Vor dem LG Regensburg beginnt das Wiederaufnahmeverfahren zu Gustl Mollath mit einer Niederlage für den Angeklagten. Außerdem in der Presseschau: PKW-Maut und Europarecht, BVerfG vor Erbschaftsteuer-Verhandlung, Gedanken zu Burka-Verbot und Privatheit sowie ein Beamter, der über seiner Fußballbegeisterung die Flaggenverordnung nicht vergisst.
Thema des Tages
LG Regensburg – Gustl Mollath: Vor dem Landgericht (LG) Regensburg begann das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Mollath. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, im Jahr 2001 seine damalige Ehefrau geschlagen und misshandelt und später ihre Autoreifen sowie die ihrer Bekannten zerstochen zu haben. Das LG Nürnberg sprach Mollath 2006 von diesen Vorwürfen frei, verfügte aber nach eintägiger Verhandlung seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Nach einem siebenjährigen Aufenthalt verfügte das Oberlandesgericht Nürnberg im vergangenen Jahr seine Freilassung und die Wiederaufnahme des Verfahrens.
Zum Verfahrensauftakt habe Mollath den Ausschluss des psychiatrischen Sachverständigen beantragt. Der renommierte Gutachter habe in mehreren öffentlichen Äußerungen seine Zweifel am gerichtsverwertbaren Nutzen von psychiatrischen Begutachtungen wegen einer hohen Fehlerquote zum Ausdruck gebracht. Mollath selbst empfinde abgrundtiefes Misstrauen gegen jeden Psychiater, dies äußere sich in Angstzuständen. Der Antrag sei abgelehnt worden. Es berichten unter anderem SZ (Hans Holzhaider), Welt (Christian Eckl) und taz (Lisa Schnell). Dabei gehen die Beiträge auch auf die Vorgeschichte des Verfahrens ein.
Der Bericht der FAZ (Albert Schäffer) beschreibt als Strategie des Angeklagten seinen Versuch, "die Disziplin" Psychiatrie auf die Anklagebank zu setzen. Hierzu hätten auch weitere Anträge gedient, mit denen die Schwarzgeldgeschäfte der damaligen Arbeitgeberin der Ex-Frau Mollaths belegt werden sollten. Henning Ernst Müller (beck.blog.de) setzt sich mit der vom Gericht verwendeten Argumentation zur Anwesenheit des Gutachters auseinander und verlinkt hier zu sämtlichen von ihm verfassten Beiträgen zum Fall seit Herbst 2012.
Für Reinhard Müller (FAZ) geht es im Verfahren um das Selbstverständnis der Justiz und ihren Umgang mit eigenen Fehlern. Die Initiative des bayerischen Justizministers Winfried Bausback (CSU) zu einer Reform des Unterbringungsrechts sei zu begrüßen, weil durch strengere Prüfungen der Notwendigkeit solcher Maßnahmen Fehlentscheidungen schneller korrigiert werden könnten.
Rechtspolitik
Datenschutzverordnung: In der vergangenen Woche hat Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) in einem Schreiben an die EU-Ratspräsidentschaft und die Justizkommissarin Viviane Reding Kernfragen dargelegt, die bislang eine Einigung bei der Verabschiedung einer Datenschutz-Grundverordnung verhindert hätten. Netzpolitik.org (Benjamin Bergemann) unterzieht das Schreiben einer kritischen Würdigung.
PKW-Maut: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat Pläne zu einer ab 2016 geltenden Mautpflicht für PKW vorgestellt. Nach dem Bericht der taz (Eric Bonse/Richard Rother) kündigte die Verkehrsministerin Österreichs umgehend rechtliche Schritte gegen die Diskriminierung ihrer Landsleute an. Der EU-Verkehrskommissars Siim Kallas habe verlauten lassen, dass die geplante Verrechnung der Abgabe mit der Kfz-Steuer wohl unzulässig sei.
Die wichtigsten geplanten Neuregelungen fassen SZ (Stephan Radomsky) und Welt (Claudia Ehrenstein/Matthias Kamann) zusammen.
Für Michael Bauchmüller (SZ) läuft das Vorhaben auf eine "lupenreine Diskriminierung ausländischer Autofahrer" hinaus, zu einer vergleichbaren Einschätzung gelangt Rechtsprofessor Christian Koenig, der vom Handelsblatt (Klaus Stratmann) interviewt wird. Wolfgang Münchau (spiegel.de) fordert dagegen ein europaweites Mautsystem.
