Sexuelle Belästigung in München und Köln, Prozesse mit ganz unterschiedlichen Perspektiven. Außerdem in der Presseschau: Ex-Terrorist vermittelt Islamisten Anwälte, Hausmeister darf abwegige Rechtsposition weiter äußern.
Thema des Tages
AG München zu Angriff auf Grapscher: Die Staatsanwaltschaft München hatte ein amerikanisches Au-Pair-Mädchen wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, nachdem es auf dem Oktoberfest einen jungen Niederbayern mit einem Maßkrug niedergeschlagen hatte. Nach Darstellung des Spiegels (Gisela Friedrichsen) wollte der Mann mit der Frau anbandeln, doch sie wendete sich ab. Später bespritzten sie sich mit Bier. Nun hob der Mann den Dirndl-Rock der Frau bis zur Taille hoch. Daraufhin ohrfeigte sie ihn. Der Mann stieß die Frau anschließend nach vorn, so dass sie über den Tisch schlidderte und auf einem anderen Mann landete, der sich auch an ihr zu schaffen machte. Daraufhin nahm sie einen Maßkrug und schwang ihn gegen den ersten Niederbayern, der mit einer Platzwunde am Kopf zu Boden ging. Das Amtsgericht stellte das Verfahren gegen die Frau gegen Zahlung einer Geldauflage von 1.000 Euro ein.
AG Köln zu sexueller Nötigung in Köln: Das Amtsgericht Köln sprach zwei Nordafrikaner vom Vorwurf der sexuellen Nötigung und des Diebstahls frei. Bei beiden wurden zwar Handys gefunden, die Frauen in der Silvesternacht am Hauptbahnhof gestohlen wurden, nachdem diese angegrapscht worden waren. Die Männer behaupteten jedoch, die Handys kurz danach gekauft zu haben. Da die Frauen die beiden Männer vor Gericht nicht wiedererkannten, wurden jene nur wegen Hehlerei (und eines anderweitigen Einbruchversuchs) verurteilt, berichtet zeit.de (Christoph Herwartz).
Rechtspolitik
"Richterstaat": Joachim Jahn (Samstags-FAZ) zählt im Wirtschafts-Leitartikel zahlreiche Urteile des Bundesverfassungsgerichts, des Bundessozialgerichts, des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf, die er für problematisch hält, weil sie demokratisch legitimierte Regelungen beanstandeten. Dies sei ein "Irrweg der Verrechtlichung und Entdemokratisierung". Die Richter sollten "nur bei eindeutigen und schwerwiegenden Verstößen gegen Grund-, Menschen- oder Bürgerrechte" einschreiten. Die Politik müsse den Primat des Handelns zurückgewinnen und rechtliche Grenzen austesten.
TTIP/CETA: Der Gründer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch Thilo Bode erklärt in der Samstags-SZ, die Handelsverträge TTIP und CETA seien nicht erforderlich, um technische Standards anzugleichen. Hauptsächlicher Zweck sei die regulatorische Zusammenarbeit, die eine Verschärfung von Standards behindere.
AfD und Religionsfreiheit: Rechtsprofessor Joachim Wieland prüft auf lto.de die programmatischen Aussagen der AfD zur Religionsfreiheit und zum Islam. Sein Ergebnis: "Nach dem Parteiprogramm der AfD bleibt von der Glaubensfreiheit für den Islam und seine Angehörigen nicht viel übrig." Der Staat dürfe "nicht eine Glaubensgemeinschaft, die nach der Auffassung einiger Politiker nicht zu Deutschland passt, vom Schutz der Glaubensfreiheit ausnehmen."
Antimuslimische Straftaten: Auf der nächsten Innenministerkonferenz im Juni soll die statistische Erfassung antimuslimischer Straftaten beschlossen werden. Die Samstags-taz (Ralph Pauli/Charlotte Gerlin) legt dar, warum die bisher vorhandenen Daten das Deliktfeld völlig unzureichend darstellten.
