Die Arbeit des BFH könnte wegen Konkurrentenklagen bei der Besetzung freier Richterposten beeinträchtigt werden. Außerdem in der Presseschau: Vorratsdatenspeicherung nach Terroranschlag, Verbot der Vollverschleierung, die Strafbarkeit von Gotteslästerung und die gescheiterte Erbeinsetzung eines Hundes.
Thema des Tages
BFH – Konkurrentenklagen: Personalstreitigkeiten beim Bundesfinanzhof könnten die Arbeit des Gerichts behindern. Wie die Montags-FAZ (Joachim Jahn) berichtet, haben Konkurrentenklagen gegen die Beförderung von Kollegen dazu geführt, dass der Dritte Senat von der Vorsitzenden eines anderen Senats geleitet werden musste und zwei weitere Richterstellen vakant seien. Zudem sollen dieses Jahr drei weitere Vorsitzende in den Ruhestand gehen, sodass weitere Auseinandersetzungen vor Verwaltungsgerichten befürchtet werden. Die Zustände würden bereits mit der Situation beim Bundesgerichtshof unter dem Präsidenten Klaus Tolkdorf verglichen, als vier Senate keinen regulären Vorsitzenden hatten.
Rechtspolitik
Vollverschleierung: Rechtsprofessor Rudolf Steinberg diskutiert in einem ausführlichen Gastbeitrag in der FAZ die Forderungen nach einem Verbot der Vollverschleierung in Deutschland. Hierfür stellt er das französische Gesetz und die Diskussion der Verfassungsmäßigkeit in Frankreich dar. Anschließend diskutiert der Autor die Verfassungsmäßigkeit eines Verbots in Deutschland. Der Eingriff in die Religionsfreiheit könnte mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung abgewogen werden, jedoch bestünden Zweifel an der Verhältnismäßigkeit eines Verbots.
Reaktionen auf Terroranschlag in Frankreich: Die Reaktionen auf den Vorschlag der CSU, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen, fassen unter anderem die Montags-SZ (Robert Rossmann), Samstags-FAZ (Albert Schäffer) und Montags-Welt (Matthias Kamann/Martin Lutz) zusammen. Die CDU stünde dem Vorschlag kritisch bis ablehnend gegenüber, während Grüne und die Linkspartei sich vehement dagegen aussprechen. Justizminister Heiko Maas (SPD) habe angekündigt, dass die Terrorismusfinanzierung durch eine Änderung des Aktiengesetzes bekämpft werde, die vom Bundeskabinett letzte Woche beschlossen wurde. Zudem habe Innenminister Thomas de Mazière (CDU) auf einem Treffen der EU-Innenminister für die Annahme des Fluggastdatenabkommens plädiert, berichtet netzpolitik.org (Matthias Monroy).
Christian Bommarius (Berliner Zeitung) und internet-law.de (Thomas Stadler) kritisieren den Vorschlag zur Vorratsdatenspeicherung als sinnlos. Dies zeige gerade der Anschlag auf Charlie Hebdo in Frankreich, wo die Vorratsdatenspeicherung bestehe. Heribert Prantl (SZ) weist darauf hin, dass die Vorratsdatenspeicherung unter anderem wegen der "Unvereinbarkeit mit der Pressefreiheit" für verfassungs- und EU-rechtswidrig erklärt worden war.
Pkw-Maut: Nach Informationen der Montags-FAZ (Kerstin Schwenn) kommt ein neues Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu dem Schluss, dass die geplante Pkw-Maut der Bundesregierung gegen europäisches Recht verstößt. In der geplanten Verrechnung mit der Kfz-Steuer sei eine mittelbare Diskriminierung von EU-Ausländern zu sehen.
Mindestlohn: Horst Seehofer (CSU) will die Regelungen zum Mindestlohn nachbessern und die Nachweis- und Dokumentationspflichten für kleinere Betriebe lockern, berichtet die Montags-FAZ (Joachim Jahn). Die Dokumentationspflicht über die Arbeitszeit besteht für Minijobber und in neun Branchen auch für Vollzeitbeschäftigte.
