Claudia Pechstein will die Sportgerichtsbarkeit aushebeln. Außerdem in der Presseschau: juristische Bewertung der Flüchtlings-Verhandlungen mit der Türkei und BGH gewährt Griechenland Immunität beim Schuldenschnitt.
Thema des Tages
BGH - Pechstein gegen ISU: Der Bundesgerichtshof verhandelte über die Zulässigkeit der Klage von Eisschnellläuferin Claudia Pechstein gegen ihren Verband, die Eislaufunion. Pechstein fordert vier Millionen Euro Schadensersatz wegen einer angeblich ungerechtfertigen Dopingsperre. Sie hatte jedoch eine Schiedsklausel unterzeichnet, wonach solche Klagen abschließend vom Sportgerichtshof CAS zu klären sind. Der BGH muss nun entscheiden, ob solche Klauseln kartellrechtlich zulässig sind. Das OLG München sah darin einen Missbrauch von Marktmacht durch den Sportverband. In der BGH-Verhandlung ging es vor allem um die Frage, ob der CAS neutral genug ist. Der BGH ließ noch keine Tendenz erkennen, das Urteil wurde für den 7. Juni angekündigt. Von der Verhandlung berichten die SZ (Johannes Aumüller), die FAZ (Christoph Becker), die taz (Christian Rath) und lto.de.
Wolfgang Janisch (SZ) kommentiert: Selbst wenn Pechstein beim BGH gewinne, wäre dies nicht das Ende der sinnvollen Sportgerichtsbarkeit. Der BGH solle aber die "Chance ergreifen", eine Reform des CAS anzustoßen.
De Maizière und der Sport: Im Interview mit der FAZ (Arno Hecker/Michael Reinsch) spricht Innenminister Thomas de Maizière über die Autonomie des Sports, das Anti-Doping-Gesetz, mehr Medaillen, das geplante Doping-Opfer-Hilfe-Gesetz und ein spezielles Sportministerium.
Rechtspolitik
Flüchtlinge und die Türkei: Die FAZ (Reinhard Müller) bewertet die geplante Flüchtlings-Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei. Wenn die Türkei ein sicherer Drittstaat wäre, könnten illegal nach Griechenland eingereiste Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt werden. Zu prüfen wäre dabei nur, dass die konkreten Flüchtlinge wirklich aus der Türkei kamen. Dass die Türkei die Genfer Flüchtlingeskonvention nur mit einem Vorbehalt ratifiziert hat, spreche aber dagegen, sie als sicheren Drittstaat einzustufen. EuGH-Generalanwältin Juliane Kokott habe jedoch jüngst Serbien als sicheren Drittstaat akzeptiert.
Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) begrüßt die geplante Vereinbarung, weil sie die geregelte Aufnahme von Flüchtlings-Kontingenten durch die EU vorsieht. Wenn sich die Türkei nicht an GFK-Standards halte, müssten griechische Gerichte die Abschiebung von Flüchtlingen in die Türkei unterbinden.
Erbschaftsteuer: Im Streit zwischen CDU/SPD und CSU um die Reform der Erbschaftsteuer hat die CSU-Mittelstandsunion einen alternativen Gesetzentwurf vorgelegt, berichtet die FAZ (Manfred Schäfers). Nach diesem Entwurf sollen als Bemessungsgrundlage nur tatsächlich angefallene Gewinne dienen.
Kaufrecht: Die SPD-Fraktion will einen von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf nachbessern, mit dem im Gewährleistungsfall der Regress zwischen Unternehmen (Händler und Produzent) verbessert werden soll. Die SPD will verhindern, dass die Regressregelung per AGB ausgeschlossen werden kann, meldet die FAZ (Joachim Jahn).
Steuerpublizität: Rechtsprofessor Wolfgang Schön kritisiert in der FAZ den auf EU-Ebene diskutieren Plan, Großunternehmen zur Offenlegung ihrer Steuerzahlungen pro Staat zu verpflichten. Dies sei unnötig, weil auf OECD-Ebene bereits eine Publizität gegenüber den Finanzämtern beschlossen wurde. Der Druck der Öffentlichkeit könne zu unzulässig hohen Steuerforderungen und zur Einschränkung von Gestaltungsmöglichkeiten führen.
CETA-Investitionsgerichtshof: Der wissenschaftliche Assitent Till Patrik Holterhus beschreibt auf verfassungsblog.de detailreich die Einführung eines Investitionsgerichtshofs in das EU-Kanada-Handelsabkommen CETA sowie die dortige Präzisierung des staatlichen "Rechts auf Regulierung". Die Änderungen seien ein "Schritt in die richtige Richtung".
Justiz
BGH zu griechischem Schuldenschnitt: Die Schuldenabwertung Griechenlands 2012 war ein staatlicher Hoheitsakt und kann wegen des Prinzips der Staatenimmunität nicht vor deutschen Gerichten angegriffen werden. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof in einem Piloturteil und erklärte die Klagen deutscher Käufer griechischer Staatsanleihen für unzulässig. Das berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und der Tsp (Ursula Knapp).
BGH zu Vorstandsbezügen: Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage einer Aktiengesellschaft, muss der Aufsichtsrat in der Regel die Bezüge der Vorstandsmitglieder herabsetzen. Dies entschied laut einer Meldung der FAZ (Joachim Jahn) der Bundesgerichtshof.