Vorfälligkeitsentschädigung: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet über eine Forderung des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, die von Banken und Kreditinstituten erhobenen Vorfälligkeitsentschädigungen für vorzeitige Ablösungen von Immobiliendarlehen zu deckeln. Hierzu solle eine EU-Richtlinie zu Darlehen für Wohnimmobilien umgesetzt werden.
Justiz
BVerfG – Erbschaftsteuer: Mit der für den heutigen Dienstag vorgesehenen mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zu Ausnahmen von der Erbschaftsteuer bei Unternehmensübertragungen beschäftigt sich die SZ (Wolfgang Janisch). Der Beitrag fasst die rechtlichen Argumente des Verfahrens zusammen und hält vor allem die zahlreichen Ausnahmeregelungen und Umgehungsmöglichkeiten für verfassungsrechtlich problematisch. Zwar sei der Gesetzgeber befugt, durch Steuervorteile bestimmte politische gewollte Ziele zu verfolgen, hier etwa den Erhalt von Arbeitsplätzen. Diese Wirkungen müssten jedoch "zielgenau" und "möglichst gleichmäßig" eintreten, was bei der nun verhandelten Regelung nicht der Fall sein dürfte. Offen sei aber, ob das Gericht die gegenwärtige Regelung auch rückwirkend für nichtig erklären wird.
Aus Anlass der Verhandlung berichtet das Handelsblatt (Donata Riedel/Barbara Gillmann) über einen von Hermann-Ullrich Viskorf, dem Vizepräsidenten des Bundesfinanzhofs stammenden Reformvorschlag zur Erbschaftsteuer. Das Modell sehe eine einheitliche, 10-prozentige Steuer auf alle Erbschaften und keine Schonung von Betriebsvermögen vor.
LG Berlin – Crystal Meth: Vor dem Landgericht Berlin muss sich eine 43-Jährige wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht nicht geringer Menge verantworten. Der Fall hat überregionales Aufsehen erregt, weil einer ihrer mutmaßlichen Kunden der frühere innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, gewesen sein soll. Über die Verhandlung berichten FAZ (Majid Sattar) und Welt (Miriam Hollstein).
LG Hamburg – HSH-Nordbank: Das Landgericht Hamburg urteilt am kommenden Mittwoch im Strafverfahren gegen mehrere Vorstände der HSH-Nordbank. In ihrem Bericht schreibt die Welt, dass es nach wie vor nicht abzusehen sei, ob der Vorwurf der Untreue wegen hochriskanter Transaktionen zu einer Verurteilung führen wird.
SG Heilbronn zu Arbeitsunfall: Ein Sturz auf dem Weg von einer beruflichen Veranstaltung ins Hotelzimmer ist nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn auch dann als Arbeitsunfall zu werten, wenn der Verunglückte erheblich alkoholisiert war, meldet zeit.de. Bei Tagungen könne nicht trennscharf zwischen privaten und beruflichen Belangen unterschieden werden, der klagende Betriebsrat habe zudem auch im informellen Teil der Veranstaltung Dienstliches besprochen.
GBA – Spionage: Gegen den festgenommenen BND-Mitarbeiter, der vertrauliche Unterlagen an den US-Geheimdienst CIA übergeben haben soll, ermittelt nach Bericht der Welt (Günther Lachmann) mittlerweile der Generalbundesanwalt. Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) habe derweil angekündigt, die deutschen Geheimdienste zu einem "360-Grad-Blick" verpflichten zu wollen, die Behörden sollten also auch verbündete Staaten überwachen. Ob auch gegen ausländische Geheimdienstler ermittelt werden würde, ist nach dem Bericht der SZ (Hans Leyendecker) fraglich. Zwar unterscheide das Strafrecht nicht danach, für welchen Dienst spioniert werde. Ein gegen amerikanische Agenten in Deutschland laufendes Strafverfahren sei in der Bundesrepublik jedoch noch nie vorgekommen.
KZ-Aufseher: Die Ermittlungen der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen gegen 17 ehemalige Aufseher des Konzentrationslagers Majdanek wegen Beihilfe zum Mord stehen nach Bericht der taz (Klaus Hillenbrand) vor dem Abschluss und der Abgabe an die zuständigen Staatsanwaltschaften in Mainz und Stuttgart. Ähnlich wie im jüngsten Fall der Ermittlungen gegen Aufseher des KZ Auschwitz könne nicht abgeschätzt, wie viele der Beschuldigten sich tatsächlich vor Gericht verantworten müssten.
