten: Der Anwalt Robert Glawe analysiert auf lto.de ein Urteil des Verwaltungsgericht Frankfurt/Main von Ende Juni. Danach kann der Staat Anträge auf die Genehmigung von Rüstungsexporten nicht ewig liegen lassen, sondern muss sie aus rechtsstaatlichen Gründen irgendwann entscheiden. Dies sei eine "Rückkehr des Rechts" in solche Verfahren.
AG Seligenstadt zu Gina-Lisa Lohfink: Das Model Gina-Lisa Lohfink muss dem Partysänger Tobee keinen Schadensersatz zahlen, obwohl es zu einem vereinbarten Video-Dreh auf Mallorca nicht erschienenen war. Das Amtsgericht Seligenstadt sah keinen nachgewiesenen Schaden, weil das Video dann mit einer anderen Darstellerin gedreht worden sei, meldet die Samstags-Welt.
OVG Münster zu Kind von Leihmutter: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat einem sechsjährigen Jungen, der mit seinen zwei Vätern in Israel lebt, die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt. Einer der in Israel rechtlich anerkannten Väter ist Deutscher und hatte das Kind mit Hilfe einer indischen Leihmutter gezeugt bzw. zur Welt gebracht. Das OVG Münster stellte auf die fairen Bedingungen der Leihmutterschaft ab, berichtete die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch).
LG Hamburg - künstliche Befruchtung: Der Spiegel (Udo Ludwig) berichtet über ein Verfahren am Landgericht Hamburg. Ein Mann klagt gegen eine Kinderwunsch-Klinik auf Schadensersatz, weil seine damaligen Ehefrau mit einer gefälschten Unterschrift von ihm eine nicht mehr gewünschte künstliche Befruchtung erfolgreich fortsetzte und der Mann jetzt Unterhalt zahlen muss.
LG Hof - Silvesterübergriff: Das Landgericht Hof muss über die Berufung eines Irakers gegen ein Urteil des Amtsgerichts Hof entscheiden. Dort war der Mann, der in der Silvesternacht eine Frau angegriffen und begrapscht hatte, wegen sexueller Nötigung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Den Fall schildert die Samstags-SZ (Ulrike Heidenreich).
Recht in der Welt
Kolumbien - gerichtliche Aufarbeitung: Die Samstags-FAZ (Daniel Deckers) spricht mit Tom Koenigs (Grüne), Beauftragter der Bundesregierung für den Friedensprozess in Kolumbien, über die juristische Aufarbeitung des dortigen Bürgerkriegs. "Es gibt keine Straffreiheit, nur eben kein Gefängnis."
Polen - Verfassungskonflikt: Der Verfassungsblog (Maximilian Steinbeis) spricht in englischer Sprache mit dem Rechtsprofessor Wojciech Sadurski, der in Polen und Australien lehrt. Er geht davon aus, dass die PiS-Regierung das Projekt einer neuen Verfassung nicht ernsthaft verfolgt, weil sie mit ihren eigentlich verfassungswidrigen Gesetzen der letzten Zeit de facto die Verfassung bereits ausreichend geändert hat. Sadurski erklärt die Gesetze dann im Detail.
Venezuela - Richterabsetzung: Das derzeit konservativ dominierte Parlament hat die Absetzung von 13 Richtern des Obersten Gerichtshofs beschlossen, die im Dezember nach dem konservativen Wahlsieg aber noch mit sozialistischer Mehrheit gewählt worden waren, meldet die Samstags-SZ.
USA - Klage gegen Facebook: Der Focus (Susan Remke - Kurzfassung auf focus.de) spricht mit der israelischen Anwältin Nitsana Darshan-Leitner, die Facebook in den USA im Namen von fünf Terroropfern auf Schadensersatz in Höhe von rund einer Milliarde Dollar verklagt hat. Begründung: Facebook habe trotz Aufforderung Webseiten der Terrororganisation Hamas nicht gelöscht.
Großbritannien - Standort von Schiedsgerichten: Der Anwalt Dimitrios Christopoulos untersucht auf lto.de, ob der Brexit London als Ort für internationale Schiedsgerichte unattraktiver macht. Er bejaht dies, weil die Vollstreckung in der EU erschwert werde.
Das Letzte zum Schluss
Pokemon Go als Fahndungshilfe: Eine Gruppe junger Leute spielte in Trier mit ihren Smartphones Pokemon Go. Wegen ihres auffälligen Verhaltens wurden sie von der Polizei kontrolliert. Dabei konnte ein per Haftbefehl gesuchter 18-Jähriger festgenommen werden, meldet Justillion (Andreas Stephan).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. bis 18. Juli 2016: Putschversuch und Gegenputsch / BVerfG lässt Vorratsdatenspeicherung zu / Pokemon Go als Fahndungshilfe . In: Legal Tribune Online, 18.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20030/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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