Die Berichterstattung zu den anstehenden Karlsruher Entscheidungen, angereichert durch Peter Gauweilers Kritik an der EZB-Politik, dominiert die Medien. Außerdem in der Presseschau: Bettina Wulff und Google-Autocomplete, Diskussion über straffreien Besitz von Kinderpornographie, der anstehende Deutsche Juristentag und ob man noch einen Doktor in Ufologie machen kann.
BVerfG zu Gauweiler/EZB: Laut lto.de gibt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) heute Vormittag in einer "Zwischenentscheidung" bekannt, wie es nach dem neuen Eilantrag Peter Gauweilers in Reaktion auf die EZB-Ankündigungen zum möglicherweise unbegrenzten Staatsanleihen-Ankauf "weitergeht". Joachim Jahn (FAZ) hält es für abwegig, dass der entscheidende Senat seine angekündigte Entscheidung vertagen könnte.
Für "aussichtslos" hält Verfassungsrechtler Franz C. Mayer auf dem verfassungbslog den Antrag und verlinkt auf die zugehörige Pressemitteilung Gauweilers. Weiter stellt und beantwortet er Fragen zur Justiziabilität von Handlungen der Europäischen Zentralbank (EZB): Wer kann klagen und wogegen? Zu den weiteren Reaktionen auf die EZB-Ankündigung meint er: Politiker "mutieren zu Hobby-Europarechtlern und Freizeit-Verfassungsexperten". In einem zweiten Teil befasst Mayer sich mit der Europarechtsmäßigkeit des Handelns der EZB sowie der Frage, ob das BVerfG die EZB überhaupt kontrollieren kann.
BVerfG/ESM und Fiskalpakt: Der für morgen anstehenden Entscheidung des BVerfG über die Eilanträge widmet die SZ eine Doppelseite. Unter anderem zeichnet diese (C. Gammelin/ W. Janisch/C. Hulverscheidt) vier mögliche Entscheidungs-Szenarien nach: "Keine Einwände", "Bedingtes Ja", "Recht zur Kündigung" und "Kategorisches Nein". Heribert Prantl (SZ) konstatiert, alle Klagen liefen "immer wieder in einem Argumentationskern zusammen": Unter Berufung auf Art. 20 Abs. 2 GG schrien die Kläger nach mehr Demokratie.
Im Wirtschafts-Teil liefert die FAZ (Joachim Jahn) einen umfassenden Fragenkatalog samt Antworten rund um die Entscheidung; so etwa, ob dies "das letzte Wort" sei und wer "recht habe" und erläutert dabei den juristischen Rahmen.
Einen präzisen Überblick zu Klage, Klägern und Streitpunkten gibt die taz (Christian Rath). "Im Kern" werde das BVerfG die Klagen wohl abweisen. Weiter spricht die taz (Anja Maier) mit Herta Däubler-Gmelin, einer Prozessvertreterin des klagenden Vereins "Mehr Demokratie". Es kommentiert Ulrike Herrmann (taz).
spiegel.de (David Böcking) erläutert, ob ein Karlsruher Veto gegen den ESM tatsächlich das "Aus für die Euro-Rettung" bedeutet und welche verfassungsgerichtlichen Forderungen für Nachbesserungen am ESM denkbar sind. telepolis.de (Thomas Pany) informiert über das Gutachten aus dem wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, das juristische Zweifel am ESM bestätige.
Reinhard Müller (FAZ) befasst sich in einer ausführlichen Stellungnahme mit der prinzipiellen Europarechtsfreundlichkeit von Grundgesetz und Verfassungsgericht und zeichnet dabei die BVerfG-Rechtsprechung von der ersten Solange- bis zur Lissabon-Entscheidung nach.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Sicherheit auf deutschen Schiffen: Welche Folgen ein Gesetzentwurf, der eine neue teure und aufwändige Zulassungsprüfung für den Einsatz bewaffneter Sicherheitskräfte auf Schiffen unter deutscher Flagge vorschreibt, für die Sicherheitsunternehmen und die Attraktivität des Fahrens unter deutscher Flagge hat, erläutert Rechtsanwalt Michael Karschau für lto.de.
Weitere Themen – Justiz
"Super 8": Mit der (persönlichen) Lage der acht entscheidenden Verfassungsrichter im zweiten Senat befasst sich die FTD (Elke Spanner) und beleuchtet, wie die Richter um den Berichterstatter im Verfahren, Peter Michael Huber, mit der Last der "vielleicht wichtigsten Entscheidung" Karlsruhes und der dazugehörigen Berichterstattung umgehen, wenn sie etwa Kritikern "plötzlich selbst als Gefahr für die Demokratie erscheinen".