Organhaftung: Wie die Montags-FAZ (Philipp Krohn) erläutert, spricht sich die auf Managerhaftpflicht spezialisierte Versicherungsgesellschaft VOV für eine Reform der Organhaftung aus. Aufgrund der zunehmenden Schadensersatzklagen könnte die Managerhaftung nicht mehr versicherbar sein. Rechtsprofessor Gregor Bachmann habe empfohlen, dass die Aktionäre die Haftungshöhe in der Satzung festlegen oder der Gesetzgeber die Haftung gesetzlich beschränken könnten. Auch die Montags-SZ (Uwe Ritzer) stellt die aktuellen Schadensersatzprozesse dar, moniert jedoch, dass meist sehr geringe Beträge durch Vergleiche gefordert werden.
Erbschaftsteuer: Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) berichtet von der Veranstaltung der Stiftung Familienunternehmen zur Reform der Erbschaftsteuer und stellt die diskutierten Reformvorschläge vor. Nach Angaben des Leiters der Steuerabteilung beim Finanzministerium Michael Sell sollen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zügig umgesetzt werden und die Änderungen sich auf das Nötigste beschränken. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) werde die Eckpunkte an diesem Montag vorstellen.
Recht auf digitalen Neustart: NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) spricht sich im Interview mit dem Spiegel (Barbara Schmid/Wolf Wiedmann-Schmidt, Zusammenfassung) für das "Recht auf digitalen Neustart" aus. Über den Bundesrat sollen Regeln "für Internetsicherheit und gegen Internetkriminalität" eingebracht werden, die Betroffenen einen gesetzlichen Anspruch gegen Suchmaschinen auf Löschung von Informationen gewähren sollen. Außerdem solle Internetstalking und Cybermobbing stärker verfolgt werden.
Justiz
BVerfG zu Uber: Wie die Samstags-FAZ (Britta Beeger) meldet, hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde von Uber mangels Zulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen. Das Unternehmen wandte sich mit der Beschwerde gegen eine Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, das ein behördliches Verbot der Fahrvermittlung in Hamburg bestätigte.
OLG Düsseldorf zu Bestpreisklauseln: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am vergangenen Freitag entschieden, dass die Bestpreisklauseln des Internetportals HRS nicht mit dem Kartellrecht vereinbar sind. In den beanstandeten Klauseln hatte das Portal mit den Vertragshotels vereinbart, dass es die günstigsten Zimmerpreise der Hotels anbieten könnte. Das schränke den Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen Hotelportalanbietern unzulässig ein, entschied das OLG. internet-law.de (Thomas Stadler) und die Samstags-FAZ (Timo Kotowski/Helmut Bünder) stellen den Beschluss dar.
OLG Köln zur PKH: Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Beschluss vom 11. Dezember 2014 entschieden, dass für das Prozesskostenhilfeprüfungs- und –beschwerdeverfahren keine Prozesskostenhilfe gewährt werden kann; es gelte der Grundsatz "keine PKH für PKH", meldet blog.beck.de (Hans-Jochem Mayer). Ein Anwalt hatte Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Anhörungsrüge beantragt, nachdem der Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussichten abgelehnt und die Beschwerde dagegen zurückgewiesen worden war.
AG München zu Glücksspiel: Das Amtsgericht München hat einen Mann zu einer Geldstrafe wegen Beteiligung an einem unerlaubten Online-Gewinnspiel gemäß § 285 des Strafgesetzbuches verurteilt. Rechtsanwalt Hendrik Schöttle bespricht das Urteil auf lto.de. Das AG habe das Verbot von Internet-Glücksspielen für mit dem EU-Recht vereinbar gehalten und auch die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit des Verhaltens bejaht.
