Der BGH hat die Störerhaftung weiter eingeschränkt. Außerdem in der Presseschau: Die Speicherung von IP-Adressen darf nicht generell verboten werden und der BND soll von der Unternehmensberatung Roland Berger durchleuchtet werden.
Thema des Tages
BGH zu Störerhaftung: Der Bundesgerichtshof hat die sogenannte Störerhaftung von WLAN-Inhabern weiter zurückgedrängt. Die anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht sämtlicher Mitnutzer des Internetanschlusses wurde bei der Urteilsverkündung am Donnerstag als "nicht sozialadäquat" bezeichnet. Volljährige Gäste, Besucher und Mitbewohner müssten nicht über die rechtlichen Konsequenzen illegaler Downloads belehrt werden. Folglich hafte der Anschlussinhaber auch nicht ersatzweise, wenn nicht festgestellt werden könne, wer die Urheberrechtsverletzung begangen habe. Zugleich legte der BGH erstmals fest, nach welchem Maßstab in solchen Fällen die Höhe einer anwaltlichen Abmahnung zu bestimmen sei. Diese richte sich nach dem Gegenstandswert, der sich aus dem aktuellen Verwertungsinteresse des Unternehmens errechne. Über die Entscheidung berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und netzpolitik.org (Markus Reuter). Die von der Musikindustrie gegen das Ende der Störerhaftung vorgebrachten datenschutzrechtlichen Bedenken entlarvt netzpolitik.org (Markus Beckedahl) als fadenscheinig.
Rechtspolitik
EU – Internetkriminalität: Das EU-Parlament hat einen überarbeiteten Verordungstext abgesegnet, mit dem die Befugnisse von Europol zur Bekämpfung von Internetkriminalität erweitert werden. Dazu solle der Informationsaustausch verbessert werden, indem etwa nationale Polizeistellen entsprechende Informationen unverzüglich übermitteln müssten. Durch die Verknüpfung verschiedener Datensammlungen bei Europol könne es zu einem "Data Mining" kommen, gibt Tomas Rudl auf netzpolitik.org die Kritik der Linkspartei wieder.
EU – Geoblocking: In zwei Wochen will die EU-Kommission einen Vorschlag zum sogenannten Geoblocking, der Sperrung von Inhalten im Internet für ausländische Nutzer, vorlegen. Bei Musik und E-Büchern sollen solche regionalen Beschränkungen künftig verboten sein, bei audiovisuellen Medien jedoch weiter möglich bleiben, schreibt die FAZ (Hendrik Kafsack).
§ 175 StGB a.F.: Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Rehabilitierung aufgrund von § 175 a.F. strafrechtlich verfolgter Homosexueller ergibt sich nach Einschätzung des wissenschaftlichen Mitarbeiters Daniel Wolff auf verfassungsblog.de aus dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip. Dass der Gesetzgeber Urteile beseitigt, die aufgrund von Strafvorschriften ergingen, welche unter der Geltung des Grundgesetzes Bestand hatten, sei eine Premiere für den deutschen Rechtsstaat. Diese müsse im Hinblick auf anderes gegenwärtiges Unrecht wohl überlegt sein, schreibt Tsp (Jost Müller-Neuhof). Der problematischen Handhabung des Paragrafen durch die Justiz widmet sich lto.de (Constatin Baron van Lijnden).
Leiharbeit/Werkverträge: blog.beck.de (Markus Stoffels) und der Rechtsanwalt Alexander Bissels auf Handelsblatt-Rechtsboard geben noch einmal einen Überblick über die wichtigsten Neuregelungen zu Leiharbeit und Werkverträgen.
Einkommensteuer: Der Bundestag hat die Regelungen zur Automatisierung und Erleichterung des Besteuerungsverfahrens verabschiedet, wonach Steuerzahler ab 2018 auch zwei Monate mehr Zeit für die Abgabe ihrer Steuererklärung haben werden, meldet lto.de.