Justiz
AG Karlsruhe zu Meinungsfreiheit und Rassismus: Das Amtsgericht Karlsruhe lehnte einen von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl wegen Beleidigung gegen den Anwalt David Schneider-Addae-Mensah ab. Der Anwalt hatte den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in einem Brief als "wunderbares Inzuchtprodukt" bezeichnet. Er reagierte damit auf Herrmanns Äußerung, der den Sänger Roberto Blanco zuvor einen "wunderbaren Neger" genannt hatte. Das Gericht billigte dem dunkelhäutigen Anwalt das "Recht zum Gegenschlag" auf eine "abwertende rassistische Bezeichnung" zu, berichtet die Montags-SZ (Christian Rost).
OLG Stuttgart zu Handys am Steuer: lawblog.de (Udo Vetter) stellt ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart von Ende April vor. Danach ist es nicht mehr verboten, ein Handy bei der Fahrt in der Hand zu halten, wenn nicht über das Handy telefoniert wird, sondern über die Freisprecheinrichtung (oder dies zumindest unwiderleglich behauptet wird). Das Urteil sei die Folge einer Gesetzesänderung von 2013, mit der eigentlich nur der Begriff "Fahrzeugführer" durch eine geschlechtsneutrale Formulierung ersetzt werden sollte.
Zentralstelle zu KZ Stutthof: Die Ludwigsburger Zentralstelle zur Ermittlung von NS-Kriegsverbrechen hat Vorermittlungen gegen eine Handvoll ehemaliger SS-Mitglieder aufgenommen, die im KZ Stutthof bei Danzig tätig waren. Das berichtet die Samstags-taz (Klaus Hillenbrand).
StA Mainz - Böhmermann/Bundesregierung: Im Interview mit spiegel.de (Dietmar Hipp) erklärt der Strafverteidiger Michael Rosenthal, dass die Bundesregierung mit ihrer ausdrücklichen Ermächtigung zur Strafverfolgung von Böhmermann sich übermäßig für das Ansinnen Erdogans engagiert habe. Es hätte genügt, das türkische Strafverlangen kommentarlos an die Staatsanwaltschaft Mainz durchzureichen.
Ermittlungen und Pressefreiheit: Die Samstags-taz (Rene Martens) schildert mehrere Strafverfahren gegen Journalisten und ihren meist harmlosen Ausgang. Nicht alle Journalisten sähen eine solche Strafverfolgung jedoch als "Auszeichnung".
BVerfG - CETA: Die Samstags-SZ (Hans von der Hagen) stellt den Rechtsprofessor Andreas Fisahn vor, der im Auftrag der Flötenlehrerin Marianne Grimmenstein und von rund 70.000 Unterstützern eine Verfassungsklage gegen das vorläufige Inkrafttreten des EU-Kanada-Handelsvertrags CETA vorbereitet.
Thomas Dieterich: Die Montags-SZ (Helmut Kerscher) bringt einen Nachruf auf den am Freitag verstorbenen Thomas Dieterich. Er war von 1987 bis 1994 Richter am Bundesverfassungsgericht und anschließend Präsident des Bundesarbeitsgerichts. "Dieterichs Streben nach sozialer Symmetrie zeigte sich in vielen Entscheidungen, öfter zur Freude von Gewerkschaften als von Arbeitgebern. "
Bernhard Falk: Die FAS (Peter Carstens) portraitiert Bernhard Falk, der als antiimperialistischer Terrorist bis 2008 mehr als zwölf Jahre hinter Gittern saß und nun eine islamistische Gefangenenhilfe aufbaut. Dabei besucht er verhaftete Islamisten und versucht ihnen Anwälte zu vermitteln, die wie Falk eine Kooperation der Angeklagten mit staatlichen Gerichten ablehnen.
Christian Ströbele: Im Interview mit der FAS (Anne Ameri-Siemens) spricht der Anwalt und Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele über seine Zusammenarbeit mit Horst Mahler im sozialistischen Anwaltskollektiv, über die Verteidigung von RAF-Gefangenen, seinen NS-Vater, Edward Snowden und den Verfassungsschutz-Provokateur Peter Urbach. Anlass des Interviews ist eine neue Biographie über Ströbele.
