Kachelmann spiegelbildlich: Jetzt steht mit Karl Dall ein Deutscher in der Schweiz wegen Vergewaltigung vor Gericht. Und auch hier steht Aussage gegen Aussage. Außerdem in der Presseschau: NRW will Ehegatten zu gesetzlichen Vertretern machen, OLG Frankfurt verhängt Jugendstrafe gegen IS-Rückkehrer, LG Potsdam verhandelt gegen Viagra-Fälscher, am IStGH wird die Anklage gegen Kenias Präsident zurückgezogen - und warum das AG Leer auf die Vermessung eines Penises verzichtete.
Thema des Tages
Schweiz - Prozess gegen Dall wegen Vergewaltigung: Am morgigen Dienstag beginnt vor dem Bezirksgericht Zürich der Prozess gegen den deutschen Komiker Karl Dall. Die Anklage wirft ihm die Vergewaltigung einer Schweizer Journalistin vor, die mit ihm die Nacht in seinem Hotelzimmer verbrachte. Dall bestritt, dass es überhaupt zu Sex gekommen sei, die Journalistin sei vielmehr aufdringlich gewesen. Gegen die Journalistin spricht, dass sie wegen Stalkings vorbestraft sein soll. Gegen Dall spricht ein Tonbandmitschnitt, auf dem er angeblich die sexuellen Fähigkeiten der Journalistin lobt. Es berichtet die Montags-SZ (Charlotte Theile).
Rechtspolitik
TTIP/CETA - Richtervorlage: Der Rechtsprofessor und CDU-Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte schlägt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard vor, dass Investorenschutz-Schiedsgerichte künftig Fälle, die die Auslegung nationalen und europäischen Rechts betreffen, dem Bundesgerichtshof oder dem Europäischen Gerichtshof vorlegen können. Die Schiedsgerichte könnten aber nicht verpflichtet werden, die Auffassungen von BGH oder EuGH zu übernehmen, da sie ja völkerrechtliche Abkommen anwenden müssten.
Betreuungsrecht und Ehegatten: Der NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) plant eine Bundesrats-Initiative, wonach Ehegatten "im Pflegefall" ein gesetzliches Vertretungsrecht erhalten sollen, meldet der Focus (focus.de-Zusammenfassung). Damit werde das Recht einer ohnehin weit verbreiteten Fehlannahme angepasst und die Gefahr einer Fremdbetreuung vermieden. Zerstrittene Ehegatten sollen aber die Möglichkeit haben, die Vertretung zu verhindern.
Suizid- und Sterbehilfe: Bei einer Tagung des baden-württembergischen Justizministeriums in Triberg kritisiert Ex-Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) Pläne, den ärztlich assistierten Suizid unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich zu erlauben. Die Samstags-Badische Zeitung (Christian Rath) berichtet über die Tagung. Die Montags-FAZ (Helene Bubrowski) berichtet ebenfalls ausführlich, legt den Schwerpunkt aber auf die Möglichkeiten des Behandlungsabbruchs.
Steuerstrafrecht: Rechtsprofessor Bernd Schünemann hat in der Festschrift für den Anwalt Hanns W. Feigen massiv das deutsche Steuerstrafrecht kritisiert, insbesondere die jüngste Verschärfung der Selbstanzeige. Die Montags-FAZ (Joachim Jahn) stellt die "Generalabrechnung" vor. "Der gnadenlos polemische Sprachstil, der niemanden respektvoll schont, ist ein Genuss für jeden, der nicht uneingeschränkt auf der Seite des Steuerstaates steht."
Justiz
OLG Frankfurt zu IS-Rückkehrer: Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main hat den 20-jährigen Kreshnik B. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilt. Damit ist erstmals in Deutschland ein IS-Mitglied verurteilt worden. Über das Urteil berichten unter anderem die Samstags-FAZ (Denise Peikert) und die Samstags-Badische Zeitung (Arne Bensiek). Den Verlauf des Prozesses fasst spiegel.de (Jörg Diehl) zusammen.
Reinhard Müller (FAZ) findet das Urteil "großzügig": "Der Islamist hat jetzt etwa eine ähnliche Strafe erhalten wie ein eitler Vorstand für ein paar Hubschrauberflüge zu viel." Ulrich Clauss (Welt) sieht in dem milden Urteil "viel Gottvertrauen" und "viel Hoffnung darauf, dass Kreshnik B. seinen Radikalislamismus zukünftig in den Schranken der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auslebt." Helmut Schwan (FAS) kommentiert: "In gewisser Weise muss man Kreshnik B. sogar dankbar sein, dass er nicht verhehlt, er bekenne sich weiter zu den Ansichten der radikalen Islamisten. Damit kommt erst gar nicht der Gedanke auf, man habe ihn durch einige Monate Untersuchungshaft wieder auf den rechten Weg bringen können."
OLG Düsseldorf - IS-Unterstützer: Am 21. Januar beginnt am OLG Düsseldorf der Prozess gegen drei Unterstützer des IS, meldet spiegel.de. Ihnen wird vorgeworfen, eine ausländische terroristische Vereinigung durch die Sammlung von Geld und die Lieferung einer Kamera unterstützt zu haben.
OLG Düsseldorf zu FLDR-Unterstützern: Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte drei Unterstützer der exil-ruandischen Hutu-Miliz FDLR wegen Unterstützung einer terroristischen Vereingung. Damit habe erstmals ein deutsches Gericht die FDLR als terroristische Vereinigung eingestuft, berichtet die Samstags-taz (Dominic Johnson). Die drei Asylberechtigten hatten der in Stuttgart angeklagten FDLR-Führung bei der Erstellung von Pressemitteilungen geholfen.