Steuervergünstigungen für Haushaltsdienstleistungen: Wie die FAZ (Joachim Jahn) schreibt, hat der Bundesrechnungshof in einem Schreiben an den Finanzausschuss des Bundestages die Abschaffung der Steuervergünstigungen für Handwerksarbeiten und haushaltsnahe Dienstleistungen empfohlen. Die Prüfer seien zu dem Ergebnis gekommen, dass diese nicht zur Stärkung des Handwerks und der Vermeidung von Schwarzarbeit beitrügen, dabei aber enorme Kosten verursachten.
Gleichstellungsgesetz: Der Bundestag hat ein neues Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung beschlossen, wonach Behörden des Bundes künftig barrierefrei sein müssen, private Einrichtungen dagegen nicht, berichtet zeit.de.
Sichere Herkunftsstaaten: Die Bundesregierung hat Tunesien, Marokko und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Nun haben die Grünen eine Rücknahme der Entscheidung verlangt, weil in den Ländern Homosexuelle strafrechtlich verfolgt werden, schreibt zeit.de. Sie verwiesen dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom November 2013, nach dem "die Strafbarkeit einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen eine asylrelevante Verfolgungshandlung darstellt".
Justiz
EuGH – Speicherung von IP-Adressen: In seinem Gutachten für den Europäischen Gerichtshof kommt der Generalanwalt Manuel Campos Sanchez-Bordona zu dem Schluss, dass Webseitenbetreibern die Speicherung von IP-Adressen ihrer Nutzer nicht generell verboten werden darf. Das Verfahren wird auf Betreiben des Piraten-Abgeordneten Patrick Breyer geführt, der das unbeschwerte Surfen im Internet gefährdet sieht und sich auf das Telemediengesetz beruft, wonach personenbezogene Daten nur gespeichtert werden dürfen, wenn sie für die Abrechnung benötigt werden. Dies sei beim Besuch von Webseiten aber meist nicht der Fall, schreibt die taz (Christian Rath).
BVerfG zu Oppositionsrechten: Auf juwiss.de führt die Referentin Paulina Starski ihre rechtliche Erläuterung des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom vergangenen Dienstag fort, wonach die Oppositionsparteien im Bundestag keine erweiterten Verfahrensrechte erhalten müssen.
OLG München – NSU-Prozess: Wie spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet, hat Beate Zschäpe im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München weitere Antworten auf Fragen des Gerichts geliefert. So ließ sie ihren Verteidiger Borchert erklären, dass das Trio Anfang 1998, noch vor dem ersten Mord, bei einer Polizeikontrolle in Hannover fast aufgeflogen wäre. Es berichten auch, die SZ (Annette Ramelsberger), zeit.de (Tom Sundermann) und die taz (Konrad Litschko).
Im Interview mit zeit.de (Christian Fuchs/Stephan Lebert) schildert die kurzzeitige Mitinsassin Astrid Ebenhoch, wie Beate Zschäpe den Alltag im Gefängnis in Stadelheim dominiert.
Nach Einschätzung von zeit.de (Tom Sundermann) steuert das Gericht auf die Urteilsfindung zu. Dafür spreche, dass eine ganze Reihe von Beweisanträgen abgelehnt worden sei – darunter auch der, den ehemaligen V-Mann Ralf M. alias Primus als Zeugen zu laden. Er soll Uwe Mundlos in seiner Baufirma beschäftigt haben.
Wie die taz (Konrad Litschko) berichtet, hat der Verfassungsschutz den Fund eines Handys des mittlerweile verstorbenen Topspitzels "Corelli", dem NSU-Kontakte vorgeworfen wurden, monatelang verschwiegen.
LG München zu Bewirtung AfD: Nach Meldung von spiegel.de (Christoph Sydow) hat die AfD einen Sieg gegen den Münchner Hofbräukeller errungen. Das Landgericht München habe den Wirt per einstweiliger Verfügung dazu verpflichtet, der Partei das Gasthaus für eine Veranstaltung mit Frauke Petry zu überlassen.
LG Aschaffenburg zu Mord: Das Landgericht Aschaffenburg hat einen Mann, der seine schwangere Ex-Geliebte aus Angst vor Aufdeckung mit einem Kabelbinder erdrosselte, wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, berichtet die FAZ (Leonie Feuerbach).