Recht in der Welt
EGMR zu Burka-Verbot: Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) stellt in seiner Kolumne Überlegungen zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum französischen Burka-Verbot und der nachfolgenden Debatte an. Vor dem Hintergrund des "Right to Privacy" aus dem US-amerikanischen Rechtskreis mute die Argumentation, der Einzelne sei zur gesellschaftlichen Teilnahme verpflichtet, merkwürdig an. Sie berge die Gefahr der Aufweichung eines "abwägungsfesten Kerns des Grundrechtsschutzes."
Slowenien – Spitzenkandidat: Die FAZ (Klaus-Peter Schwarz) berichtet über den konservativen Spitzenkandidaten Sloweniens, der seinen Wahlkampf für die am kommenden Wochenende stattfindende Wahl aus dem Gefängnis betreibt. Dort sitzt er seit einer Verurteilung wegen Korruption. Tatsächlich räche sich der Justizapparat des Landes mit dem "fragwürdigen Verfahren" an dem Politiker, der seit Jahren die Justiz "als eines der letzten Bollwerke des alten Regimes" kritisiert.
Chile – Colonia Dignidad: Der Oberste Gerichtshof Chiles hat beschlossen, die Vollstreckung einer mehrjährigen Haftstrafe des früheren Arztes der Colonia Dignidad wegen Kindesmissbrauch in Deutschland zu beantragen. Der in der Bundesrepublik Befindliche wurde in Abwesenheit verurteilt, ein Auslieferungsantrag ist gescheitert. Ein Sprecher der zuständigen Krefelder Staatsanwaltschaft habe nach Meldung der Welt erklärt, dass zunächst geprüft werden müsse, ob das chilenische Verfahren rechtlichen Mindeststandards entsprochen habe.
Sonstiges
Edward Snowden: Die Badische Zeitung (Christian Rath) erläutert die Umstände, unter denen Whistleblower Edward Snowden ein Aufenthaltsrecht in Deutschland gewährt werden könnte. Die gegen Snowden erhobene Anklage ließe sich wohl nicht als politische Verfolgung einstufen, weswegen ein Asylverfahren wohl scheitern müsse. Dem Innenminister stehe es jedoch offen, Snowden ein Aufenthaltsrecht nach § 22 des Aufenthaltsgesetzes "zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik" zu verleihen.
Strafvollzug: In einem Gastbeitrag für die SZ bedauert Bernd Maelicke, Gründungsdirektor des Deutschen Instituts für Sozialwirtschaft, dass die Inhaftierung Uli Hoeneß' keine kritische Bestandsaufnahme des Strafvollzuges in Deutschland bewirkt habe. Auch die Kompetenzübertragung an die Länder im Zuge der Föderalismusreform habe die Diskussion über den "anhaltenden und offenkundigen Reformbedarf" und die "Legitimitätskrise" des Vollzugssystems nicht gefördert.
Google: In einem Gastbeitrag für die FAZ bezeichnet der frühere US-amerikanische Botschafter in Deutschland, John Kornblum, das europäische Vorgehen gegen Google als falsch. Sowohl das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Löschansprüchen als auch die gemeinsame Kartellklage zahlreicher Unternehmen seien Ausdruck von Angst. Dieses vermeintliche Unbehagen müsse aber mit unternehmerischen Erfindungsgeist bekämpft werden, denn "juristische Angriffe gegen einen starken Konkurrenten sind fast immer erfolglos."
Datenschutz: Im Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier) legt Wolfgang Schuldzinski, neuer Leiter der nordrhein-westfälischen Verbraucherzentrale, Pläne zur Schaffung eines bundesweiten Kompetenzzentrums gegen Datenschutzverstöße und unlautere Geschäftspraktiken dar.
Das Letzte zum Schluss
Flagge zeigen: Die Fußball-WM neigt sich dem Ende zu und für die Anhänger der deutschen Mannschaft bleibt nicht mehr viel Zeit, ihrer Begeisterung durch Beflaggung ihrer Autos Ausdruck zu verleihen. Diesen zeitlichen Druck nahm nun Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, zum Anlass einer offiziellen, zweiseitigen Anfrage beim Innenministerium, wie die Beflaggung von Dienstwagen vorzunehmen sei, ohne mit der Flaggenverordnung zu kollidieren. Einen möglichen Anhaltspunkt nennt das Schreiben selbst: die "Anordnung über die deutschen Flaggen vom 13. November 1996, Abschnitt III." Über den dienstbeflissenen Beamten berichtet die SZ (Claus Hulverscheidt).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. Juli 2014: Wiederaufnahmeverfahren Mollath beginnt – PKW-Maut vorgestellt – Erbschaftsteuer vor dem BVerfG . In: Legal Tribune Online, 08.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12482/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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