Das Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath endet mit einem Freispruch, aber ist es einer erster, zweiter oder gar dritter Klasse? Außerdem in der Presseschau: schärfere Regeln für Prostitution, Johannes Masing traut sich an die Öffentlichkeit, Berliner Ordnungsbehörde gegen Fahrdienst Uber und ein Beleg dafür, dass Intelligenz auch schaden kann.
Thema des Tages
LG Regensburg zu Gustl Mollath: Das Landgericht Regensburg hat Gustl Mollath in allen Anklagepunkten freigesprochen. Rechtsprofessor Henning Ernst Müller (beck.blog.de) rekapituliert das Urteil. Hinsichtlich der Anklagen wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung im Jahr 2002 sowie Sachbeschädigung durch Reifenstechereien 2004 und 2005 erfolgte der Freispruch aus tatsächlichen Gründen. Das Gericht habe sich nicht von einer Täterschaft des Angeklagten nicht überzeugen können. Anders hingegen bei der Mollath ebenfalls vorgeworfenen gefährlichen Körperverletzung zu Lasten seiner damaligen Ehefrau im Jahr 2001. Hier erging der Freispruch aus rechtlichen Gründen. Hier sei das Gericht von Misshandlungen überzeugt, wofür neben einem ärztlichen Attest wohl vor allem Mollaths halbherzige Einlassung verantwortlich sein dürfte. Im Gegensatz zur gutachterlichen Stellungnahme könne das Gericht aber nicht ausschließen, dass Mollath zur Tatzeit schuldunfähig war. Wegen der erfolgten Unterbringung müsse der Freigesprochene nun entschädigt werden.
Auch sueddeutsche.de (Ingrid Fuchs), spiegel.de (Beate Lakotta), FAZ (Helene Bubrowski) und Welt (Christian Eckl) berichten zum Teil ausführlich und stellen dabei vor allem die enttäuschte Reaktion Mollaths in den Mittelpunkt. Die Hoffnung auf einen "Freispruch erster Klasse" habe er sich wohl vor allem wegen seines unglücklichen Auftretens vor Gericht zunichte gemacht.
In seinem Kommentar spricht Heribert Prantl (sueddeutsche.de) die Hoffnung aus, das der "tragische Fall" des "Sonderlings" Mollath die Justiz verändern werde. Nicht nur müsse die Unterbringung "auf der Basis von Pi-mal-Daumen-Gutachten" unmöglich gemacht werden, der Fall habe auch bewiesen: "die gesetzlichen Regeln und Mechanismen der Selbstkorrektur der Justiz sind ganz offensichtlich nicht ausreichend." Es sei zu begrüßen, wenn im Unterbringungsrecht dem Verhältnismäßigkeitsprinzip wieder mehr Beachtung geschenkt würde. Ähnlich argumentiert Reinhard Müller (FAZ) im Leitartikel des Blattes. Die Justiz sei gefordert, Wege und Worte zu finden, um mit eigenen Fehlern umzugehen. Hierbei benötige sie Unterstützung – und eine angemessene Ausstattung. Es sei zu fragen: "Was ist uns eine gute Justiz wert?"
Richterin Elke Escher: Die FAZ (Albert Schäffer) stellt Richterin Elke Escher vor, die als Vorsitzende der 6. Strafkammer des Landgerichts Regensburg das jetzige Urteil verfasste. Sie sei damit einer schwierigen Aufgabe gerecht geworden, denn anders als Untersuchungsausschüsse und Enquetekommissionen habe es ihr nicht oblegen, "Missstände aufzudecken und Reformvorschläge auszuarbeiten."
Unterbringung: Die taz (Christian Rath) skizziert den Stand der Bemühungen um eine Reform des § 63 des Strafgesetzbuches, nach dessen Bestimmungen Mollath sieben Jahre in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht wurde. Eine von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) initiierte Bund-Länder-Arbeitsgruppe wolle im Herbst Ergebnisse präsentieren. Auch wenn Mollath mit der jetzigen Entscheidung nicht zufrieden sei, könne er sich zugute halten, diesen Reformwillen angestoßen zu haben. Er habe "den Insassen in der forensischen Psychiatrie ein Gesicht gegeben."