BSG zu Sterbehilfe und Unfallversicherung: Die Unfallversicherung muss auch dann Leistungen für Hinterbliebene zahlen, wenn die Witwe des Unfallopfers nach einem Wachkoma dessen Wunsch auf Behandlungsabbruch durchsetzte. Das entschied das Bundessozialgericht und wich damit vom Wortlaut des Gesetzes ab, das Leistungen bei vorsätzlicher Verursachung des Todes ausschließt. Die Richterin Bettina Karl stellt das Urteil auf lto.de vor.
BGH zu Wohnungsprostitution: Wenn eine Eigentümerversammlung beschlossen hat, gemeinsam gegen Wohnungsprostitution im Haus vorzugehen, können einzelne Eigentümer keine zulässige Klage mehr einreichen. Das beschloss jetzt der Bundesgerichtshof laut jusatpublicum.wordpress.com (Elke E. Rampfl-Platte).
BVerfG - Richterbesoldung: spiegel.de (Dietmar Hipp) analysiert die Äußerungen der Verfassungsrichter während der Verhandlung um die Richterbesoldung vorige Woche und prognostiziert, dass die Mehrheit der Richter davon ausgehe, dass der Staat hier "an falscher Stelle spare". Der Spiegel (Dietmar Hipp) meldet, dass in NRW 2013 rund jeder dritte Richter und Staatsanwalt Widerspruch gegen seine Besoldung eingelegt hat.
LG Potsdam - Viagra-Fälschung: Am Landgericht Potsdam läuft der Prozess gegen Matthias Mönch und mehrere Mitangeklagte, die von 2008 bis 2011 gefälschte Arzneimittel, vor allem das Potenzmittel Viagra,vertrieben haben sollen. Ihnen werden Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz und Betrug vorgeworfen. Die Samstags-Welt (Florian Flade/Lars-Marten Nagel) schildert ausführlich die Hintergründe der mutmaßlichen Tat.
LG Dresden - Anti-Nazi-Demo: Das Landgericht Dresden verhandelt ab dem heutigen Montag über die Berufung des Nazi-Gegners Tim H., der vor rund zwei Jahren vom Amtsgericht zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden war. Er soll bei einer Nazi-Demonstration 2011 Gegner mit einem Megafon aufgewiegelt und zu Straftaten angestachelt haben. Die Berufung stützt sich auf Video-Aufnahmen des Geschehens, die die Staatsanwaltschaft bisher zurückgehalten hatte, so spiegel.de (Julia Jüttner).
Recht in der Welt
IStGH - Prozess gegen Kenyatta geplatzt: Der Prozess am Internationalen Strafgerichtshof gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta ist geplatzt. Die Chefanklägerin Fatou Bensouda hat die Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zurückgezogen, weil die Beweislage nicht ausreichend sei. Kenyatta wurde vorgeworfen, er habe nach der Präsidentschaftswahl 2007 zu ethnischen Unruhen angestiftet, bei denen mehr als 1.100 Menschen starben. Er war der erste amtierende Staatschef, der vor dem IStGH angeklagt wurde. Es berichteten die Samstags-SZ (Stefan Ulrich/Tobias Zick) und spiegel.de.
USA - Prozess wegen totem Austauschschüler: In Montana hat der Prozess gegen den Amerikaner Markus Kaarma begonnen, der im April den deutsch-türkischen Austauschschüler Diren Dede erschossen hat, als jener sich in Kaarmas Garage aufhielt. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen vorsätzlicher Tötung angeklagt. Vom Prozessauftakt berichten spiegel.de (Karin Assmann) und die Samstags-SZ (Hans Holzhaider).
Sonstiges
Geschichte der Mitbestimmung: Aus Anlass des Streiks der Lufthansa-Piloten stellte die Samstags-SZ (Heribert Prantl) die Geschichte der wirtschaftlichen Mitbestimmung von Betriebsräten und Gewerkschaften dar.
Reform des ADAC: Ulrich Clauss (Montags-Welt) vermutet, dass die am Wochenende beschlossene Reform des ADAC weniger aus Furcht vor einem Verlust an Mitgliedern erfolgte, sondern mit Blick auf eine Entscheidung des Münchner Registergerichts, das noch im Dezember klären will, ob die weit verzweigten Geschäftsfelder des ADAC mit dem Vereinsstatus vereinbar sind.
Das Letzte zum Schluss
AG Leer - Keine Penisvermessung: Ein Exhibitionismus-Prozess in Ostfriesland endete, ohne dass der Penis des Angeklagten vermessen wurde. Die Richterin am Amtsgericht Leer hatte dies zunächst angeordnet. Anlass war die Aussage der Ehefrau des angeklagten Postboten, der punktuel mit aus dem Hosenladen heraushängendem Penis gearbeitet haben soll. Sie erklärte, dass dies schon wegen der geringen Größe des fraglichen Geschlechtsteils gar nicht möglich sei. Der Prozess wurde nun eingestellt, weil der Mann in anderer Sache verurteilt wurde und die mögliche Strafe wegen Exhibitionismus daneben nicht mehr ins Gewicht gefallen wäre, meldet spiegel.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 6. bis 8. Dezember 2014: Vergewaltigungs-Prozess gegen Karl Dall – mildes Urteil gegen IS-Mitglied – Anklage gegen Uhuru Kenyatta gescheitert . In: Legal Tribune Online, 08.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14042/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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