Recht in der Welt
Türkei - Verurteilung von Journalisten: Ein Gericht in Istanbul hat die beiden Journalisten Can Dündar und Erdem Gül wegen Veröffentlichung geheimer Dokumente zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und zehn Monaten bzw. fünf Jahren verurteilt. Wegen des Vorwurfs der Spionage und des Versuchs, die Regierung zu stürzen, wurden sie freigesprochen. Der Vorwurf der Unterstützung einer Terrororganisation werde in einem separaten Verfahren weiterverhandelt, berichtet spiegel.de.
Rainer Hermann (Montags-FAZ) sieht ein türkisches Signal darin, dass das Gericht zugleich das Reiseverbot der beiden Angelklagten aufgehoben hat. "Das Gericht fordert die beiden damit auf, das Land zu verlassen, bevor das Urteil in Kraft tritt. Offenbar fürchtet es einen dauerhaften Imageschaden für die Türkei und will das Land etwas aus der Kritik nehmen."
USA - Geldwäsche mit Währung: Ein Gericht in New York hat den Gründer der Digitalwährung Liberty Reserve, Arthur Budovsky, wegen Geldwäsche zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, meldet spiegel.de. Die Parallelwährung sei unter anderem von Kreditkarten- und Investmentbetrügern sowie von Drogendealern genutzt worden.
Italien - Ermittlungen gegen Deutsche Bank: Wie die Samstags-SZ (Meike Schreiber) berichtet, hat die Staatsanwaltschaft in Trani (Italien) Ermittlungen gegen Ex-Manager der Deutschen Bank wegen Kursmanipulation aufgenommen. Diese sollen 2011, als die Bank italienische Staatspapiere von mehr als sieben Milliarden Euro verkaufte, falsch über deren Wert informiert haben.
Spanien -Verfassungsfragen: Im Interview mit verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis/Yoan Vilain) kritisiert der spanische Ex-Verfassungsgerichtspräsident und Ex-EuGH-Generalanwalt Pedro Cruz Villalon die spanischen Parteien, die ihre partikularen Interessen zu sehr in den Vordergrund geschoben und dadurch Neuwahlen ausgelöst hätten. Sie hätten dabei das (nicht justiziable) Recht des Landes, regiert zu werden, verletzt. Außerdem spricht er über die Schwierigkeit, größere Autonomie einzelner Regionen wie Katalonien vorzusehen, wenn andere Regionen gar nicht so viel Selbständigkeit haben wollen.
Sonstiges
Menschenwürde: In der Montags-SZ bespricht der ehemalige Spiegel-Journalist Rolf Lamprecht das Buch "Menschenwürde" des Rechtsphilosophen Dietmar von der Pfordten. "Das schmale Bändchen ist eine wahre Fundgrube. Der Autor erzählt die Geschichte des Begriffs, der bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts nur akademische Bedeutung hatte."
Das Letzte zum Schluss
ArbG Mönchengladbach - Meinungsfreiheit des Hausmeisters: Die Ex-Rennfahrergattin Cora Schumacher hatte mit einem Hausmeister vertraglich einen Lohn von 450 Euro vereinbart. Im Vertrag blieb aber offen, ob die Summe pro Monat oder pro Stunde zu zahlen ist. Der Hausmeister verlangte 450 Euro pro Stunde, hatte damit vor Gericht aber keinen Erfolg. Cora Schumacher wollte ihm nun aber auch verbieten lassen, weiter öffentlich über den Konflikt zu sprechen. Das lehnte das Arbeitsgericht Mönchengladbach nun laut blog.beck.de (Markus Stoffels) ab. Auch die Äußerung abwegiger Rechtspositionen sei von der Meinungsfreiheit geschützt.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. bis 9. Mai 2016: Grapsch-Prozesse / islamistische Anwaltsvermittlung / Meinungsfreiheit des Hausmeisters . In: Legal Tribune Online, 09.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19318/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
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