BSG zu Therapieantrag: Wenn eine Krankenkasse den Antrag auf eine Therapie verspätet ablehnt, darf der antragstellende Patient von einer Bewilligung ausgehen und hat Anspruch auf Ersatz der Therapiekosten. Das entschied laut lto.de das Bundessozialgericht. Danach verlängert sich die gesetzliche Frist bei Einholung eines Gutachtens nur dann von drei auf fünf Wochen, wenn dies dem Patienten mitgeteilt wird.
OLG München - NSU/Raubüberfälle: Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München beschrieben Ermittler wie sie (relativ spät) die NSU-Raubüberfälle als Serie erkannten, so spiegel.de.
Mitbestimmung: Die FAZ (Joachim Jahn) beschreibt Diskussionen um zwei Verfahren, bei denen es um die Einbeziehung von ausländischen Mitarbeitern in deutsches Mitbestimmungsrecht geht: die Vorlage des Kammergerichts Berlin an den EuGH im Fall TUI und das Verfahren am OLG Frankfurt zur Größe des Aufsichtsrats der Deutschen Börse AG.
Recht in der Welt
Polen - Verfassungsgericht: In Polen hat das Verfassungsgericht über Klagen gegen das umstrittene Gesetz verhandelt, das das Verfassungsgericht blockieren soll. Bei der Verhandlung hat das Gericht das neue Gesetz nicht angewandt, obwohl dieses bereits in Kraft ist. Regierungsvertreter und nahestehende Institutionen boykottierten daher die Verhandlung. Dies schildert die FAZ (Konrad Schuller). Reinhard Veser (FAZ) kommentiert: "Das Vorgehen der Nationalkonservativen zeugt von einem elementaren Mangel an Respekt vor dem Recht, vor staatlichen Institutionen und vor Andersdenkenden."
Großbritannien - EU: Der Rechtswissenschaftler Davor Jancic analysiert auf verfassungsblog.de in englischer Sprache die jüngst ausgehandelte Einigung zwischen EU und Großbritannien. Sie trage wenig zur Wiederherstellung englischer Souveränität bei. Diese wäre aber auch bei einem EU-Austritt Großbritanniens illusionär.
Malaysia - verschwundener Jet: Die FAZ (Till Fähnders) gibt einen Überblick über laufende Schadensersatzprozesse im Zusammenhang mit dem vor zwei Jahren verschwundenen malaysischen Passagierflugzeug MH370.
Ukraine - abgeschossener Jet: lto.de referiert einen Aufsatz des Anwalts Norbert Knittelmayer. Dieser weist die Annahme zurück, dass die Ukraine schon vor dem Abschuss des Flugs MH17 durch russische Raketen verpflichtet gewesen sei, ihren Luftraum zu sperren. Dies gilt als wichtige Vorfrage für Schadensersatzansprüche gegen die Ukraine.
USA - Nacktbilder: Die Sportreporterin Erin Andrews erhält 55 Millionen Dollar Schadensersatz, weil ein Stalker durch ein Loch in der Hotelwand Nacktaufnahmen von ihr anfertigen und diese im Internet verbreiten konnte. 51 Prozent der Summe soll der Stalker bezahlen, 49 Prozent das Hotel, berichtet die SZ (Christoph Dorner).
Sonstiges
Thomas Fischer zum Rausch: Bundesrichter Thomas Fischer befasst sich in seiner Kolumne auf zeit.de diesmal mit Straftaten, die in berauschtem Zustand begangen wurden. Dabei vergleicht er das bundesdeutsche Strafrecht mit dem rigoroseren Strafrecht der DDR. Sein Fazit zum bundesdeutschen Recht: "Die Grenzen sind nicht so klar und einfach, wie wir sie erhoffen, und das ist keine Erfindung von 'spitzfindigen' Juristen, um den armen Bürger zu drangsalieren, sondern im Gegenteil der ernsthafte Versuch, dem Bürger, der Gesellschaft, der Natur und den Verbindungen zwischen allen dreien halbwegs gerecht zu werden."
Herkunftsnennung bei Straftätern: Der Pressekodex sieht bisher vor, dass die Nationalität von Straftätern in den Medien nur genannt werden soll, wenn es für das Verständnis der Tat erforderlich ist. Der Presserat wird am heutigen Mittwoch über den Vorschlag beraten, diese Regelung zu ergänzen, so die SZ (Karoline Meta Beisel). Angefügt werden könnte der Satz: "Zugleich ist zu berücksichtigen, dass die Nicht-Erwähnung Vorurteile gegenüber der Unvoreingenommenheit der Medien schüren könnte."
Cum-Ex-Fälle: Das Bundeszentralamt für Steuern setzt erst jetzt zusätzliche Mitarbeiter ein, um die so genannten Cum-Ex-Fälle aufzuklären, bei denen im Zusammenhang mit Dividendenzahlungen Steuern hinterzogen wurden. Die SZ (Klaus Ott) beschreibt ausführlich die bisherige Zögerlichkeit der Behörde.
Gebrauchte Software: Der EuGH hat 2012 entschieden, dass die Käufer von Software diese weiterverkaufen dürfen. Die SZ (Viola Schenz) beschreibt, wie dies in der Praxis heute betrieben wird.
Das Letzte zum Schluss
Streunende Katzen: Wer kranke Katzen einfängt und behandeln lässt, kann sich die Kosten nicht von der Kommune erstatten lassen. Das entschied jetzt das Verwaltungsgericht Gießen, wie der Blog haerlein.de (Daniela Göring) erläutert. Herumstreunende Katzen seien keine Fundtiere gemäß § 970 BGB.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. März 2016: Pechstein hofft auf BGH / Flüchtlings-Deal mit Türkei / BGH schützt Griechenland . In: Legal Tribune Online, 09.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18720/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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