VG Mainz zu Pressefreiheit: Wie lto.de berichtet, hat das Verwaltungsgericht Mainz entschieden, dass die Universität Mainz Sponsoren-Verträge offenlegen muss. Die Pressefreiheit überwiege ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse jedenfalls dann, wenn ausgewählten Journalisten bereits Einsicht in die Unterlagen gewährt wurde.
Recht in der Welt
Türkei – Abkommen mit der EU: Wie spiegel.de (Markus Becker/Severin Weiland) berichtet, stocken die Verhandlungen über die EU-Visumfreiheit für türkische Bürger. Dafür müsste die Türkei 72 Kriterien erfüllen – unter anderem die Abschwächung seiner Anti-Terror-Gesetze, wogegen sich Erdogan jedoch sperrt. Kritisiert an den Gesetzen werde insbesondere die sehr weite Definition von Terrorismus auf dessen Grundlage gegen Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten vorgegangen werde, schreibt spiegel.de (Raniah Salloum).
Großbritannien – Brexit: Angesichts der am 23. Juni bevorstehenden Abstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU, befasst sich die SZ (Daniel Brössler) mit den Bedingungen des Austritts. Anders als für den Beitritt, gebe es dafür kaum Regelungen. Erst im Vertrag von Lissabon sei das Recht hierzu mit Artikel 50 überhaupt geschaffen worden.
Frankreich – Arbeitsmarktreform: Der Misstrauensantrag der Oposition gegen die Regierung Hollandes wegen der ohne Beteiligung des Parlamentes in Kraft gesetzten Arbeitsmarktreform ist gescheitert. Er habe nicht die erforderliche absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erhalten, schreibt spiegel.de (Vanessa Steinmetz).
Ukraine – Journalisten-Leak: Eine ukrainische Webseite hat Daten von über 4.000 Journalisten veröffentlicht. Wie spiegel.de (Christian Neef) schreibt, habe der EU-Botschafter in der Ukraine bereits protestiert, weil damit gegen internationale Gepflogenheiten und ukrainische Gesetze verstoßen werde. Die Staatsanwaltschaft in Kiew habe Ermittlungen aufgenommen.
Sonstiges
BND – Unternehmensberatung: Die Unternehmensberatung Roland Berger hat den Auftrag bekommen die Arbeitsprozesse des BND zu optimieren, schreibt die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo). Bislang wusste die Spitze des Dienstes in der Regel nicht, was in den Außenstellen passierte. Fast willkürlich, so schien es, wurde festgelegt, wer abgehört werden sollte. Das soll sich mit Hilfe des Beratungsunternehmens jetzt ändern. Der Vorgang zeige, dass die Not sehr groß sein muss, befindet Hans Leyendecker (SZ) in einem gesonderten Kommentar. Ohne Hilfe von außen sei die für den Auslandsnachrichtendienst so wichtige Abteilung Technische Aufklärung, die nun durchleuchtet werden soll, offenbar nicht mehr in Ordnung zu bringen gewesen.
Unitymedia – WLAN-Hotspots: Der Kabelnetzbetreiber Unitymedia will die Kabelmodems seiner Kunden ohne deren Zustimmung als WLAN-Hotspots nutzen. Falls nicht innerhalb von vier Wochen widersprochen werde, würden bestimmte Pflichten aktiv – etwa dass trotz Abschaffung des Routerzwangs kein beliebiger Router mehr angeschlossen werden könne. Nach Auffassung von Verbraucherschützern ist eine solche Vertragsänderung ohne ausdrückliche Zustimmung des Kunden jedoch unwirksam, schreibt zeit.de (Friedhelm Greis).
Das Letzte zum Schluss
Fallendes Laub: Wie durch die Panama Papers bekannt wurde, ist die Schauspielerin Emma Watson Eigentümerin einer Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln. Sie sei von ihr für den Erwerb einer Immobilie gegründet worden und trage den lyrischen Namen Falling Leaves – fallendes Laub, weiß die SZ (Sara Schurmann/Vanessa Wormer) zu berichten.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Mai 2016: Eingeschränkte Störerhaftung / Gespeicherte IP-Adressen / Roland Berger berät BND . In: Legal Tribune Online, 13.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19363/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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