Bild.de (Andreas Thewalt) nennt Andreas Voßkuhle, Präsident des BVerfG, den "momentan wichtigsten Richter der Welt".
BVerwG zu Weservertiefung: Über die angenommenen Vergleichsvorschläge des Berichterstatters in einem Verfahren um die Weservertiefung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) informiert lto.de.
Bettina Wulff vs. Google: Rechtsprofessor und Rechtsanwalt Niko Härting erläutert für lto.de, dass er dem rechtlichen Vorgehen Bettina Wulffs gegen Google im Hinblick auf die Autocomplete-Funktion für Suchbegriffe geringe Erfolgsaussichten einräumt. Technisch sei Google vermutlich in der Lage, dem Wunsch zu entsprechen, müsse dies aber nur, wenn eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliege. Dies sei "mehr als fraglich".
zeit.de (Kai Biermann) stellt (erfolgreiche) Klagen in verschiedenen Ländern gegen Googles Autocomplete-Funktion vor. Die FR widmet dem Thema den Leitartikel: "Googles Gottesurteil".
Das Handelsblatt (M. Brackmann/ D. Fröhlich/ J. Münchrath) titelt "Die Rufmord-Maschine" und befindet, die Unschuldsvermutung werde in der virtuellen Welt ins Gegenteil verkehrt. Weiter liefert das Handelsblatt (fo) ein knappes Interview mit dem Rechtsanwalt und Urheberrechtsexperten Rolf Schwartmann, der im Suchalgorithmus Googles eine "Art redaktionelle Funktion" erblickt.
LAG Berlin-Brandenburg – Kiffen und Kündigung: Wie spiegel.de meldet, hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg bestätigt, dass Cannabiskonsum, obgleich in der Freizeit, eine Kündigung rechtfertigen könne, wenn der Arbeitnehmer in einem sicherheitsrelevanten Bereich arbeite.
Weitere Themen – Recht im Ausland
London - UBS-Verfahren: spiegel.de und FAZ (Bettina Schulz) berichten über den Prozessauftakt gegen den ehemaligen Wertpapierhändler der Schweizer Bank UBS, Kweku Adoboli, wegen Betrugs und Urkundenfälschung vor dem Southwark Crown Court in London.
Sonstiges
Straffreier Besitz von Kinderpornographie?: Nach dem Vorschlag des Gründers der schwedischen Piraten-Partei Rick Falkvinge, Kinderpornographie-Besitz zu legalisieren, nimmt Udo Vetter (lawlog.de) ausführlich Stellung zu den Argumenten Falkvinges und anderer Strafbarkeits-Gegner. Er zieht das Fazit, die "Perpetuierung des Kindesmissbrauchs" müsse strafrechtlich verfolgt werden - unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und Verhinderung einer "Hexenjagd".
Deutscher Juristentag: Vor dem kommende Woche in München stattfindenden Deutschen Juristentag gibt die FTD einen kleinen Ausblick auf Diskussionsgrundlagen und - Teilnehmer in den Themenbereichen Kommunikationsrecht (Anke Stachow), Sozialrecht (Anke Stachow), Verbraucherrecht, Corporate Governance und Strafrecht (Andreas Kurz). Zu den Referenten im Strafrecht gehörten u.a. der Freiburger Rechtsprofessor Ulrich Sieber, Constanze Kurz vom Chaos Computer Club sowie der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke. Dieser fordere "martialisch", der Staat müsse "nachrüsten".
Günter Hirsch – Streitschlichter für Versicherungen: Im Gespräch mit dem Focus erläutert der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH) Günter Hirsch unter anderem, warum er als Versicherungsombudsmann häufig mit Beschwerden von Lebensversicherten zu tun hat und wie lang er im Schnitt für eine Entscheidung braucht.
Das Letzte zum Schluss
Doktor der Ufologie: Wie auf spiegel.de sowie dem Kanzleiblog dr-bahr.com zu erfahren ist, bleibt nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin das Anbieten von Fantasie-Doktortiteln, wie etwa ein Doktor der Ufologie oder Engeltherapie, über den deutschen Ableger des Rabattportals Groupon verboten. Eine US-amerikanische Kirche habe diese angeboten.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. September 2012: BVerfG zu Gauweiler - "Super 8" in Karlsruhe - Straffreier Kinderpornographie-Besitz? . In: Legal Tribune Online, 11.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7045/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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