Rechtspolitik
Polizeieinsätze bei Fußballspielen: Die Rechtswissenschaftler Ilya Levin und Michael Schwarz (www.juwiss.de) beschäftigen sich mit der verfassungsrechtlichen Perspektive des jüngsten Bremer Vorschlags, Veranstalter von Fußballspielen an den Kosten der hierfür notwendigen Polizeieinsätze zu beteiligen. Die Idee verstoße nicht gegen die Art. 9 und 12 des Grundgesetzes und gerade angesichts der enormen Umsätze und Gewinne im Profifußball sei eine Inanspruchnahme zu befürworten.
Investitionsschutz: Sueddeutsche.de (Andrea Rexer/Jannis Brühl) berichtet über Einzelheiten des vor dem Abschluss stehenden europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta, das als Vorbild für ein entsprechendes Abkommen mit den USA gelte. Ein nun veröffentlichter Teil betreffe vor allem die besonders umstrittenen Regelungen zum Investitionsschutz. Die nach Ceta vorgesehenen Schiedsgerichte sollten die Transparenz-Regeln der UN-Handelsrechts-Kommission übernehmen, nach der Verfahren grundsätzlich öffentlich durchzuführen seien.
Prostitution: Bei der angedachten Reform des Prostitutionsgesetzes ist es in der Regierungskoalition offenbar zu einer Annäherung gekommen. Wie die Welt (Matthias Kamann) schreibt, sollen Bordelle künftig einer Erlaubnispflicht und einer Zuverlässigkeitsprüfung unterworfen werden. "Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie etwa Flatrate-Sex sollten nach Aussage von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) verboten werden.
Justiz
Masing zu Google-Urteil: Verfassungsblog.de veröffentlicht nun die von Johannes Masing verfasste vorläufige Einschätzung der Google-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Der Richter am Bundesverfassungsgericht hat sich "angesichts des Interesses einer inzwischen auch breiteren Fachöffentlichkeit" zur Veröffentlichung entschlossen.
BVerfG: Das Bundesverfassungsgericht steht vor seiner Rückkehr an seinen nun grundsanierten Stammsitz in der Karlsruher Innenstadt. Lto.de begleitet den Umzug mit interessanten Details.
BGH zu unzulässiger Werbung: Die Darstellung gesetzlicher Verbraucherrechte als besondere Leistung des eigenen Unternehmens ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs als unzulässige Werbung einzustufen, meldet spiegel.de. Die irreführende Mitteilung müsse dabei auch nicht besonderes hervorgehoben werden.
BSG zu Arzthonoraren: Der Spruch eines Schiedsgerichts, nach dem niedergelassenen Ärzten in Sachsen-Anhalt für drei Jahre Honorarzuwächse zuzusichern seien, widerspricht den entsprechenden gesetzlichen Regelungen und ist daher aufzuheben. Dies entschied das Bundessozialgericht nach Bericht der FAZ (Andreas Mihm/Joachim Jahn).
OLG Oldenburg zu Verkehrsunfall: Das Oberlandesgericht Oldenburg hat einem Autofahrer wegen unfallbedingten Schockschäden ein Schmerzensgeld von 500 Euro zuerkannt. Zahlen müsse eine bei dem Unfall verletzte Radfahrerin, meldet focus.de. Dies sei trotz der Unfallverursachung durch die Radlerin ungewöhnlich, weil die vom Auto ausgehende Betriebsgefahr außer Acht gelassen worden sei.
LG Ingolstadt zu Media-Saturn: Der Versuch des Minderheitsgesellschafters der Handelskette Media-Saturn, Erich Kellerhals, den vom Mehrheitsgesellschafter Metro ernannten Interimschef des Unternehmens, Pieter Haas, von seinen Aufgaben zu entbinden, ist gescheitert. Nach Ansicht des Landgerichts Ingolstadt habe die Berufung Haas' den Bestimmungen des Gesellschaftervertrages entsprochen, schreibt das Handelsblatt (Joachim Hofer).
LG Würzburg – Autobahnschütze: Vor dem Landgericht Würzburg muss sich ein Fernfahrer wegen versuchten Mordes durch mehrere hundert Schüsse auf Autobahnen verantworten. Bei den Ermittlungen hat das Bundeskriminalamt offensichtlich millionenfach Kennzeichen erfasst. Nach Ansicht der Verteidigung unterlägen diese Erkenntnisse aber einem Beweisverwertungsverbot, weil die Maßnahme einer Ermächtigungsgrundlage entbehre. Spiegel.de berichtet.
