Dürfen Autofahrer den Verkehr filmen, um im Streitfall Beweise zu haben? Nein, sagte jetzt das VG Ansbach. Außerdem in der Presseschau: die Modernisierung der NRW-Verfassung, ein großes Interview mit Präsident Klaus Rennert vom BVerwG, Vorberichte zur Anklage gegen Jürgen Fitschen von der Deutschen Bank und warum man manchmal den Hosenladen mit einer Sicherheitsnadel verschließen sollte.
Thema des Tages
VG Ansbach zu Dashcams: In einem Pilotverfahren hatte das Verwaltungsgericht (VG) Ansbach zu entscheiden, ob Dashcams (Kameras, die aus dem Auto heraus den Verkehr, die Landschaft und Passanten filmen) mit dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vereinbar sind. Das VG entschied, dass das BDSG grundsätzlich anwendbar ist, wenn jemand filmt, um die Aufnahmen später Dritten (zum Beispiel der Polizei) zu geben oder sie zu veröffentlichen (zum Beispiel auf Youtube). Bei der Abwägung nach § 6b BDSG hätten dann, so das VG, die Interessen der Passanten Vorrang vor denen des filmenden Autofahrers. Zulässig ist der Einsatz von Dashcams also nur noch dann, wenn die Aufnahmen gemacht werden, um sie später allein oder im familiären Rahmen anzusehen. Über das noch nicht rechtskräftige Urteil berichten unter anderem faz.net, der Kölner Stadtanzeiger (Christian Rath) und spiegel.de.
Rechtspolitik
NRW-Verfassung: In Nordrhein-Westfalen arbeitet seit einigen Monaten eine Landtagskommission an einer Modernisierung der Landesverfassung. Schwerpunkte sind Regeln für die vorzeitige Beendigung einer Wahlperiode, die Rechte der Abgeordneten, die (Wieder-)Einführung von Sperrklauseln bei Kommunalwahlen und die Frage, ob nur Landtagsabgeordnete zum Ministerpräsident gewählt werden können. Die FAZ (Reiner Burger) gibt einen Überblick.
Staatsziel Infrastruktur: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Thomas Wierny und Tobias Brings beschäftigen sich auf juwiss.de kritisch mit dem aus FDP-Kreisen stammenden Vorschlag, die "Sicherung der Infrastruktur" als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Sie gehen davon aus, dass ein solches Staatsziel immer noch mit anderen Verfassungswerten abgewogen werden müsste und insofern weder Politik noch Gerichte binden könne. Angesichts der geringen Wirkung spreche die drohende größere Unübersichtlichkeit im Grundgesetz und der damit verbundene verfassungsrechtliche Legitimationsschwund gegen den Vorschlag.
Suizidhilfe: Nina von Hardenberg (SZ) plädiert dafür, die Debatte um eine Bestrafung von Suizidhilfe zu beenden. Es bestehe die Gefahr, dass die geplante Verschärfung des Strafrechts - insbesondere die Bestrafung von Ärzten - angesichts der Stimmung in der Bevölkerung auf zuviel Widerstand stoße und dies letztlich sogar die Tür für eine Zulassung der Sterbehilfe öffnen könnte.
Einreise, Ausreise, Ausweisung: Die Badische Zeitung (Christian Rath) sortiert die aktuelle Diskussion zum Umgang mit ausländischen und deutschen Islamisten.
Investorenschutz: Ulrich Schäfer (SZ) nimmt im Wirtschafts-Leitartikel die durch ein ordentliches US-Gericht verursachte argentinische Staatspleite zum Anlass, für den verstärkten Einsatz von Schiedsgerichten in solchen Fällen zu plädieren. Als Bedingung fordert er, dass diese mit Experten besetzt sein müssen, öffentlich tagen und es eine Rechtsmittelinstanz gibt.
Justiz
Rennert-Interview: Der neue Präsident des Bundesverwaltungsgericht, Klaus Rennert, spricht im wohl ersten großen Interview nach seiner Ernennung mit der FAZ (Reinhard Müller) über Versammlungsrecht, Asylrecht, Geheimdienstkontrolle und die verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Großvorhaben. "Diese Großverfahren binden ein Drittel unserer gesamten Arbeitskraft", sagt Rennert und fordert mehr Personal.
StA München - Fitschen: Die Anklageschrift wegen Prozessbetrugs gegen Jürgen Fitschen, den Co-Vorsitzenden der Deutschen Bank, soll fertig sein, wurde dem Landgericht aber noch nicht zugestellt. Die FAZ (Joachim Jahn) beschreibt den exakten Verfahrensstand. Die Welt (Anne Kunz) gibt einen Überblick über das Verfahren. Die SZ (Klaus Ott) beschreibt die unterschiedlichen Verteidigungsstrategien von Fitschen und den vier anderen (teilweise ehemaligen) Top-Managern der Deutschen Bank.
Michael Maisch (Handelsblatt) kommentiert: "Wenn wir wollen, dass die Staatsanwälte den Managern genau auf die Finger schauen, dann müssen wir den Vorständen das Recht zugestehen, ihre Fälle durchzukämpfen, ohne dass wir gleich ihren Kopf fordern." Derzeit sei noch nicht einmal sicher, ob die Anklage vom Landgericht München überhaupt zugelassen wird.
BGH zu Härter: Der Bundesgerichtshof hat eine Verurteilung des einstigen Porsche-Finanzvorstands Holger Härter wegen Kreditbetrugs bestätigt. Das Landgericht Stuttgart hatte Härter wegen Unregelmäßigkeit bei der gescheiterten VW-Übernahme zu einer Geldstrafe in Höhe von 630.000 Euro verurteilt. Härter krititisierte die Justiz jetzt als überfordert, berichten FAZ (Joachim Jahn) und SZ (Max Hägler).