OLG München – NSU: Diesen Montag wird beim NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München der Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße vom 9. Juni 2004 verhandelt, bei dem 22 Menschen teilweise schwer verletzt worden waren. Die Montags-taz (Andreas Speit) bringt einen Vorbericht. Außerdem führt die Montags-taz (Sabine am Orde) ein Interview mit dem Nebenklagevertreter Alexander Hoffmann, der ein Opfer des Nagelbombenanschlags vertritt und die polizeiliche Ermittlungsarbeit kritisiert. Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) stellt in einem ausführlichen Bericht die zahlreichen Nebenklagevertreter und ihre Rolle im Prozess sowie bei der Erkenntnisgewinnung über die rechtsextremistische Szene vor.
StA Berlin zu Geschenk für Lehrerin: Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) kommentiert den Fall einer Berliner Lehrerin, die wegen eines teuren Geschenks ihrer Schüler wegen Vorteilsnahme angezeigt worden war und gegen die Einstellung des Verfahrens eine Auflage von 4.000 Euro zahlen musste. Die anteilnehmenden Reaktionen auf den Fall zeigen wie "wandelbar und stimmungsabhängig das öffentliche Urteil über Korruptionsdelikte ist."
Recht in der Welt
EuGH – EZB: Kommende Woche wird der Generalanwalt sein Gutachten vor dem Europäischen Gerichtshof zur Frage der Vereinbarkeit von Staatsleihenkäufen durch die Europäische Zentralbank mit den EU-Verträgen vorstellen. Die FAZ (Reinhard Müller) diskutiert die unterschiedlichen Ansichten zur Rechtmäßigkeit der EZB-Anleihenkäufe; die europäische Entwicklung, wie sie von der EZB vorangetrieben werde, unterliege nur zum Teil demokratischer Kontrolle, so dass der EuGH gefragt sei.
Sonstiges
Gotteslästerung: Infolge des Anschlags auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Frankreich wird die deutsche Strafnorm der "Beschimpfung von Bekenntnissen" gemäß § 166 des Strafgesetzbuches kritisiert und ihre Abschaffung unter anderem in einem Kommentar bei spiegel.de (Markus Becker) gefordert. lto.de (Pia Lorenz) erläutert, dass die in der Zeitschrift veröffentlichten Karikaturen nach der Norm nicht strafbar gewesen wären und der Paragraf in der Anwendung beinahe bedeutungslos sei. Auch der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) betont, dass die Norm nicht das religiöse Bekenntnis, sondern den öffentlichen Frieden schütze.
Privatdetektive: In einem ausführlichen Beitrag befasst sich Constantin van Lijnden in der Samstags-FAZ mit der Arbeit von Privatdetektiven, die häufig bei Verdachtsmomenten gegen Arbeitnehmer eingesetzt werden, weil ein etwaiges Fehlverhalten bei einer Kündigung lückenlos nachgewiesen werden müsse. Der Autor erläutert die Voraussetzungen des Einsatzes von Detektiven nach dem Bundesdatenschutzgesetz und stellt die Rechtsprechung von Arbeitsgerichten zur Zulässigkeit von Ermittlungsmethoden dar.
Urlaubsanspruch: Rechtsanwältin Regine Steiner erläutert in der Samstags-FAZ die Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs von Arbeitnehmern. Zudem stellt sie die Rechtslage bei einem Wechsel des Arbeitgebers innerhalb eines Jahres dar. Der Urlaub werde in diesem Fall nicht noch einmal in voller Höhe gewährt, sondern nur soweit er vom ehemaligen Arbeitgeber noch nicht erfüllt wurde.
Das Letzte zum Schluss
Hund als Erbe: Ein Hund ist keine rechtsfähige Person und kann deswegen kein Erbe sein. Diese Lektion musste eine Frau lernen, die den Hund einer verstorbenen Freundin bei sich aufnahm, den diese im Testament als Erben eingesetzt hatte. Die sich kümmernde Freundin wollte später etwas vom Erbe abhaben und machte geltend, dass der Anteil des Hundes ihr als Besitzerin zustehe. Das Landgericht München I sprach ihr zwar den Hund, jedoch nicht das Erbe zu, berichtet justillon.de (Andreas Stephan).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. - 12. Januar 2015: Personalstreitigkeiten beim BFH – Verbot der Vollverschleierung – Recht auf digitalen Neustart . In: Legal Tribune Online, 12.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14327/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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