StA Hanau – Udo Pastörs: Nach der Einstellung eines gegen den NPD-Chef Udo Pastörs eingeleiteten Verfahrens wegen versammlungsrechtlicher Verstöße versucht die Staatsanwaltschaft Hanau, ein gravierendes Versäumnis nachzuholen. Wie fr-online.de (Pitt von Bebenburg) berichtet, hat die Anklagebehörde nun die Aufhebung der Immunität des Landtagsabgeordneten beantragt.
StA Köln – Jochen Sanio: Aus Anlass von Ermittlungen gegen den ehemaligen Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) diskutieren Michael Maisch und Yasmin Osman (Handelsblatt) in Pro und Contra-Form über die Kompetenzen der deutschen Finanzaufsicht. Während in Krisenzeiten "unter enormem Zeitdruck extrem kritische Entscheidungen" zu treffen wären und die Kontrolleure entsprechend als "zupackende Aufseher" gefragt seien, warnt der zweite Beitrag vor einem "Notstandsrecht." Die BaFin habe im Zuge der Finanzkrise einen enormen Machtzuwachs erlebt. Ohne strikte Regelungen schlage dieser in Willkür aus.
StA München – Hypo Real Estate: Die Münchner Staatsanwaltschaft hat bestätigt, den gesamten früheren Vorstand der Immobilienbank Hypo Real Estate anklagen zu wollen. In Betracht käme nach dem Bericht der FAZ (Joachim Jahn) der Vorwurf einer Bilanzfälschung, strafbar nach Vorschriften des Handelsgesetzbuches und des Aktiengesetzes.
Richter Peter Noll: Die FAZ (Joachim Jahn/Rüdiger Köhn) stellt Peter Noll vor, der als Vorstitzender einer Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München I nicht nur über die Zulassung der Anklage gegen die frühere Führungsriege der Hypo Real Estate zu entscheiden habe, sondern auch über jene gegen Manager der Deutschen Bank wegen Prozessbetrug. In seiner "Mischung aus unangefochtener Autorität, Süffisanz und trockenem Humor" habe Noll auch im mittlerweile eingestellten Verfahren gegen Bernie Ecclestone durch die Festlegung einer ungewöhnlich kurzen Zahlungsfrist bewiesen, das er sich von Staatsanwälten und Verteidigern ungern etwas vorsetzen lasse.
Recht in der Welt
Ukraine – Parteiverbot: In der Ukraine wird gegenwärtig auf Klage des Justizministeriums über eine Aufhebung der Zulassung der Kommunistischen Partei des Landes verhandelt. Die Maßnahme käme einem Verbot gleich, schreibt die taz (Barbara Oertel), sie werde mit einer Unterstützung des Separatismus im Osten des Landes begründet.
Sonstiges
Fahrdienst Uber: Das Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten hat dem Fahrdienst Uber eine Untersagungsverfügung zugestellt. Unter Androhung einer Geldstrafe sei es Uber damit verboten, in der Hauptstadt weiter seine Dienste anzubieten, schreibt das Handelsblatt (Dana Heide/Christof Kerkmann - Zusammenfassung). Zur Begründung sei vor allem fehlender Versicherungsschutz für Fahrgäste angegeben worden. Ob der Fahrdienst dabei den Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes unterfalle, sei noch umstritten, das Verwaltungsgericht Hamburg etwa hob eine vergleichbare Verfügung im Juli auf.
Das Letzte zum Schluss
Intelligente Verteidigung: Auch in der Schweiz gibt es Beiordnungen von Pflichtverteidigern. Auch in der Schweiz werden entsprechende Anträge auch einmal abgelehnt. Mit einer besonders abenteuerlichen Begründung hierfür tat sich jetzt jedoch das Obergericht Zürich hervor: Nach einer Meldung von justillon.de (Andreas Stephan) wurde einem wegen Computerkriminalität Beschuldigtem anwaltliche Vertretung verweigert, weil der Fall keine rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten aufweise und der junge Mann als Student sich ohnehin durch einen überdurchschnittlichen IQ auszeichne.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. August 2014: Freispruch für Mollath – Masing im Wortlaut – Uber untersagt . In: Legal Tribune Online, 15.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12903/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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