BSG zu Wohnkosten: Hartz IV-Empfänger dürfen sich eine eigentlich zu teuere Wohnung mieten, wenn sie die Kosten anderweitig - etwa durch Vermietung eines Stellplatzes - senken können. Diese Entscheidung des Bundessozialgerichts meldet die FAZ (Joachim Jahn).
BAG zu Leiharbeit: Die "nicht vorübergehende" Überlassung einer Arbeitnehmerin lässt keinen Arbeitsvertrag mit dem entleihenden Unternehmen entstehen, entschied nun erneut das Bundesarbeitsgericht (BAG). Das BAG bestätigte damit eine Entscheidung vom Dezember, meldete blog.beck.de (Christian Rolfs).
OVG Saarlouis zu Kindesumgang: Nach einer Eilentscheidung des Oberverwaltungsgericht Saarlouis sind Jugendämter verpflichtet, einen begleiteten Umgang selbst zu organisieren, wenn andere Träger nicht zur Verfügung stehen. Dies sei auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durchsetzbar, so blog.beck.de (Hans-Otto Burschel).
AG Hanau - Pastörs: Das Amtsgericht Hanau hat ein Verfahren wegen versammlungsrechtlicher Verstöße gegen den NPD-Vorsitzenden Udo Pastörs eingestellt, meldet spiegel.de. Das Gericht hatte vergessen, die Aufhebung von Pastörs Immunität als Landtagsabgeordneter von Mecklenburg-Vorpommern zu beantragen.
LG Stendal - Hafttelefone: lto.de (Annelie Kaufmann) berichtet über ein Verfahren, das im September oder Oktober vom Landgericht Stendal entschieden werden soll. Gestützt auf § 109 Strafvollzugsgesetz hatte ein Gefangener geklagt, der seit 2009 rund 12.000 Euro für Telefonkosten ausgegeben hatte. Nach seiner Ansicht ist die Firma Telio, die Telefonanlagen in Gefängnissen betreibt, viel zu teuer.
GBA - kroatisches Staatsverbrechen: Der Generalbundesanwalt (GBA) hat jetzt die dritte Anklage wegen des Mordes an einem kroatischen Exilanten in Wolfratshausen 1983 erhoben. Der GBA hat den ausgelieferten ehemaligen jugoslawischen Geheimdienst-Chef Zdravko Mustač angeklagt, meldet die SZ.
StA Köln - Sanio: Nun berichten auch die SZ (Harald Freiberger) und die FAZ (Joachim Jahn/Markus Frühauf) über die Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft gegen Jochen Sanio, den ehemaligen Präsidenten des Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Er soll möglicherweise die BHF-Bank erpresst haben, damit diese ihrer notleidenden Muttergesellschaft Sal. Oppenheim einen Kredit über 100 Millionen Euro zukommen ließ.
LG München I - Ecclestone: Rechtsprofessor Karsten Gaede kritisiert die Verfahrenseinstellung im Fall Ecclestone nun auch in der FAZ. "Während die Strafjustiz das Interesse an der mühseligen Frage nach Schuld oder Unschuld verliert, steigt das Standing der Staatskasse."
Recht in der Welt
Schweden - Anti-Rassismus: In rund zwanzig schwedischen Gesetzen wird noch der Begriff "Rasse" verwendet, meist im Zusammenhang mit Diskriminierungsverboten. Die schwedische Regierung hat jetzt eine Kommission eingesetzt, die prüfen soll, ob der Begriff ersetzt werden kann. Die SZ (Silke Bigalke) schildert die Schwierigkeiten dabei.
UN - William Schabas: Die SZ (Stefan Ulrich) portraitiert den kanadischen Völkerrechtsprofessor William Schabas, der vom UN-Menschenrechtsrat zum Chef einer Untersuchungskommission gemacht wurde, die überprüfen soll, ob Israelis und Palästinenser im jüngsten Nahost-Krieg gegen das Kriegsvölkerrecht und die Menschenrechte verstoßen haben. Israel lehnt ihn ab.
Sonstiges
Datenschutz und Apps: Der Medienrechtler Tobias Gostomczyk schildert in der FAZ Datenschutzprobleme bei Apps für Smartphones. Er verweist dabei auf die Orientierungshilfe, die der Düsseldorfer Kreis - ein Gremium der deutschen Datenschutzbeauftragten für den nichtstaatlichen Bereich - vorgelegt hat.
Zwangsvollstreckung: lawblog.de (Udo Vetter) erläutert am Fall des zurückgetretenen nordrhein-westfälischen Landtags-Vizepräsidenten Daniel Düngel (Piraten) den Unterschied zwischen Strafverfolgung und Zwangsvollstreckung privater Forderungen.
Das Letzte zum Schluss
Offener Hosenladen und Hartz IV: justillon.de (Andreas Stephan) erinnert an ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Koblenz aus dem Jahr 2006. Geklagt hatte ein Hartz- IV-Empfänger, der eine Informationsveranstaltung zur beruflichen Eingliederung versäumt hatte und dem deshalb das ALG 2 um zehn Prozent gekürzt wurde. Den Einwand, an seiner einzigen Hose sei der Reißverschluss defekt gewesen, ließ das SG nicht gelten, er hätte den offenen Hosenladen auch mit einer Sicherheitsnadel schließen können.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. August 2014: Piloturteil zu Dashcams – Rennerts erstes großes Interview – Schweden ohne "Rasse" . In: Legal Tribune Online, 13.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12876/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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